Man kann Menschen besser mit Soft Power beherrschen als mit Hard Power. Manipulation ist effektiver als physische Gewalt.
Gemäss der Motivationstheorie hat der Mensch ein natürliches Immunsystem gegen Zwang. Der Wunsch nach Selbstbestimmung ist ein zentraler Bestandteil der menschlichen Psyche. Wenn diese bedroht wird, bilde sich Widerstand dagegen, sagt Jonas Tögel (siehe Video).
Gegen Hard Power wehrt man sich, gegen die subtile Soft Power ist Widerstand schwieriger, weil sie unterhalb der Wahrnehmungsschwelle wirkt.
Wie könnte man beispielsweise jemanden dazu bringen, einem 20 Euro auszuhändigen? Bei Hard Power etwa durch Gewaltandrohung mittels einer Waffe. Bei Soft Power könnte man ein Bild eines abgemagerten Kindes zeigen und sagen, mit 20 Euro könne es sich eine Woche lang Essen kaufen.
Mit Soft Power kann das Verhalten so manipuliert werden, dass man eine Handlung gerne und freiwillig ausführt. Seit etwa 120 Jahren seien diese Methoden sehr gut erforscht, so Tögel. Sie würden immer wieder dazu verwendet werden, um Menschen so zu steuern, dass es keinen Widerstand gebe.
Wenn man sich das Diktum des Philosophen Immanuel Kant zur Aufklärung vergegenwärtigt, so zerstöre Propaganda die Mündigkeit des Menschen, sagt Tögel.
So versuche man mittels kultureller Propaganda heute bereits in der Schule, die NATO als «Verteidigerin der westlichen Werte» darzustellen und Zweifel daran oder gegenüber der eigenen Regierung als «Verschwörungstheorie» zu diffamieren.
«Sehr extremes Programm»
Die Kognitive Kriegsführung ist ein Programm der NATO. Sie sei ein Überbegriff von Kriegspropaganda, Informationskriegsführung und psychologischer Kriegsführung. Alle bekannten Manipulationsmethoden werden dabei zusammengefasst und mit neuen kombiniert, wie der digitalen Manipulation und Zukunftstechnologien.
Das Ziel sei es, den Menschen wie einen Computer zu «hacken». So soll der Mensch mit diesem «sehr extremen Programm» komplett kontrollierbar werden: seine Gedanken, Gefühle, Handlungen. Ein so umfangreiches Propagandakonzept habe es noch nie gegeben, erklärt Tögel.
Jeder einzelne Mensch stehe bei der Kognitiven Kriegsführung im Fokus. Sowohl Bevölkerungen fremder Länder als auch die eigenen. Das Programm besteht aus Angriff und Verteidigung. Tögel weiter:
«Der grösste Verbündete der Kognitiven Kriegsführung ist die Tatsache, dass die Menschen gar nicht wissen, dass die Kognitive Kriegsführung überhaupt stattfindet. (...) Die NATO sagt: ‹Super, dass die Menschen das nicht wissen, dann können wir sie noch leichter manipulieren.›»
Ähnliche Manipulationstechniken nutzen auch andere Organisationen, wie das World Economic Forum (WEF). Dieses habe kürzlich erklärt, man habe mit Google auf den Klimawandel bezogene Suchergebnisse dahingehend beeinflusst, dass kritische Stimmen von der ersten Seite der Suchergebnisse verschwinden.
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Zum Autor:
Dr. Jonas Tögel ist Amerikanist und Propagandaforscher. Er promovierte zum Thema Soft Power und Motivation und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Universität Regensburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Motivation, der Einsatz von Soft-Power-Techniken, Nudging, Propaganda sowie epochale Herausforderungen des 20. und 21. Jahrhunderts.
Buch-Hinweis:
Jonas Tögel: Kognitive Kriegsführung. Neuste Manipulationstechniken als Waffengattung der NATO. Westend, 2023. 256 S., 24,00 €. ISBN 978-3-864-89422-0. Weitere Infos und Bestellung beim Verlag hier.
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