Der scharfsinnige deutsche Satiriker Eugen Roth dichtete 1959 in seinem Buch «Neue Rezepte vom Wunderdoktor»:
«Was bringt den Doktor um sein Brot?
a) die Gesundheit, b) der Tod.
Drum hält der Arzt, auf dass er lebe,
Uns zwischen beiden in der Schwebe.»
Diese Erkenntnis entspricht den Ergebnissen einer aktuellen Studie, laut der eine wachsende Diskrepanz zwischen Lebens- und Gesundheitsspanne besteht. Sie zeigt, dass die Menschen zwar länger leben, aber einen größeren Teil ihrer zusätzlichen Jahre in schlechter Gesundheit verbringen.
Laut der Arbeit, auf die Study Finds aufmerksam macht, hat sich die durchschnittliche Kluft zwischen Lebens- und Gesundheitsspanne weltweit von 8,5 Jahren im Jahr 2000 auf 9,6 Jahre vergrößert. Die US-Amerikaner weisen dabei mit 12,4 Jahren die größte Kluft auf. Dies bedeutet, dass mehr als ein Jahrzehnt des Lebens durch Krankheit oder Behinderung belastet ist. Den Forschern zufolge ist das vor allem auf psychische Probleme, übermäßiger Konsum legaler und illegaler Substanzen sowie, besonders bei Frauen, Erkrankungen des Bewegungsapparats zurückzuführen.
Die von Wissenschaftlern der Mayo Clinic durchgeführte und in JAMA Network Open veröffentlichte Studie analysierte Daten aus 183 WHO-Mitgliedstaaten aus den Jahren 2000 bis 2019. Der medizinische Fortschritt hat demnach zwar die Lebenserwartung verlängert, aber nicht in gleichem Maße zur Erhaltung der Gesundheit beigetragen.
Viele Menschen haben somit in späteren Jahren mit chronischen Schmerzen, psychischen Problemen und anderen Beschwerden zu kämpfen. Bei Frauen ist die Kluft zwischen Gesundheit und Lebenserwartung größer als bei Männern. Deutschland ist dabei Spitzenreiter: Deutsche Frauen weisen einen Abstand von 3,6 Jahren zu ihren männlichen Kollegen auf.
Paradoxerweise bestehen in Ländern mit einer längeren Lebenserwartung, wie den USA, Australien und Neuseeland, größere Unterschiede. Das spiegelt die Folgen einer Verlängerung des Lebens wider, ohne sich angemessen mit Behinderungen im späteren Leben auseinanderzusetzen. In Ländern mit kürzerer Lebenserwartung, wie Lesotho und Somalia, sind die Unterschiede dagegen geringer, was jedoch oft eher auf ein kürzeres Leben als auf eine bessere Gesundheit zurückzuführen ist.
In den beiden untersuchten Jahrzehnten stieg die Lebenserwartung weltweit um 6,5 Jahre, aber die gesundheitsbereinigte Lebenserwartung nahm nur um 5,4 Jahre zu. Die Vereinigten Staaten sind ein Beispiel für diesen beunruhigenden Trend, da sich der Abstand von 10,9 auf 12,4 Jahre vergrößert hat.
Den Forschern zufolge müssen die Gesundheitssysteme dem Wohlbefinden und der Vorbeugung Vorrang vor der bloßen Verlängerung des Lebens einräumen. Diesen Wandel erachten sie als eine wesentliche Voraussetzung für eine wirklich sinnvolle Revolution der Langlebigkeit. Armin Garmany, Hauptautor der Studie, erklärte:
«Die sich weltweit vergrößernde Kluft zwischen Gesundheit und Lebenserwartung weist auf die Notwendigkeit einer beschleunigten Umstellung auf proaktive, wellnessorientierte Versorgungssysteme hin.»
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