ENTWÖHNUNG
Ich soll nicht morden
ich soll nicht verraten
Das weiß ich
Ich muss noch ein Drittes lernen:
Ich soll mich nicht gewöhnen

Wenn ich mich auch nur an den Anfang gewöhne
fange ich an mich an das Ende zu gewöhnen
Erich Fried

Liebe Leserinnen und Leser

Ich hoffe, dass das Jahr für Sie gut begonnen hat und ebenso sich fortsetzt. Ich gestehe, dass ich heute gern entsprechend gute Nachrichten mit diesem Newsletter vermittelt hätte, aber es mag mir nicht gelingen.

Zu sehr beeindruckt und beschäftigt mich, was Seymour Hersh über das mörderische Treiben der israelischen Armee in Palästina schreibt. Dass dort religiöse Eiferer in Uniform in ihrem Wahn morden um des Mordens willen – und weil sie, sich selbst entmenschlichend, andere nicht als Menschen wahrnehmen.

Mich beschäftigt, warum niemand das mörderische Treiben der Extremisten in der israelischen Politik stoppt – nicht in dem Land selbst und nicht außerhalb Israels. Nein, stattdessen wird es weiter unterstützt, von den Regierenden des Westens, mit Waffen und Propaganda.

Sie unterstützen es auch mit Hetze gegen jene und mit deren Verfolgung, die gegen das protestieren, was im Gaza-Streifen und im Westjordan-Land geschieht. Ich hörte kürzlich wieder davon, dass die deutsche Polizei jüdische Menschen verhaftete, die gegen den Völkermord an den Palästinensern protestieren.

Zu ihnen gehört Iris Hefets von der Organisation «Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost». In dem Moment, wo ich Ihnen das schreibe, fällt mir auf, es gibt doch Gutes zu berichten: Dass es solche Menschen gibt, die klar sagen, dass das, was in Palästina geschieht, nicht in ihrem Namen geschieht.

Mir bleibt nur, ein weiteres Mal klar und deutlich zu sagen, dass die Unterstützung der deutschen Regierung für den Völkermord im Gaza-Streifen ebenfalls nicht in meinem Namen erfolgt. Es bleibt die Frage, wie deutsche Politiker, die andere über Werte belehren und deren Handeln danach beurteilen, das Handeln der regierenden israelischen Politiker auch nur im Ansatz unterstützen und rechtfertigen können.

Wie können sie schweigen, angesichts der viele getöteten Menschen in Palästina und des nicht endenden Mordens? Angesichts der vielen erschreckenden Tatsachen, zu denen gehört, dass nach UN-Angaben Gaza «die Heimat der größten Gruppe amputierter Kinder in der modernen Geschichte» geworden ist.

Zu all den Opfern der mordenden israelischen Armee gehören die Menschen, die das zwar überleben, aber mit dauerhaften Schäden an Leib und Seele. Seit Beginn des israelischen Vernichtungskrieges musste nach offiziellen Angaben 4.500 Amputationen bei palästinensischen Opfern vorgenommen werden, wie das libanesische Portal Al Mayadeen berichtet.

Die weiter mordende, zerstörende und verletzende israelische Armee gilt längst als Sieger in ihrem Krieg gegen die Palästinenser. Doch sie kann und soll anscheinend nicht aufhören ihrem mörderischen Treiben.

Mir bleibt nur, ein weiteres Mal in dem Zusammenhang Erich Fried zu zitieren. In seinem Gedichtband «Höre, Israel!», zuerst 1974 veröffentlicht, erweitert 1983, gibt es ein passendes Gedicht:

FRAGE AN DEN SIEGER

Nun sagst du
man muss dich vor der Rache
der Sippe deines Bruders von dem du nichts weißt
beschützen
Und du trägst ein Zeichen das sagt
wer dich totschlägt an dem soll
siebenfach Rache genommen werden
Wer bist du?

Es bleibt nur, diese Frage an jene zu stellen, die sich für Sieger halten. Und wie heißt es doch: Wer schweigt, stimmt zu!

Lassen Sie uns nicht schweigen angesichts dessen, was geschieht, auch wenn wir wenig Einfluss auf seinen Fortgang haben. Aber wir können immer wieder klar machen: Es geschieht nicht in unserem Namen!

Ich wünsche Ihnen dennoch ein gutes Wochenende und erneut Wissensgewinn und Anregung durch die Beiträge auf Transition News!

Friedvolle Grüße
Tilo Gräser