Beim sogenannten Peer Reviewing wird eine wissenschaftliche Arbeit durch unabhängige Gutachter für veröffentlichungswürdig oder -unwürdig eingestuft. Bei den Gutachtern handelt es sich in der Regel um Wissenschaftler desselben Fachgebiets – sogenannte «Peers», was «Ebenbürtige» oder «Gleichrangige» bedeutet. Das Peer-Review-Verfahren ist das gängigste Verfahren der Qualitätsprüfung vor Veröffentlichung von Beiträgen in wissenschaftlichen Zeitschriften.
In der Tat gilt es gemeinhin als eine Art heilige Säule des Wissenschaftstempels, welches die Einhaltung von Qualitätsstandards verspricht. Doch Kritiker meinen sogar, geradezu das Gegenteil sei der Fall.
Richard Smith etwa, von 1991 bis 2004 Chef des British Medical Journal, befand in seinem 1999er Beitrag «The Future of Peer Review», das Peer Reviewing sei «langsam, teuer, eine Verschwendung akademischer Zeit, höchst subjektiv, anfällig für Voreingenommenheit, leicht zu missbrauchen, schlecht für die Aufdeckung grober Mängel und nahezu unbrauchbar für die Aufdeckung von Betrug».
Nun ist mit dem Biologen Peter Civáň vom Nationalen Institut für Agronomieforschung (INRA) in Frankreich ein weiterer Kritiker, der in etablierten Kreisen Ansehen geniesst, hinzugekommen.
So ist er der Ansicht, dass das aktuelle Modell wissenschaftlicher Veröffentlichungen in erster Linie den Geschäftsinteressen der Verlage dient und nicht den Fortschritt der Wissenschaft vorantreibt. In einem Preprint-Beitrag erklärt er, dass er deswegen fortan keine Studien für private Verlage mehr begutachten werde. Er rät anderen Forschern, seinem Beispiel zu folgen.
Trotz der freiwilligen und unbezahlten Natur des Peer-Review hebt Civáň den erheblichen zeitlichen und intellektuellen Aufwand hervor, der in diesen Prozess investiert wird.
Er berichtet von negativen Erfahrungen, darunter der Verdacht auf unethische Praktiken von Verlagen, Fälle, in denen er nach einer negativen Bewertung vom Begutachtungsprozess ausgeschlossen wurde, und die Veröffentlichung fehlerhafter Manuskripte trotz Ablehnung.
Civáň hat Bedenken angesichts des exponentiellen Wachstums der veröffentlichten Studien, hinsichtlich der Qualität wissenschaftlicher Ergebnisse. Er macht klar:
«Wenn man diese Trends im Zusammenhang mit der Krise der Reproduzierbarkeit betrachtet, wird deutlich, dass das derzeitige System des wissenschaftlichen Publizierens kaputt ist. Ich glaube nicht mehr, dass es repariert werden kann, und ich denke, ein Zusammenbruch ist notwendig, um neue, bessere Modelle zu schaffen.»
Der Biologe stellt sich ein neues wissenschaftliches Modell mit gemeinnützige Zeitschriften vor, die mit Forschungseinrichtungen verbunden sind. Damit solle die Qualität der Forschungsarbeiten gefördert und minderwertige Arbeiten aussortiert werden. Der Forscher plädiert für eine radikale Veränderung des Peer-Review-Prozesses mit einem Fokus auf Transparenz, Rechenschaftspflicht und Vergütung für Gutachter.
Civáň ruft zu einer offenen Diskussion auf und dazu, dass man sich gemeinsam darum bemühen solle, Peer-Review-Anfragen von privaten Verlagen abzulehnen und dadurch eine Veränderung auszulösen.
Der Forscher war für zahlreiche Publikationen als Gutachter tätig, darunter Advanced Science, Agronomy, Archaeological and Anthropological Sciences, BMC Biology, Current Genetics, Ecology and Evolution und Frontiers in Plant Science.
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