Ihr Herrn, die ihr uns lehrt, wie man brav leben
Und Sünd und Missetat vermeiden kann
Zuerst müsst ihr uns was zu fressen geben
Dann könnt ihr reden: damit fängt es an.
Bertolt Brecht
Liebe Leserinnen und Leser
Nicht erst seit gestern ist bekannt, dass der «Kampf gegen Armut» häufig ein «Kampf gegen die Armen ist». (Auch mein Kollege Konstantin Demeter hat im gestrigen Newsletter das Thema Armut behandelt.) Das war in den Anfangszeiten des Kapitalismus so und es ist auch heute noch der Fall. Da hilft es auch nichts, wenn ein paar ideologisch verblendete Libertäre die groteske Behauptung aufstellen, wir würden heute im «Sozialismus» leben.
Das Gegenteil ist der Fall: Wir leben im Endstadium des neoliberalen, marktradikalen Konsumkapitalismus. Natürlich, es werden jetzt wieder vermehrt «sozialistische», sprich kollektivistische Parolen bemüht. Siehe Klaus Schwab und Konsorten. Aber man muss eben zwischen Begriff und Sache, zwischen Propaganda und Realität unterscheiden können …
Aber darum geht es mir heute nicht. Es geht vielmehr um die unverhohlene Menschenverachtung, ja, Lebensfeindlichkeit, die sich an allen Ecken und Enden beobachten lässt. Jüngstes Beispiel: Ein wissenschaftlicher Artikel, der «aktive Sterbehilfe» (sprich: Tötung, oder gar: Mord?) als «Lösung» gegen Armut vorschlägt. Soll heissen: Die Armen erhalten gnädigerweise das «Recht», sich umbringen zu lassen, um der Gesellschaft nicht weiter zur Last zu fallen.
Das klingt nicht nur zynisch. Es ist zynisch. Und nicht nur das. Meiner Ansicht nach handelt es sich hierbei um exakt dasselbe Gedankengut, das uns in ziemlich dunklen Zeiten schon einmal als «Euthanasie» respektive bereits davor als Eugenik und Sozialdarwinismus begegnet ist.
Dass so etwas überhaupt publiziert werden kann, noch dazu im Gewand eines «wissenschaftlichen» Artikels, zeigt, wie weit wir bereits die rote Linie des Vorstellbaren überschritten haben. Aber damit nicht genug: In Kanada wird das offenbar (siehe oben) ernsthaft diskutiert – und möglicherweise bald umgesetzt, das heisst: in Gesetzesform gegossen. Man ist dort ja sowieso schon sehr «liberal», was die «Sterbehilfe» angeht …
Zu dieser Normalisierung des Undenkbaren passen auch Bücher, Filme, Serien wie «Hunger Games» oder «Squid Game». Falls Ihnen Letzteres, wie mir bisher, nicht viel sagt, hier die kurze Zusammenfassung:
«Staffel eins war eine Mischung aus Thriller und Gesellschaftskritik: In einer Spielshow treten Hunderte hoch verschuldeter Menschen von völlig unterschiedlicher sozialer Herkunft in Kinderspielen gegeneinander an, um ein Preisgeld in Millionenhöhe zu gewinnen. Verlierer werden in dem makabren Wettbewerb umgehend getötet.»
Ich erspare mir einen Kommentar und lasse zum Abschluss noch einmal den Dichter Bertolt Brecht sprechen:
«Denn wovon lebt der Mensch? Indem er stündlich
Den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frisst.
Nur dadurch lebt der Mensch, dass er so gründlich
Vergessen kann, dass er ein Mensch doch ist.»
Herzliche Grüsse
Susanne Schmieden
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Redaktion und Moderation: Christoph Pfluger
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