Wie steht es mit dem Begriff einer «Kultur des Friedens»? Es klingt wie ein Fremdwort, wenn der Münchner Kulturreferent Anton Biebl den Organisatorinnen und Organisatoren der traditionellen Münchner Friedenskonferenz die Streichung der zugesagten Zuschüsse mit folgenden Worten mitteilt:
«Wie Ihnen bekannt ist, ist die Förderung einer solchen rein politischen Veranstaltung mit weltpolitischen Fragestellungen [wie der Internationalen Münchner Friedenskonferenz] aus Kulturfördermitteln der Landeshauptstadt München schon seit längerer Zeit in Diskussion.
Der vorliegende Antrag der Fraktionen SPD/Volt und Die Grünen/RL vom 1. Februar 2024 setzt dem Kulturreferat nun einen Rahmen, der in der Auslegung der Förderkriterien berücksichtigt werden muss.»
Diese Aussage basiert übrigens lediglich auf einem Antrag der oben genannten Stadtratsfraktionen, mit dem sich der Stadtrat bisher noch nicht befassen konnte. Biebl und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) betreiben hier eine neue Auslegung der Förderkriterien – nicht nur für die Friedenskonferenz, sondern für sämtliche vom Kulturreferat geförderten Projekte, die mit den Betroffenen nicht diskutiert wurden.
Die Friedensbeiträge der Zivilgesellschaft, begleitet von engagierten Künstlerinnen und Künstlern, wie sie für die Konferenz wie in jedem Jahr geplant sind, bereichern unzweifelhaft ein gesundes Gemeinwesen und eine weltoffene Stadtgesellschaft. Gerade damit der Friedensbegriff nicht erstarrt in einem (zwar wichtigen) formelhaften «Nie wieder Krieg», müssen immer wieder neue Alternativen gedacht, bewertet und vertreten werden.
Das gilt nicht nur in Friedens- und Wohlstandszeiten, sondern genau dann, wenn Gewalt und Krieg uns, unsere Nachbarn, die Welt überhaupt bedrohen und dadurch täglich Menschenrechte verletzt werden.
Während zur gleichen Zeit in München auf der Sicherheitskonferenz (MSC) Geostrategen, Wehrkundler, Rüstungsvertreter und Politiker aus der ganzen Welt tagen, um «realpolitisch» Sicherheit durch Waffen und Stärke zu besprechen und die Welt auf Krieg einzustellen, ist und war es immer ein notwendiges gutes Gegengewicht, dem Friedenswillen der Bevölkerung und Friedensperspektiven aus der Wissenschaft und dem Aktivismus eine Stimme zu geben. Aus der MSC, einer quasi privaten Veranstaltung mit öffentlichen Geldern – auch der Stadt –, ist die Bevölkerung quasi ausgeschlossen.
Die Friedenskonferenz wird von einem Trägerkreis geplant und getragen, dem unter anderem IPPNW, DFG-VK, Pax Christi und die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit/IFFF-WILPF angehören. Alle engagieren sich im Rahmen ihrer Gruppen ehrenamtlich dafür, alljährlich konkrete Alternativen zum Militarismus und explizit für eine komplexe «menschliche Sicherheit» (Umwelt, Gesundheit, soziale Sicherheit, Bildung) zu entwickeln, zu diskutieren und vorzustellen. Sie sind alle von der Ziel getrieben, Gewalt einzudämmen, Verhandlungen denkbar zu machen und Unsicherheiten gemeinsam zu tragen.
Das Programm und die dahinter stehenden Teilnehmer verleihen diesem Willen Ausdruck:
Michael von der Schulenburg ist Wirtschaftswissenschaftler, erfahrener ehemaliger Diplomat in verschiedensten Missionen in der Welt, unter anderem bei der UNO und der OSZE. Er hat viel über internationale Friedensbildung publiziert und widmet seine politische Energie dem Ende von Kriegen.
Olga Karatch aus Belarus, die zur Zeit im Exil in Litauen lebt, ist eine mit vielen Preisen ausgezeichnete Menschenrechtsaktivistin, die auch Mitglied von WILPF ist. Sie setzt sich unter Lebensgefahr für Verfolgte in Belarus ein. Sie verbindet soziale Arbeit zur Versorgung von Kriegsflüchtlingen mit der Kampagne «Nein heisst Nein» ihrer Organisation «Unser Haus». Dabei geht es darum, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gerade auf einem patriarchalen Hintergrund zu stärken.
Clare Daly, irische Europaabgeordnete, formuliert ihre Forderungen nach Waffenstillstand auf der Grundlage und den Erfahrungen der irischen Friedensbewegung und greift die Kriegspolitik eines Mainstreams frontal an.
Am zweiten Tag steht die EU-Flucht- und Migrationspolitik im Fokus in Verbindung mit einer weltpolitischen, auch wirtschaftlichen Einordnung.
Die Friedenskonferenz bietet Futter für lebhafte und auch kontroverse Diskussionen, die die Demokratie und den Willen der Menschen zur Beteiligung beflügeln können wie Lichterketten! Denn eine andere Welt ist möglich und wir müssen uns alle darum kümmern.
Die angedrohte Absage der städtischen Förderung der Friedenskonferenz im letzten Moment bringt diese in grösste Schwierigkeiten, denn Räume und Reisekosten sind nicht mehr zu stornieren. Spenden sind dringend gefragt.
All dies passiert in einer Zeit, in der Pazifismus wieder einmal als Grundlage einer demokratischen Verfassung und eines gedeihlichen Zusammenlebens diskreditiert wird. Alle brüsten sich mit einer Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, aber wenn es ernst wird, schottet man sich bürokratisch ab und setzt auf Kriegskredite statt einer Friedensdividende.
Unsere Stadt und unser Land sind der Verhinderung von Krieg und Gewalt verpflichtet. Sie sollten die Chance nützen, einer pazifistischen Minderheit zumindest Gehör zu verschaffen.