Am 15. Januar hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf eine durch den Nürnberger Rechtsanwalt Christian Radermacher von der Kanzlei 441 eingelegte Beschwerde gegen die Verhängung von wiederholtem Zwangsgeld eine beachtenswerte Entscheidung getroffen (Az.: 20 CS 23.1910, 20 CE 23.1935). Demnach können Behörden Zwangsgelder bei schulpflichtigen Kindern, die keinen «Masernimmunitätsnachweis» vorlegen können, nicht durchsetzen.
Das berichtet die Anwältin Ellen Rohring auf ihrem Youtube-Kanal. Dieser Beschluss könne auch für andere Bundesländer wegweisend sein. Rohring weiter:
«Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte bereits im September entschieden, dass ein Zwangsgeld bei Schulkindern nicht zulässig ist. Gleichwohl haben sich die Behörden nicht daran gehalten und weiter Zwangsgelder angedroht und festgesetzt. Ihre Argumentation: Das Zwangsgeld war nur in dem konkreten Fall wegen eines Verfahrensfehlers nicht ordnungsgemäss.»
Tatsächlich jedoch habe es sich «keinesfalls nur um einen Verfahrensfehler gehandelt», so Rohring. «Gott sei Dank hatte der bayerische Verwaltungsgerichtshof so schnell noch mal die Möglichkeit, das eindeutig klarzustellen.»
Wie Rohring bereits im vor einigen Monaten auf ihrem Youtube-Kanal berichtete, habe es bisher unterschiedliche Rechtsauffassungen der Verwaltungsgerichte gegeben. Das Verwaltungsgericht Neustadt etwa habe im Mai 2023 in einem Beschluss verfügt: Zwangsgeld androhen, das gehe nicht, denn es dürfe keine Impfpflicht «durch die Hintertür geben» (Beschluss 5 L 303/23.NW).
Das Verwaltungsgericht Bayreuth wiederum hätte am 14. November 2022 die gegenteilige Rechtsauffassung vertreten und die Zwangsgeldandrohung als rechtmässig angesehen (Beschluss B 7 S 22.1038).
Keine Bedenken gegen die Rechtmässigkeit einer Zwangsandrohung hätte auch das Verwaltungsgericht München gehabt, wie aus einem Beschluss vom 1. August 2023 hervorgehe. Gegen diesen Beschluss habe sich dann eine Beschwerde gerichtet, bei der der Verwaltungsgerichtshof München am 21. September 2023 beschlossen habe, dass die Zwangsgeldandrohung auf eine Impfpflicht hinauslaufe und voraussichtlich rechtswidrig sei, so Rohring. Der Kernsatz des Beschlusses laute:
«Die Anwendung von Verwaltungszwang in Form von Zwangsgeld darf daher bei schulpflichtigen Kindern nicht zu einer faktischen Impfpflicht führen.»
Die Entscheidung sei deshalb so bedeutsam, weil es sich beim Verwaltungsgerichtshof um ein Oberverwaltungsgericht handele, wie Rohring hervorhebt. Der Beschluss sei zwar nur in einem Eilverfahren ergangen, er sei aber unanfechtbar. «Ich gehe davon aus, dass dieser Beschluss wegweisend ist und bundesweit von den Gesundheitsämtern beachtet werden wird», erklärte sie.
Dieser Beschluss wurde, wie beschrieben, jetzt vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nochmal bestätigt.
Eltern, die ihre Kinder nicht gegen Masern impfen lassen möchten, dürfte dieser Beschluss aufatmen lassen. So wurden viele von ihnen in den vergangenen Monaten von den Gesundheitsämtern angeschrieben und haben Bescheide erhalten mit der Anordnung, es müsse ein Masernimpfnachweis innerhalb einer bestimmten Frist vorgelegt werden. «Für den Fall, dass das nicht geschieht, wurde ihnen ein Zwangsgeld angedroht, meist 500 Euro, manchmal noch erheblich mehr», so Rohring.
Dabei sei die besondere Gefahr von Zwangsgeld, dass es immer und immer wieder neu angedroht und festgesetzt werden könne. Wer zunächst 500 Euro Zwangsgeld aufgebrummt bekommen habe, müsse damit rechnen, dass im nächsten Schritt 1500 Euro angedroht würde – und dann könne es so weiter gehen. «Es gab zuletzt sogar einige Gesundheitsämter, die bei Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes ersatzweise Zwangshaft angedroht hatten», schreibt Rohring.
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