Die sogenannte Wokeness breitet sich in der Gesellschaft aus. Die Publizistin Esther Bockwyt hat die Lebenswelt woker Ideologen aus psychologischer Perspektive untersucht. Ihr neues Buch zeigt auf, inwiefern in deren Denken, Fühlen und Handeln der narzisstische Charakterzug zum Vorschein kommt und welche Strategien verfolgt werden, um Kränkungen zu vermeiden.
Die Woke-Ideologie ist auf dem Vormarsch. Sie durchdringt immer mehr Institutionen und bestimmt zunehmend den sozialen Diskurs, auch wenn große Teile der Gesellschaft sie ablehnen. Gemessen daran ist ihr Einfluss dennoch enorm. «Wer dieser Tage nicht ein allumfängliches Diversity-Bekenntnis ablegt oder gar kritisch gegen den woken Zeitgeist opponiert, muss den für Menschen schmerzlichsten, den Preis der sozialen Geringschätzung und Ausgrenzung zahlen», schreibt die Psychologin Esther Bockwyt in ihrem neuen Buch.
Bockwyts 200 Seiten starkes Werk heißt «Woke – Psychologie eines Kulturkampfs» und ist genau das, was der Titel verspricht: Eine Analyse des woken Zeitgeistes aus psychologischer Perspektive. Die Autorin nimmt sich der Verhaltensformen, Kommunikationsstrategien und Denkschemata all jener an, die die Woke-Ideologie seit Jahren vorantreiben. Sie beleuchtet, wenn schon nicht die pathologischen Aspekte, so doch gewisse Störungen und Auffälligkeiten, die von der Normalität abweichen und sowohl individuell als auch gesamtgesellschaftlich gravierende Folgen haben könnten.
Einführung in das woke Denken, Handeln und Fühlen
Bevor Bockwyt die Psyche woker Aktivisten und Anhänger seziert, führt sie die Leser zunächst in deren Welt ein, in ihr Denken, Fühlen und Handeln, leichtfüßig und in einer einfachen Sprache, die keine Mühe bereitet, ihre Ausführungen mit den eigenen Erfahrungen abzugleichen. Vieles, was die Psychologin umschreibt, dürfte aus dem Alltag bekannt sein, einschließlich der eklatanten Widersprüche, die im Gebaren woker Ideologen zum Vorschein kommen.
So dürfe beispielsweise die Wissenschaft nicht neutral sein:
«Denn die naturwissenschaftliche Methode wird als ein von Weißen etabliertes Werkzeug des Machterhalts und der Ausbeutung abgelehnt.»
Die wohl größten logischen Brüche weist die woke Ideologie dort auf, wo sie sich auf den sozialen Konstruktivismus stützt. Demnach wird behauptet, dass «schwarz» und «weiß» lediglich soziale Konstrukte seien. Stattdessen spricht man von «weiß oder schwarz positioniert». Andererseits wird postuliert, dass «alle weißen Menschen von Natur aus privilegiert» seien und «quasi schon als Rassisten auf die Welt kämen».
Mikroaggression, Intersektionalität, genderfluid – Woke-Sprech
Bockwyt entlarvt diese theoretischen Inkonsequenzen, ohne in einen polemischen oder sarkastischen Modus zu verfallen. Die Beschreibung der woken Lebenswelt bleibt bis zum Schluss objektiv, obgleich es an Kritik wahrlich nicht mangelt. Am deutlichsten tritt sie in Aussagen wie diesen hervor:
«Der woke Antirassismus bekämpft also nicht mehr einen Rassismus, wie er seit eh und je verstanden wurde, nämlich als systematische Einteilung von Menschen nach Rassen und als Ausgrenzung wie Abwertung des Fremden und Anderen, sondern fördert gar die Einteilung von Menschen nach deren Herkunft, betont damit Unterschiede zwischen Ethnien und führt letztlich eher zur Trennung als zur Vereinigung und Verständigung.»
Neben den vielen bekannten Woke-Phänomenen finden sich im Buch auch solche, die nur den wenigsten geläufig sein dürften, Konzepte wie «safe spaces» oder Begriffe wie «Mikroaggression», «Intersektionalität» und «genderfluid». Teilweise mutet das Woke-Sprech wie eine eigene Sprache an, und wer sich nicht für diese Ideologie interessiert, wird sie sicherlich nicht lernen wollen.
Phrasen und Worthülsen
Wer aber verstehen will, wie die Menschen in dieser Blase denken und fühlen, sollte zumindest wissen, mit welchen Begrifflichkeiten sie hantieren. Bockwyts Buch ermöglicht diesbezüglich einen sanften Einstieg, zumal die Autorin mit guten Argumenten aufzeigen kann, dass viele Aussagen und Begriffe nichts anderes sind als Phrasen und Worthülsen:
«Wenn Geschlecht und Gender irrelevant sein sollen, wieso gibt es dann bei einigen Menschen ein starkes Bedürfnis, es zu ändern», gibt sie unter anderem zu bedenken. «Einerseits kämpft man für die Anerkennung des richtigen Geschlechts bei Transgender-Personen, andererseits will man es auflösen.»
Psychologische Analyse
Nach etwa hunderten Seiten, die sich Bockwyt für die Beschreibung der woken Lebenswelt nimmt, folgt die psychologische Analyse. Dieser Teil liest sich mit großem Gewinn, zumal es kaum Arbeiten gibt, die das Thema unter diesem Aspekt abhandeln. Auch hier präzisiert die Autorin das, was viele Beobachter als psychologische Laien wahrnehmen, es aber nicht in adäquater Sprache ausdrücken können. Insofern sorgt die Lektüre stellenweise für beglückende Aha-Erlebnisse.
Auffällig an der Wokeness ist ihr narzisstischer Charakterzug, der ein wenig zu stark ausgeprägt ist. Bockwyt spricht in diesem Zusammenhang von der «Suche nach Besonderheit», von der «Überformung der Identität» oder von dem «Kreisen um die eigene Opferrolle». Sie subsumiert diese sarkastischen Verhaltensmuster unter dem Motto «Willst du gelten, mach dich selten».
Das Bedürfnis nach Abgrenzung und Einzigartigkeit stellt jedoch nur einen wichtigen Aspekt der Wokeness dar. Ein weiterer ist das Vermeiden von Kränkungen. Die sensible Seele der woken Blase hat im Laufe der letzten Jahre verschiedene Strategien entworfen, wie sich das bewerkstelligen lässt. Bockwyt zeichnet sie nach und veranschaulicht unter anderem, wie sie sich auf individueller und gesellschaftlicher Ebene niederschlagen.
«So können neutrale, harmlose Wörter einen kränkenden Charakter bekommen», schreibt sie. «Wir gewöhnen uns dann daran, dass beispielsweise bestimmte Wörter schlimm sein sollen. Wir internalisieren es. Hat man ein gewisses Maß an Wokeness bereits verinnerlicht, wird man, bereits bevor man ‹Mann und Frau› ausspricht oder bevor man einer Frau ‹Schönheit› zuschreibt, innehalten.»
Safe spaces als Schutzort
Als eine weitere Vermeidungsstrategie wird die Einrichtung der bereits erwähnten «safe spaces» in diversen Institutionen erläutert. Sie ermöglichen den jeweils Marginalisierten, unter sich zu bleiben. Das Prinzip sei immer dasselbe, lautet Bockwyts These: «Die sensible Psyche bestimmter Opfergruppen muss vor jeglicher Kränkung, die zur vernichtenden Gefahr erklärt wird, geschützt werden.»
In diesem Stil seziert die Psychologin die zarte woke Seele, zeigt aber auch, dass der Kern ihrer Ideologie durchaus auf Aggression basiert. Und die kommt mal offen zum Vorschein und mal verpackt. Leser lernen auch diese Strategien kennen und erfahren unter anderem, inwiefern den woken Verfechtern zunehmend die «Ambiguitätstoleranz» abhandenkommt, also die Fähigkeit, «die Koexistenz von positiven und negativen Eigenschaften in ein und demselben Menschen erkennen zu können».
Mit solchen Analysen führt Bockwyts Buch vor Augen, dass man die Wokeness im Grunde nicht ernst zu nehmen braucht. Schon gar nicht sollte man sich von ihr einschüchtern lassen. Eine Ideologie, deren psychischer Unterbau derart fragil ist, kann auf Dauer nicht bestehen und muss zwangsläufig in sich zusammenbrechen.
Kommentare