Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Prof. Wolf-Dieter Ludwig, kritisiert in einem Interview mit der Welt die Studienlage bei den Impfstoffen von BioNTech und Moderna — und würde sich deswegen derzeit nicht gegen Covid-19 impfen lassen.
Darauf angesprochen, dass sich der Virologe Prof. Alexander Kekulé nicht gleich impfen lassen wolle, antwortet Prof. Ludwig:
«Herr Kekulé ist Mitglied unserer Kommission. Ich bin nicht immer mit allem einverstanden, was er sagt, aber in diesem Fall werde ich es genauso halten. Ich gehöre zwar schon zur Risikogruppe, was mein Alter betrifft. Aber ich warte ab, bis die Ergebnisse der klinischen Studien publiziert sind.
Konkret möchte ich sehen, welche Altersgruppen man getestet hat, wie die Nebenwirkungen in den einzelnen Populationen waren. Ich wüsste auch gerne, wie lange die Immunität anhält. Es ist unklar, ob die Impfung aufgefrischt werden muss, wie bei Tetanus, Diphterie oder Keuchhusten.»
Auch der Aussage von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU), der Impfstoff sei sicher und niemand müsse sich Sorgen machen, sieht der Mediziner kritisch. Denn beim derzeitigen Wissensstand sei ein solcher Satz «unüberlegt».
Die Ministerin könne zwar sagen, Hinweise für schwere, akut auftretende Nebenwirkungen seien noch nicht gefunden worden. Aber man wisse nicht, inwieweit besonders gefährdete Personen überhaupt getestet worden seien.
«Auch die Langzeitnebenwirkungen kann heute naturgemäss noch niemand beurteilen. Alles, was uns vorliegt, sind Pressemitteilungen der Hersteller. Das erlebe ich zum ersten Mal in den vielen, vielen Jahren, in denen ich klinische Studien zu Arzneimitteln bewerte», sagt Prof. Ludwig der Welt.
Mit der vermeintlichen Wirksamkeit geht Prof. Ludwig hart ins Gericht. Denn das, was der Weltöffentlichkeit präsentiert worden sei, habe ihn «an eine Versteigerung erinnert».
So habe BioNTech 90 Prozent Wirksamkeit versprochen, um von Moderna mit 94 Prozent überboten zu werden, worauf BioNTech mit 95 Prozent gekontert habe. Er aber hätte «lieber gewusst, wer überhaupt getestet wurde, welche Endpunkte untersucht wurden und wie hoch der Prozentsatz der älteren Menschen mit Begleiterkrankungen war». Unklar sei, ob Risikopatienten unter den Probanden waren. Dazu würden genaue Angaben fehlen.
Als einen der weiteren Schwachpunkte betrachtet der Mediziner die hohe Anzahl der Probanden. Denn für den Nachweis der Wirksamkeit beziehe sich BioNTech auf 170 Infizierte. Davon seien 162 in der Vergleichsgruppe, acht in der Impfstoffgruppe. Bei Moderna wiederum seien es 90 versus fünf.
Für Prof. Ludwig steht daher fest:
«Das sind insgesamt sehr wenige Ereignisse. Wenn Sie mit solchen Daten ein neues Medikament auf den Markt bringen wollen, haben sie ein Problem. Und was mich noch mehr ärgert: Wir wissen nicht, wer diese 170 oder 95 Infizierten sind. Jüngere Leute, die positiv, aber ohne Symptome sind? Oder doch ältere Patienten mit möglicherweise schwerer Erkrankung? Wir wissen derzeit nicht, wie der Impfstoff bei Risikopatienten wirkt, also bei jenen, die zuallererst geschützt werden müssen»
Prof. Ludwig äusserte sich zudem im ORF zu einer möglichen Impfpflicht — der er eine klare Absage erteilte: