Das Thema ist eigentlich zu groß für ein Wort zum Sonntag. Aber es rumort, es wurde zum Rumoren gebracht: die Leute von Sylt und ihr Liedchen, um das gleich schon ’mal potentiell verfänglich zu «framen».
Ein guter Freund − den ich hier aber nicht befragt habe − würde mir wohl raten: «Lass die Finger davon, du kannst sie dir hier nur verbrennen.» Aber die Sache ist zu bezeichnend, und zwar vor allem für den Geisteszustand regierender Ideologen.
Über 10 Millionen «Neubürger» wurden ins Land gelassen, wahlweise als Fachkräfte, als demografische Lückenbüßer, als wandelnde Reparation für Kolonialismus oder was auch immer, als Blutauffrischer (Schäuble), als Bereicherer und Veredler angestammter Kultur, als die armen Flüchtlinge.
Diese Aktion war und ist eingeklemmt zwischen politischen Strategien à la Marrakesch als Unterbau und Ideologien eines Multikulturalismus als Oberbau. Das eine wird verkauft als eine internationale Verpflichtung, das andere gefordert als persönlich aufzubringende Moral.
Auf der Strecke bleiben Geschichte und Verantwortung, also die Frage nach den Folgen eines derartigen Ethno-Liberalismus für das Land und seine Leute. Dieser Frage wird weiträumig ausgewichen. Für «die Politik» scheint sie sich mit Hinblick auf eine «besondere deutsche Verantwortung» von vornherein zu übrigen, die Justiz orientiert sich an deren «positivem», also selbstgesetztem Recht, und Medien wie Kirchen tragen sie unters Volk: die von oben getroffenen Entscheidungen und die von unten zu leistenden Haltungen.
Viele Menschen finden sich also eingeklemmt wieder zwischen erschlagenden Fakten und beschnittener Denke. Folglich erstickt die Sprache. Unnachahmlich entwaffnend hat das kürzlich ein gewisser Thilo Jung für seine Branche umschrieben, als er bei einer Podiumsdiskussion offenherzig gestand: «Journalisten sollen die Leute darüber informieren, was sie wissen sollen.»
Es entsteht also, wie es der Philosoph Richard David Precht in einem Gespräch mit Jung ausdrückte, «so eine Unruhe, die kommt, und man hat das Gefühl, man muss zurück in eine schützende Höhle». Und wie äußert sich Unruhe üblicherweise, sofern sie den Menschen nicht vollends die Kehle zuschnürt? Im Schimpfen, Fluchen, Grölen.
Und das hört sich dann naturgemäß «unanständig» an. Sylt lässt grüßen.
Das ist − teilweise − die eine Seite. Die andere ist die Art und Weise, wie die Sache aufgenommen, bewertet, ausgeschlachtet wurde bis hin zu einer medialen Hinrichtung sondergleichen. Ein Absatz aus einem recht lehrreichen Buch von 1955 mag das Schema erhellen:
In einer Ideologie werde die Figur des Schuldigen «immer vergröbert und gesteigert: zum Alleinschuldigen, zum bewußt Bösen, zum Feind der Menschheit [oder doch: des Landes]. Es ist beinahe rührend, zu beobachten, wie alle Ideologien den Feind gleichzeitig heroisieren und bagatellisieren. Es müssen ganz wenige sein, denn das System ist richtig, es wird nur gestört. Aber sie müssen ganz ungemein mächtig sein, sonst vermöchten sie das nicht.
Alle Elemente dieses Denkens sind Fetzen einer derb säkularisierten Theologie. Der Widersacher ist immer Satan, mit einigen Zügen des volkstümlichen Teufels: unerhört böse und dabei kreuzdumm.» Hans Freyer, Theorie des gegenwärtigen Zeitalters, Seite 116
Das erklärt auch teilweise den ominösen wie auch numinosen «Kampf gegen Rechts», auch wenn und gerade weil hier der Teufel nur mit Armbrust und Rollator daherkommt. Aber mit seinen wider-wärtigen Gedanken ist er ein verborgener Satan, und mit ihrem unanständigen Grölen sind jene anderen doch eigentlich «Engel aus der Hölle», die es dorthin zurückzuschicken gilt.
Oft sind diejenigen, die verbal eine «Spaltung der Gesellschaft verhindern» wollen, dieselben, die ebendies befördern, wenn die eigenen Denkmuster die einzig statthaften sein sollen, die einzig als politisch, medial wie auch juristisch statthaft anzuerkennenden.
Die Früchte solcher Geisteshaltungen werden immer offenkundiger. Anstelle zahlreicher Beispiele reicht dafür auch 1 Wort: Heuchelei.
Eine Innenministerin verlangt, dass die Videos von dem Messer-Überfall in Mannheim aus den sozialen Medien verschwinden sollen, und zwar «zum Schutz der Privatsphäre und der Menschenwürde» und damit keine «extremistischen Gruppen (…) Hass und Zwietracht» säen könnten. «Das dürfen wir nicht zulassen.»
Keine Probleme mit der Privatsphäre hingegen haben die ausführenden Organe in manchen Redaktionsstuben. Die vollen Namen einiger angetrunkener Gäste auf Sylt wurden im Netz verbreitet, und der WDR sah auch keinen Anlass, ihre Gesichter unkenntlich zu machen, handelt sich doch um ein «zeitgeschichtliches Ereignis», was «stärker wiegt als die Interessen der gezeigten Personen».
Anstelle eines langen Exkurses sollte je 1 Bibelwort reichen, um hier die Maßstäbe wieder zurechtzurücken:
«Deshalb hast du auch keine Entschuldigung, du Mensch, der sich zum Richter aufspielt. Wenn du jemand anderen verurteilst, sprichst du damit selbst das Urteil über dich. Denn du verurteilst zwar andere, handelst aber genauso.» Römer 2,1
Und:
«Hört das Wort aber nicht nur an, sondern setzt es auch in die Tat um. Sonst betrügt ihr euch selbst. Denn wer das Wort hört, aber nicht danach handelt, ist wie jemand, der sich im Spiegel betrachtet. Er schaut sich an, geht weg und vergißt sofort, wie er aussieht.» Jakobus 1,23f
Und bleibt darüber der Lump, als der er angetreten ist.
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Wort zum Sonntag vom 26. Mai 2024: Wenn es drauf ankäme ...
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf. Sein Telegram-Kanal lautet StimmeundWort.
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