Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass mir in vergangenen beiden Wochen etwa ein halbes Dutzend Menschen von ihrer Erschöpfung erzählt haben. Aus Telegram-Kanälen haben sie sich teilweise oder ganz zurückgezogen, eigene widerständige Aktivitäten fallen zunehmend schwer; zu sehr haben sich enttäuschende Erfahrungen auf die Seele gelegt.
Man möchte nach einigen Jahren und anstrengendem Einsatz gegen den Irrsinn unserer Zeit auch Erfolge sehen, Früchte der Arbeit, da und dort eine wachsende statt einer schrumpfenden Begeisterung. Meldungen über gute politische Entscheidungen wären gefragt, Licht möge fallen ins Zwielicht und Dunkel der Verschleierungen und Verleumdungen, auf die beschwichtigte Gewalt und den Hass der «Guten».
Das geschieht alles noch viel zu wenig. Durchaus verständlich also, wenn für viele der Weg wieder mehr nach innen weist als nach außen. Das Leben und Überleben wird einem immer schwerer gemacht; wer permanent wachsam ist oder war, der sucht je länger, desto mehr einen Gegenpol, wo es ohne viel Mühe «halt soweit stimmt», getreu dem Wort «Heimat ist dort, wo ich mich nicht erklären muss».
Fünf Gründe dürften es im wesentlichen sein, wegen denen man sich gegen den machttrunkenen Zeitgeist wendet:
- Wir wollen selber bei Besinnung bleiben. Einsam schweigend geht das nicht.
- Wir suchen Gefährten für die besseren Wege (ohne Gift im Blut, ohne mediale Suggestionen, ohne falsche Feindbilder, ohne künstlichem Essen, ohne verstörte Kinder, ...).
- Wir wünschen uns, dass sich auch bei den Treibern und Hütern des sich einfleischenden Wahnsinns trotz allem eine Ebene findet für Kritik und Selbstkritik und für ein Einlenken.
- Wir setzen Zeichen für die Uneinsichtigen. Auch ein Unverstand muss offenbar werden.
- Wir vertrauen darauf, dass wir ein Erbe stiften für eine spätere Generation. Sie wird dann gewahr, dass es einmal auch andere und anderes gegeben hat.
Keiner dieser Gründe spricht von Erfolg, von sichtbarem Ergebnis, von einem zu erreichenden Ziel. Jeder legt vor allem das Warum dar, weniger das Woraufhin.
Weshalb ist das wichtig? Weil es uns emanzipiert von den Umständen. Das Warum, die Gründe für den je eigenen Weg, verweisen uns an die Quelle, von der her wir unterwegs sind. Die bleibt bestehen, unabhängig davon, wieviel des guten Weges wir zurücklegen. Betonen wir hingegen das Ziel, das Woraufhin, ist die Gefahr groß, uns selber und einander müde zu machen. Wir werden aber mehr und länger getragen als gezogen.
Treue ist gefragt und dass man erkannt, was genau einem selber anvertraut ist. Bewahren und mehren sind die Stichworte, also festhalten an dem, was einem entscheidend wichtig ist, und dementsprechend handeln. Bei dem einen kommt dann mehr dabei heraus als beim andern. − Sei’s drum! Treue ist gefragt.
Der Dritte, von dem sein Herr Rechenschaft über das Anvertraute fordert, hatte sich auf den vermeintlich sicheren Rückweg gemacht. Statt irgendwie nach außen zu treten und zu seinem Auftrag zu stehen, hat er sich eingeschüchtert zurückgezogen; «denn ich fürchtete mich vor dir, weil du ein harter Mann bist» (Lukas 19,21).
Furcht und Treue widersprechen sich offenbar. Die «Knechte» in jenem Jesus-Gleichnis aus Lukas 19 waren allein ihrem Herrn verantwortlich. Was andere machen und nicht machen, war mindestens zweitrangig. Die Rückfragen würden nicht diese anderen erreichen, sondern sie selber. Jenem einem war die Aufgabe zu groß. «Das schaff ich nie; das kann ja nur schiefgehen!»
War es dann auch. Aber eben nicht wegen der Aufgabe selber, sondern wegen der fehlenden Bereitschaft, sie überhaupt anzutreten; anzutreten im Rahmen der je eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten.
Diese Erzählung stellt mir das oben Beschriebene aus den Begegnungen der letzten Zeit in ein anderes Licht. Selbstverständlich «dürfen» wir zwischendurch müde werden und uns in eine zweite oder auch dritte Reihe zurückziehen. Wir dürfen uns wünschen, wie auch immer geartete Früchte, Ergebnisse, zu sehen, und Menschen um uns zu haben, die uns motivieren und auffangen.
Aber darum geht es in diesem Gleichnis nicht. Sondern es geht um unsere Treue. Die zeigt sich ’mal vorne «an der Front», ’mal unterstützend in der zweiten Reihen, ’mal sich erholend viel weiter hinten. An welchem Ort und auf welchem Level an Kraft auch immer − wir halten grundlegend fest am Anvertrauten: an unseren Familien, an der Sicht für glückliche Kinder, an einem ideologiebereinigten Gemeinwesen, am friedlichen Miteinander mit Nachbarn aus allen weltpolitischen Himmelsrichtungen.
Auf diesem Weg sind wir viel weniger allein als wir uns oft wähnen. Für regelmäßige Leser des «Wortes zum Sonntag» sage ich nichts Neues, wenn ich auch hier wieder auf das Bibelwort und Den hierdurch Sprechenden hinweise. Denn irgendwo im Wort und meist überraschend schnell finden wir uns selber wieder mit dem, wie es uns geht und ergeht, persönlich und gesellschaftlich.
Dann ist zweite Schritt naheliegend: wahrzunehmen, daß wir unter dem gleichen Bogen des Segens und der Verantwortung, der gesegneten Rechenschaft, unterwegs sind wie die Menschen zu biblischen Zeiten.
«Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.» (2. Korinther 4,16)
Darum geben wir nicht auf; sondern wenn auch äußere Rückschläge kommen, so wird doch unsere Motivation von Tag zu Tag aufgefrischt.
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Wort zum Sonntag vom 23. Juni 2024: Von den beiden Kraftfeldern
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf. Sein Telegram-Kanal lautet StimmeundWort.
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