Die Zeiten waren nicht mehr die besten. Der alte Glanz der Reiches war am Verblassen, der Frieden brüchig, die Moral bereits im Niedergang. Bischof Cyprian von Karthago im heutigen Tunesien beschreibt seine Zeit, die Mitte des 3. Jahrhunderts, in eindringlichen Worten:
«Begeht der einzelne einen Mord, so ist es ein Verbrechen; Tapferkeit aber nennt man es, wenn das Morden im Namen des Staates geschieht.»
Die Medien fördern das Lotterleben. «Da macht es Vergnügen, in den mimischen Spielen (...) wiederzuerkennen, was man daheim schon getrieben hat, oder zu hören, was man noch treiben könnte»,
schreibt er in den 30er Jahren seinem neubekehrten Freund Donatus (zitiert nach der Biografie von Ronny Kamrath: Cyprian von Karthago. Bischof und Kirchenvater, 2021).
Mit dem Rechtswesen schaut es nicht besser aus.
«Wer aber soll Hilfe bringen? Der Anwalt? Aber der treibt ja nur ein unredliches und trügerisches Spiel. Oder der Richter? Aber der verkauft ja seine Stimme. (...) Damit der unschuldig Angeklagte zugrunde geht, macht sich der Richter selbst schuldig.»
Und so sei es «schon ein Vergehen, inmitten von Schuldigen unschuldig zu sein; wer es den Bösen nicht nachtut, erregt Anstoss».
Das Protzen der Reichen und die verlogenen Ehrerbietungen ihrer Polit-Epigonen erfüllen Cyprian mit Verachtung, ihr Geplänkel nur «ein törichtes und fruchtloses Opfer fürwahr, aus Freude an einem täuschenden Schauspiel sich etwas verschaffen zu wollen, was dem Volke keinen Gewinn und dem Bewerber um das Amt nur Schaden bringt».
Die Gefahr, in der sie selber leben, erkennen sie nicht. Doch «ein solcher Machthaber hat sich ebensosehr zu fürchten, als er gefürchtet wird». Hinter der schönen Fassade lebt er in einem «Zins aus Angst und Pein».
Der Bischof ermutigt seinen Freund zu einem klaren Blick auf die Umstände und Zusammenhänge. Wer mit den Verhältnissen schwimmt und darin schwelgt, der könne sich einen solchen Freimut nie und nimmer leisten. Aber Donatus gehört nicht mehr dazu.
So erklärt er ihm:
«Immer mehr treibt es uns, das zu lieben, was wir sein werden, wenn es uns vergönnt ist, zu erkennen und zu verurteilen, was wir waren.»
Spätere Generationen werden hier von Psychohygiene sprechen und davon, dem Negativen «keine Energie mehr zu geben». Für Donatus und seinesgleichen war und ist es mehr. Es ist ein Leben in der ungekannten Freiheit des gläubigen Geistes, der ihnen auch einen wachen Blick auf die Zeichen und Unzeichen der Zeit erlaubt.
«Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf», ist die Aufforderung des Paulus (Epheser 5, Verse 10.11).
Sie vollziehen das für sich selber, «damit nicht die gewonnene Sicherheit uns sorglos macht und der alte Feind von neuem sich einschleicht», und sie tun es für jene, die sie diesen Umständen ebenfalls entreissen möchten;
«sonst sieht allmählich unser Stillschweigen nicht mehr wie Zurückhaltung aus, sondern wie Mangel an Selbstvertrauen»,
schreibt er einige Jahre später an den Heiden Demetrianus.
Lehren für Kirche-, für Christsein heute: Die Dinge ungeschönt beim Namen nennen, weil man ihnen selber innerlich nicht mehr angehört, auch anderen auf diese Weise die Augen öffnen und die Sehenden ihres Weges vergewissern.
Draussen stehen, in jenem Sinne «nicht mehr dazugehören», hat seinen Preis. Wenig später setzte die Christenverfolgung unter Kaiser Decius ein: die erzwungene Solidarität, die man sich mit einer Opferbescheinigung bestätigen liess – dem Zertifikat für Staatstreue. Davon mehr im nächsten Wort zum Sonntag.
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