Donald Trumps Macht hat sich auf einem Nährboden aus Wirtschaft, Politik und Kultur des Krieges in den USA entwickelt. Das stellt der US-amerikanische Publizist Norman Solomon in einem am 27. Februar im Onlinemagazin TomDispatch veröffentlichten Text fest.
«Der ausufernde Militarismus des letzten Vierteljahrhunderts war ein entscheidender Faktor, der Präsident Trump erst möglich machte, auch wenn er in den Mainstream-Medien und im politischen Diskurs praktisch unerwähnt bleibt.»
Besonders auffällig sei das Schweigen der führenden Kräfte der US-Demokraten, die für den permanenten Kriegszustand verantwortlich seien. Solomon erinnert daran, wann Trump erstmals für das Präsidentenamt kandidierte, nämlich anderthalb Jahrzehnte nachdem der «globale Krieg gegen den Terror» nach den Anschlägen vom 11. September 2001 begonnen und sich in der Folge die Stimmung im Land verändert hatte.
Insbesondere für die US-Arbeiterklasse sei die Lage schlechter geworden, die Einkommensungleichheit habe zugenommen und die wirtschaftliche Not habe sich verschlimmert, während die Ausgaben für den Krieg, das Pentagon-Budget und den «Nationalen Sicherheitsstaat» weiter in die Höhe schossen.
«Obwohl sich die innenpolitischen Auswirkungen des langwierigen Krieges als enorm, vielschichtig und zutiefst entfremdend erwiesen, schienen die Eliten in Washington dies kaum zu bemerken. Donald Trump jedoch bemerkte es», so Solomon.
Trump habe in seinem ersten Wahlkampf die zunehmende Stimmung in der Bevölkerung aufgegriffen und 2015 unter anderem die Kriegsvergangenheit des republikanischen Senators John McCain verhöhnt sowie 2016 seine Gegnerin Hillary Clinton als «schießwütig» angeprangert. Während McCain, Clinton und ihre Mitstreiter die Kriege der USA weiter verherrlichten, hätten viele Menschen in nicht wohlhabenden US-Gemeinden die Folgen sattgehabt.
Militarismus als Status quo
Die körperlichen und emotionalen Wunden der aus verschiedenen Kriegsgebieten zurückkehrenden US-Truppen waren weit verbreitet, stellt Solomon fest. Und: Die anhaltend massiven Ausgaben für den Krieg und die Vorbereitungen für weitere Kriege fraßen die dringend benötigten Ressourcen im Inland auf.
«Präsident Barack Obama und Hillary Clinton vertraten den Status quo, gegen den Trump antrat und den er besiegte.»
Im Gegensatz zu ihnen habe er gespürt, wie er die dadurch verursachte Unzufriedenheit und Wut effektiv ausnutzen konnte. Die messianischen Aufrufe von George W. Bush, die Welt von «Übeltätern» zu befreien, seien aus der Mode gekommen, «aber der Militarismus blieb fest in der politischen Ökonomie verankert».
Die Unternehmensverträge mit dem Pentagon und verwandten US-Behörden hätten weiter zugenommen. Als Hillary Clinton 2016 für das Präsidentenamt kandidierte, wurde es für sie laut dem Autor zum Nachteil, eine unnachgiebige «Falkin» zu sein. Doug Bandow, ehemaliger Sonderberater von Präsident Ronald Reagan, habe 2016 in einem Beitrag im Magazin Forbes erklärt, Clinton würde «mit ziemlicher Sicherheit Amerika in weitere sinnlose Kriege führen». In der knappen US-Präsidentschaftswahl 2016 könnte Clintons entschiedene Pro-Kriegs-Haltung sie die Präsidentschaft gekostet haben, so Solomon.
«Selbst wenn wir in einem statistischen Modell viele andere alternative Erklärungen berücksichtigen, stellen wir fest, dass es einen signifikanten und bedeutsamen Zusammenhang zwischen der Rate der militärischen Opfer einer Gemeinschaft und ihrer Unterstützung für Trump gibt», zitiert er aus einer Studie der Politikwissenschaftler Douglas Kriner und Francis Shen aus dem Juni 2017. Deren Rat an die Demokraten, ihre außenpolitische Haltung zu überdenken, um gegen Trump zu gewinnen, sei aber nicht beherzigt worden.
«Führende Demokraten und Republikaner blieben auf Autopilot für den Kriegszustand, während das Pentagon-Budget weiter anstieg.»
Solomon erinnert auch daran, dass die führenden US-Demokraten 2018 damit prahlten, dass sie sich bei der Erhöhung der Pentagon-Ausgaben voll und ganz mit Präsident Trump einig seien. Der hatte eine Erhöhung des ohnehin schon aufgeblähten «Verteidigungsbudgets» um elf Prozent über zwei Jahre gefordert.
Fortgesetzter Krieg mit Millionen Opfern
Zugleich seien bröckelnde soziale Sicherheitsnetze und chronische Ängste vor wirtschaftlicher Unsicherheit im ganzen Land immer häufiger geworden. Die Lage habe an eine Aussage von Martin Luther King erinnert, wonach verschwenderische Militärausgaben wie «ein dämonischer, zerstörerischer Sog» seien.
Als Trump 2021 von Joseph Biden abgelöst wurde, schien dieser den «Krieg gegen den Terror» beenden zu wollen. Doch während er vor der UNO davon sprach und die letzten US-Truppen Afghanistan Ende August 2021 verließen, sei der «Krieg gegen den Terror» auf mehreren Kontinenten weitergegangen. Das habe ein neuer Bericht des Projekts «Costs of War» der Brown University gezeigt.
«Der Krieg dauert in über 80 Ländern an», erklärte die Co-Direktorin des Projekts, Catherine Lutz, im September 2021. Die Kosten des Krieges für die Steuerzahler beliefen sich nach Schätzungen des Projekts bereits auf mindestens acht Billionen US-Dollar.
Bidens designierte Nachfolgerin, Vizepräsidentin Kamala Harris, habe mit dem Kriegskurs nicht gebrochen. Noch schädlicher für ihre Wahlaussichten sei ihre Weigerung gewesen, sich von Bidens Beharren auf der Fortsetzung der Lieferung riesiger Mengen an Waffen an Israel für den schrecklichen Krieg in Gaza zu distanzieren, so Solomon. Umfragen nach der Wahl hätten gezeigt, dass Harris’ Unterstützung für diesen Krieg in Israel ihre Chancen, Trump zu besiegen, erheblich beeinträchtigte.
«Wie schon 2016 profitierte Trump auch 2024 vom unerschütterlichen Militarismus seiner demokratischen Gegnerin.»
Solomon verweist auf die «unfassbar verheerenden» Folgen des andauernden Krieges der USA im Ausland. Nach Schätzungen des «Costs of War Project» belaufe sich die Zahl der direkten Todesfälle durch von den USA geführte Aktionen im Rahmen des «Krieges gegen den Terror» auf mehr als 900.000.
Würden die indirekten Todesfälle hinzugezählt, steige die Zahl auf «4,5 Millionen und es werden immer mehr». Den Forschern nach würden bei den Kämpfen «weitaus mehr Menschen, insbesondere Kinder, durch die Nachwirkungen des Krieges, wie die Ausbreitung von Krankheiten, getötet».
«Die kolossale Zerstörung weit entfernter Menschen und die Dezimierung entfernter Gesellschaften haben in den Mainstream-Medien und der Politik der USA kaum Beachtung gefunden. Auch die weitreichenden Auswirkungen des unaufhörlichen Krieges auf das Leben der US-Amerikaner in diesem Jahrhundert wurden nur kurz behandelt.»
Massive Folgen in den USA
Solomon hat 2023 über die innenpolitischen Auswirkungen das Buch «War Made Invisible» veröffentlicht. Er schreibt darin unter anderem:
«Insgesamt ist das Land von den verstreuten und oft privaten Folgen des Krieges betroffen – den verschärften Gewalttendenzen, den körperlichen Kriegsverletzungen, dem posttraumatischen Stress, der Fülle an Männern, die den Umgang mit Waffen erlernten und, kaum dem Jugendalter entwachsen, darin geschult wurden zu schießen, um zu töten, dem Vorbildcharakter von Rekrutierungsanzeigen über populäre Filme bis hin zum kriegerischen Bombast hochrangiger Führungspersönlichkeiten und vielem mehr.
Das Land leidet auch unter tragischen Versäumnissen: die Gesundheitsversorgung, die von denjenigen, die Bundeshaushalte mit Militärausgaben genehmigen, als nicht finanzierbar erachtet wird, die Kinderbetreuung und Altenpflege und der Familienurlaub, die nicht durch dieselben Haushalte finanziert werden, die öffentlichen Schulen, denen angemessene Mittel fehlen, die College-Studenten und ehemaligen Studenten, die mit einer hohen Verschuldung belastet sind, die unzähligen anderen alltäglichen Defizite, die die Messlatte für das Akzeptable und Tolerierte immer weiter gesenkt haben.»
Der Kriegszustand habe durch seine Folgen im Laufe der Zeit die Vereinigten Staaten auf eine Weise verändert, die das politische Klima deutlich verzerrt habe, stellt der Autor fest. Der Militarismus sei «ein wesentlicher Faktor für den Aufstieg der milliardenschweren Tech-Barone, die sich nun mit einem zunehmend faschistischen Donald Trump verbünden».
Militärisch-industriell-technologischer Komplex
Während Präsident Trump Elon Musk beispiellose Macht verliehen habe, hätten sich viele andere Tech-Mogule wie Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos beeilt, sich einzuschmeicheln. Die Anbiederung sei innerhalb weniger Stunden nach Trumps Wahlsieg im November 2024 «schamlos» geworden, so Solomon.
Allein Amazon Web Services von Bezos habe bereits zuvor zahlreiche Verträge mit der US-Regierung abgeschlossen, darunter einen mit dem Geheimdienst National Security Agency (NSA) im Wert von zehn Milliarden US-Dollar und Verträge mit dem Pentagon im Wert von 9,7 Milliarden US-Dollar. Seit vielen Jahren seien die Technologiegiganten durch Tausende von Verträgen mit dem militärisch-industriellen Komplex verbunden.
«Musk, Zuckerberg, Bezos und kleinere Rivalen stehen an der Spitze von Unternehmen, die auf Mega-Deals mit der Regierung, Steuererleichterungen und vieles mehr aus sind. Für sie ist das Terrain der Regierung in der neuen Trump-Ära das neueste Gebiet, das sie zur Maximierung ihrer Gewinne erkunden können.»
Da die jährlichen Militärausgaben 54 Prozent des US-Bundeshaushaltes ausmachen, seien die Anreize für alle Arten von Unternehmen «astronomisch», sich mit der Kriegsmaschinerie und dem Mann, der sie jetzt leitet, gut zu stellen, schreibt Solomon. Die US-Demokraten würden Trump seit langem als «Feind der Demokratie» anprangern, hätten aber den US-amerikanischen Militarismus «in keiner Weise gebremst».
Trumps zweiter Wahlsieg sei «in hohem Maße dem Versagen der Demokratischen Partei geschuldet, der Arbeiterklasse zu dienen, ein Versagen, das mit ihrem Beharren auf dem Dienst an der Kriegsindustrie einhergeht». Die USA würden mehr für das Militär ausgeben als die nächsten neun Länder zusammen.
Solomon verweist darauf, dass der Militarismus viele Jahrzehnte andauern könne, auch wenn grundlegende demokratische Strukturen, wie fehlerhaft sie auch sein mögen, bestehen bleiben. Die deutsche Geschichte und der Weg in den Faschismus im 20. Jahrhundert bestätigen seine Einschätzung.
Mit der Zeit werde der Militarismus wahrscheinlich zu einem Hauptrisikofaktor für die Entwicklung einer modernen Version des Faschismus, schreibt er.
«Je länger Kriege und Kriegsvorbereitungen andauern, mit all ihren wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen, desto mehr werden die Kernmerkmale des Militarismus – einschließlich des Vertrauens auf bedingungslosen Gehorsam gegenüber Autoritäten und ausreichender Gewalt zur Erreichung der eigenen Ziele – die Gesellschaft insgesamt durchdringen.»
In den letzten zehn Jahren sei Trump immer autokratischer geworden und strebe nicht nur danach, «Oberbefehlshaber der Nation zu sein, sondern auch Kommandant einer sozialen Bewegung, die in ihrer Herangehensweise an Gesetze und das bürgerliche Leben zunehmend faschistisch ist». Die «Raserei, die Trumps Basis antreibt und seine Strategen beflügelt», ähnele inzwischen der Mentalität der Kriegsführung: «Der Feind ist jeder, der es wagt, sich ihm in den Weg zu stellen.»
Kriegszustand und Militarismus seien der Nährboden für solche Entwicklungen. Unterdessen hat die Führung der Europäischen Union (EU) beschlossen, den Weg von Militarismus und Krieg zu beschreiten, die Folgen ignorierend, wie die Wahlverlierer in den USA.