Es ist an der Zeit, dass Europa und das Vereinigte Königreich aufwachen
und ihre Allianzen und Abhängigkeiten neu überdenken. (…)
Die Wahl ist klar: entweder sie bleiben Vasallenstaaten
oder sie erlangen ihre Unabhängigkeit zurück.
Said Aamir Zahidi, pakistanischer Banker

Liebe Leserinnen und Leser

Es war, als wäre der Fuchs in den Hühnerstall eingedrungen. Ein ohrenbetäubendes Gegacker folgte auf die Rede von «JD» Vance an der Münchner Sicherheitskonferenz Ende letzter Woche. Der US-Vizepräsident hatte den EU-Ländern mangelnde Demokratie vorgeworfen. Russland und China seien nicht die größte Gefahr für Europa, diese komme aus dem Inneren.

Man könne abweichende Stimmen nicht unterdrücken und bestimmte politische Gruppierungen von der Regierungsführung ausschließen, so Vance mit Bezug auf die Annullierung der rumänischen Präsidentschaftswahlen und – implizit – auf die AfD und ihre Wähler in Deutschland. «Es gibt keinen Platz für Brandmauern», machte er klar.

«Wie es mit unserer Demokratie weitergeht, das entscheiden wir selbst», konterte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede. «Halt Dich da raus!», entgegnete der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck in einem Interview. Die Rede des zum politischen Establishment aufgestiegenen «Hillbilly» wertete er als «Zäsur» im Verhältnis zwischen Europa und den USA.

Und genau darin liegt der Irrtum: zu glauben, dass die USA Verbündete seien. «America First» galt nämlich schon vor den Präsidentschaften von Donald Trump. Es wurde nur nicht so offen kommuniziert.

Während Vances Rede herrschte im Saal allerdings bei vielen eine Art Schockstarre. Die Gesichter mancher Gäste sprachen Bände. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock schüttelte den Kopf, sie konnte nicht verstehen – nichts Neues also. Der Blick des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius hätte töten können. Sehr böse schaute auch der Kiewer Bürgermeister und ehemalige Boxer Vitali Klitschko. Er warnte in seiner Rede vor Friedensabkommen ohne starke Sicherheitsgarantien. Baerbock und Kanzlerkandidat Friedrich Merz sprachen sich für «Taurus»-Lieferungen an Kiew aus. Sogar eine europäische Armee forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj .

Zum Krieg in der Ukraine sagte Vance lediglich, die Trump-Administration glaube, dass es zu einer vernünftigen Einigung zwischen Russland und der Ukraine kommen könne. Keith Kellogg, US-Gesandter für die Ukraine, erläuterte, Europa werde nicht an den Friedensgesprächen über die Ukraine teilnehmen. Später relativierte er: Dies bedeute nicht, dass die Interessen der Europäer «nicht berücksichtigt, genutzt oder entwickelt werden». Bereits am morgigen Dienstag sollen die Gespräche in Saudi-Arabien beginnen.

Trump hat es also gewagt, das zu tun, was die «Demokratie»-Kreuzritter seit der Invasion Russlands in die Ukraine strikt abgelehnt haben: Putin anzurufen. Die moralingetränkten Kriegstreiber sehen sich nun mit dem Verlust ihrer Deutungshoheit konfrontiert. Nach fast drei Jahren Waffenlieferungen in die «Kornkammer Europas» stehen sie ohne Plan da und riskieren, außen vor zu bleiben. Le Président Emmanuel Macron hat deshalb sogleich zu einem Ukraine-Sondergipfel in Paris geladen.

Derweil forderten am Samstag tausende Menschen in mehreren deutschen Städten Friedensverhandlungen für die Ukraine und ein Ende des Krieges Israels gegen die Palästinenser. In Berlin war unser Redakteur Tilo Gräser dabei. Dass diese Stimmen von den politischen Eliten berücksichtigt werden, ist allerdings zu bezweifeln.

Herzlich
Konstantin Demeter