Deutschland soll die „Taurus“-Marschflugkörper an die Ukraine liefern, damit diese Ziele in Russland angreifen kann. Dafür hat sich die bundesdeutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSK) ausgesprochen.
Sie erklärte das in einer Diskussionsrunde über die neue geopolitische Rolle Europas auf die Frage einer italienischen Abgeordneten. Die hatte wissen wollen, ob es angesichts der neuen US-Politik im Konflikt um die Ukraine nicht ein Fehler sei, dass Deutschland bisher keine «Taurus» an die Ukraine geliefert hat.
Baerbock sagte darauf (im Videomitschnitt ab Minute 39:13), dass die bisher von Deutschland an Kiew gelieferten Luftabwehrsysteme vom Typ «Patriot» und IRIS-T nicht ausreichen würden, um russische Raketen abzuwehren. Sie sei sich mit ihren europäischen Partnern – im Podium saßen noch die Außenmister Großbritanniens, Frankreichs und Polens – einig, dass die «Lieferkette» angegriffen werden müsse, das heißt Ziele in Russland.
Es müsse nicht abgewartet werden, «bis die Rakete fliegt und ein Kinderkrankenhaus trifft». Die Bundesaußenministerin äußerte sich «sehr zuversichtlich», dass die «Taurus»-Lieferung «in dieser kritischen Zeit» möglich ist.
Baerbock verwies darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wie auch der CDU-Vorsitzende und -Kanzlerkandidat Friedrich Merz in diesen Tagen erklärten, dass die Ukraine stärker unterstützt werden müsse. Zugleich forderte sie die «100prozentige» Einigkeit der EU in dieser Frage.
Sie bezeichnete bei der Veranstaltung außerdem «Putins Russland» als «unseren größten Feind» derzeit, «denn er hat unserem europäischen Frieden und unserer europäischen Demokratie den Krieg erklärt». Und jeder in der Welt müsse sich entscheiden, «ob er auf der Seite der freien Welt steht oder auf der Seite derer, die gegen die freie Welt kämpfen».
Unterdessen hat auch CDU-Chef Merz in München sich erneut offen für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine gezeigt, wie die Nachrichtenagentur DPA meldet. Demnach sagte er im Rahmen der MSK:
«Wir sollten diese Lieferungen vornehmen. Wir sollten bereit sein, aber nur, wenn wir uns mit den europäischen Partnern einig sind.»
Das wird bisher von Kanzler Scholz abgelehnt, um eine weitere Eskalation, die Deutschland in den Krieg direkt hineinziehen könnte, zu vermeiden. Merz verwies auf Großbritannien und Frankreich, die bereits bauähnliche Marschflugkörper an die Ukraine lieferten, und schlug vor, gemeinsam zu klären, «wie wir das machen und wie wir das organisieren können».
Der CDU-Kanzlerkandidat hatte sich bereits im Oktober 2024 für die «Taurus»-Lieferung ausgesprochen und das mit einem Ultimatum an Moskau verbunden. Danach solle die russische Armee innerhalb von 24 Stunden Bombenangriffe auf zivile Objekte in der Ukraine einstellen, sonst würden die weitreichenden Marschflugkörper geliefert – die können auch die russische Hauptstadt erreichen.
Sollte Merz nach der Wahl am 23. Februar Bundeskanzler werden, würde er die «Taurus» an Kiew liefern, hatte der CDU-Vize-Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul in einem Gespräch mit dem russischen Satiriker-Duo Wladimir Kusnezow und Alexej Stoljarow («Wowan und Lexus») erklärt. Einer der beiden hatte sich als Andrej Jermak, Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, ausgegeben.
Wadephul gab in dem Gespräch, das bereits im November 2024 erfolgte, interne Informationen über die Pläne der Union in Bezug auf die Ukraine nach der vorgezogenen Bundestagswahl weiter. Wadepuhl bekräftigte die Pläne des CDU-Vorsitzenden, sagte aber, eine «Taurus»-Lieferung an die Ukraine könne frühestens im Mai dieses Jahres realisiert werden.
Hochrangige deutsche Luftwaffenoffiziere hatten im Februar 2024 in einem abgehörten und später öffentlich gewordenen Gespräch über Angriffe mit «Taurus» auf Ziele in Russland beraten, wie unter anderem das Magazin Multipolar berichtet hatte. Dabei wurde deutlich, dass die bundesdeutsche Luftwaffe in jedem Fall an der Zielführung der Marschflugkörper beteiligt wäre.
Russische Politiker hatten vor einer solchen Entscheidung gewarnt, die zu einem direkten Krieg zwischen Russland und Deutschland führen könne. «Den Einsatz von Taurus gegen Russland zuzulassen, wäre ein selbstmörderischer Akt», hatte Alexej Drobinin, Analytiker im russischen Außenministerium, in einem von den NachDenkSeiten veröffentlichten Interview erklärt.
Die aktuellen Äußerungen von Baerbock und Merz erfolgen nach den ersten Gesprächen zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem Amtskollegen Wladimir Putin und ihrer zuständigen Mitarbeitern für eine Friedenslösung in der Ukraine. Für ein Ende des Krieges hatten sich in München auch US-Vizepräsident James D. Vance und Verteidigungsminister Pete Hegseth sowie weitere US-Vertreter ausgesprochen.
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