Als «puren Zynismus» bezeichnet der österreichische Historiker und Politikwissenschaftler Fritz Edlinger die kritischen Stellungnahmen mancher EU-Aussenminister zum genozidalen Vernichtungsfeldzug Israels gegen Gaza. Sie seien «angesichts zehntausender Toter (darunter weit mehr als 10’000 Kinder!) und der systematischen Zerstörung von privaten und öffentlichen Gebäuden absolut unangemessen», betont er.
Edlinger ist Herausgeber der österreichischen Zeitschrift International sowie Generalsekretär der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen (GÖAB). Er gilt als einer der profunden deutschsprachigen Kenner der Entwicklung im Nahen Osten. Seine Kritik an der westlichen Politik äusserte er am Montag im Newsletter der Zeitschrift International.
Für ihn ist ein weiteres Beispiel der westlichen Doppelmoral, dass die meisten westlichen Staaten die Zahlungen an das des UN-Palästinahilfswerkes UNRWA eingestellt haben. Dies ist im Anschluss an von israelischen Geheimdienstquellen lancierten Behauptungen erfolgt, wonach zwölf von insgesamt 13’000 lokalen Beschäftigten des UNRWA angeblich am Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sein sollen. «Man hätte zumindest die Ergebnisse der sofort eingeleiteten Untersuchungen abwarten können», so Edlinger.
«Statt wirksame Massnahmen gegen Israel, dessen Verfehlungen klar auf dem Tisch liegen, einzuleiten, belässt man es bei bedeutungslosen Wortspenden. Die EU könnte beispielsweise das Assoziierungsabkommen mit Israel aufkündigen. Darüber wird im Kreise der EU offensichtlich nicht einmal nachgedacht.»
Die aktuelle israelische Verleumdungskampagne gegen die UNRWA stelle «keine überraschende Entgleisung» dar, schreibt der Nahost-Experte. Israel habe mit höchst aktiver Unterstützung seiner US- und EU-Lobby seit Jahren die UNRWA, aber auch andere in Palästina tätige UN-Organisationen diffamiert.
«Wer die jüngsten Angriffe führender israelischer Politiker und Diplomaten gegen die UN als Institution aber auch gegen deren Generalsekretär mitverfolgt hat, kann sich nicht des Eindruckes erwehren, dass Israel weit über den unmittelbaren Anlass hinaus das gesamte UN-System ernsthaft herausfordern und infrage stellen möchte.»
Edlinger bezeichnet es als «höchst bedenklich», dass persönliche Angriffe auf Generalsekretär Antonio Guterres, unter anderem auch im Sicherheitsrat, von keinem der westlichen Mitglieder dieses Gremiums zurückgewiesen wurden. Es handelt sich aus seiner Sicht sich um eine Delegitimierungskampagne, an der sich eine Reihe von UN-Mitgliedstaaten zumindest mitschuldig machen. Er schreibt:
«Dass jenes UN-Mitglied, welches seit seiner Aufnahme in die Vereinten Nationen im Jahre 1949 konsequent und entgegen zahlloser Verurteilungen gegen Völkerrecht und damit gegen die fundamentalen Grundsätze der UNO verstösst, eine derartige Kampagne führt, ist wohl einzigartig. Dass dies von einer Gruppe von (westlichen) Staaten ohne Proteste zur Kenntnis genommen wird, stellt einen weiteren Skandal höchster Grössenordnung dar.»
In diesem Zusammenhang macht er auf einen aktuellen Beitrag der Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld zu diesem Thema auf den NachDenkSeiten aufmerksam. Zudem verweist er auf eine Erklärung einer Gruppe von UN-Experten, die nicht nur gegen die Sistierungen von Zahlungen an UNRWA protestieren, sondern gleichzeitig eine wesentliche Anhebung derselben fordern.
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