Westliche Regierungen, allen voran die der USA und auch die Deutschlands, stoppen Medienberichten zufolge ihre Zahlungen an das UN-Hilfswerk für die Flüchtlinge in Palästina UNRWA. Die Schweizer Regierung warte ab, heisst es. Als Anlass wird genommen, dass zwölf Mitarbeiter der Organisation an dem Überfall der palästinensischen Organisation Hamas am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sein sollen.
«Diese Entscheidungen bedrohen unsere laufende humanitäre Arbeit in der gesamten Region, einschliesslich und vor allem im Gaza-Streifen», erklärte dazu UNRWA-Chef Philippe Lazzarini am Samstag. Es sei «schockierend, dass die Aussetzung der Mittel für das Hilfswerk eine Reaktion auf die Anschuldigungen gegen eine kleine Gruppe von Mitarbeitern ist, zumal das UNRWA sofort gehandelt hat, indem es ihre Verträge gekündigt und eine transparente, unabhängige Untersuchung gefordert hat».
Die UNRWA ist laut Lazzarini «die wichtigste humanitäre Einrichtung im Gazastreifen, von der mehr als zwei Millionen Menschen abhängen, um zu überleben». Es drohe eine Hungersnot im Gaza-Streifen, erklärte er.
Das Hilfswerk betreibt den Angaben nach Notunterkünfte für über eine Million Menschen und stellt selbst auf dem Höhepunkt der Feindseligkeiten Nahrungsmittel und medizinische Grundversorgung bereit. Etwa 3000 der 13’000 Mitarbeiter im Gazastreifen gehen danach weiterhin zur Arbeit und «bieten ihren Gemeinden eine Lebensgrundlage, die aufgrund mangelnder Finanzierung jederzeit zusammenbrechen kann», so Lazzarini.
In dem die Verbündeten Israels die Hilfsgelder für die UN-Organisation einfrieren, beschleunigen sie den Völkermord an den Palästinensern im Gaza-Streifen. Das schreibt die Journalistin Maureen Clare Murphy auf dem Portal Electronic Intifada (EI). In einem am Sonntag veröffentlichten Beitrag erklärt sie, «die israelischen Anschuldigungen scheinen auf Geständnissen palästinensischer Gefangener zu beruhen, die wahrscheinlich unter Folter zustande gekommen sind».
Sie verweist darauf, dass bisher mehr als 150 der 13’000 UNRWA-Mitarbeiter in Gaza seit dem 7. Oktober 2023 getötet wurden – «der grösste Verlust an Personal während eines Konflikts in der 78-jährigen Geschichte der Vereinten Nationen». Palästinenser, die unter der UN-Flagge Schutz suchten, seien getötet worden, als UNRWA-Einrichtungen wiederholt angegriffen wurden.
In der vergangenen Woche seien mehr als ein Dutzend Palästinenser getötet worden, als israelische Panzer ein Gebäude in einem UNRWA-Schulungszentrum in Khan Younis beschossen. Dort hatten den Angaben nach etwa 30’000 Menschen Zuflucht gefunden, nachdem sie aus anderen Gebieten des Gazastreifens vertrieben worden waren.
Murphy zitiert Michael Fakhri, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, der vor der Streichung der Mittel für das UNRWA vor einer Hungersnot im Gaza-Streifen warnte. Mit der «kollektiven Bestrafung» wegen «der angeblichen Handlungen einer kleinen Anzahl von Mitarbeitern» sei laut Fakhri «die Hungersnot nun unvermeidlich».
Die Journalistin macht darauf aufmerksam, dass der Schritt «auch Millionen palästinensischer Flüchtlinge im Westjordanland, im Libanon, in Jordanien und in Syrien schaden» wird. Diese seien ebenfalls von dem chronisch unterfinanzierten Hilfswerk abhängig.
Sie schreibt auch, dass die USA ankündigten, ihre Unterstützung für das UNRWA auszusetzen, unmittelbar nachdem der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag ein mit Spannung erwartetes vorläufiges Urteil gefällt hatte. Darin wird Israel aufgefordert, die völkermörderischen Handlungen in Gaza einzustellen.
Der IGH erliess mehrere vorläufige Massnahmen, während er die von Südafrika eingereichte Klage prüft, in der Israel beschuldigt wird, die Völkermordkonvention von 1948 zu verletzen. Eine der sechs vom Gericht angeordneten vorläufigen Massnahmen verlangt, dass Israel «sofortige und wirksame Massnahmen ergreift, um die Bereitstellung dringend benötigter grundlegender Dienstleistungen und humanitärer Hilfe zu ermöglichen».
Durch die Sanktionierung des UNRWA bestrafen die Staaten «kollektiv Millionen von Palästinensern zum kritischsten Zeitpunkt», erklärte dem EI-Bericht nach auch Francesca Albanese, die UN-Sonderberichterstatterin für das Westjordanland und den Gazastreifen, am Samstag. Damit, so Albanese weiter, würden diese Länder «höchstwahrscheinlich ihre Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention» verstossen.
Sie fügte laut Murphy hinzu, dass die Streichung der Mittel für das UNRWA «offenkundig gegen die Anordnung des Internationalen Gerichtshofs verstösst, wirksame humanitäre Hilfe zu ermöglichen, um die widrigen Lebensbedingungen der Palästinenser in Gaza zu verbessern». Die UN-Sonderberichterstatterin sagte, «dies wird eine rechtliche Verantwortung nach sich ziehen – oder den Untergang des internationalen Rechtssystems».
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