Am 22. November 1963 wurde Präsident John F. Kennedy in Dallas erschossen – ein Ereignis, das nicht nur die Welt erschütterte, sondern auch bis heute zahlreiche Theorien und Spekulationen über die wahren Hintergründe der Tat anheizt. In den letzten Jahrzehnten sind immer wieder neue Akten veröffentlicht worden, die das Bild dieser tragischen Episode der Geschichte zu verändern scheinen. Die jüngste Veröffentlichung von rund 2200 bislang geheimen Akten mit über 63.000 Seiten durch die US-Regierung unter Donald Trump könnte nun für weitere Wendungen sorgen, wie zum Beispiel die Nachrichtenagentur AP letzte Nacht meldete.
Diese Akten, die einen weiteren Teil des gewaltigen Puzzles um den Mord an Kennedy darstellen, beinhalten hauptsächlich Informationen zur Überwachung von Lee Harvey Oswald, dem mutmaßlichen Attentäter. Oswald, ein ehemaliger US-Marinesoldat und selbsternannter Marxist, wurde für die Tat verantwortlich gemacht. Doch neue Enthüllungen werfen erneut Zweifel an der Theorie des «Einzeltäters» auf.
Bereits seit den 1990er Jahren, als ein Gesetz die Freigabe von Akten auslöste, die mit der Ermordung in Verbindung stehen, wurden immer mehr Dokumente zugänglich gemacht. So sind mittlerweile über sechs Millionen Seiten zu diesem Thema öffentlich einsehbar, ein Großteil davon auf der Website der Mary Ferrell Foundation, die von einer der ersten Forscherinnen des Mordes, Mary Ferrell, gegründet wurde. Rex Bradford, Präsident der Stiftung, erklärte:
«Jedes Mal, wenn neue Dokumente veröffentlicht werden, entdecken die Menschen interessante Dinge, die die Geschichte weiter vervollständigen. Die Geschichte der Kennedy-Ermordung ist ein fortwährender Prozess von Offenbarungen. Sie ist ein Aufdecken der Geschichte zur Zeit des Kalten Krieges und deshalb nicht nur wegen des Mordes selbst so faszinierend.»
Diese neuen Akten werfen erneut Fragen auf und bieten möglicherweise neue Perspektiven auf den Mord, die über das hinausgehen, was die offizielle Version von der Warren-Kommission, die 1964 ihre Ergebnisse vorlegte, darstellt. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass Oswald als Einzeltäter gehandelt habe, ohne dass Beweise für eine Verschwörung gefunden wurden. Doch immer wieder haben Historiker wie Jefferson Morley, der sich intensiv mit der Ermordung beschäftigt, die Monotheorie in Frage gestellt.
«Die Einzeltäter-Theorie ist nicht genau. Sie erklärt nicht, was tatsächlich passiert ist», sagt Jefferson Morley, der auch Vizepräsident der Mary Ferrell Foundation ist.
Laut Morley deuten viele der kürzlich veröffentlichten Dokumente darauf hin, dass die CIA Oswald während der Jahre vor der Ermordung genau überwachte und auch versuchte, die Ermittlungen der Warren-Kommission zu behindern. Es wird immer deutlicher, dass die CIA in den Monaten vor dem Mord deutlich mehr über Oswald wusste, als bislang bekannt war. Morley:
«Sieben von zehn JFK-Akten, die von den Archiven gehalten und von JFK-Forschern verlangt wurden, sind nun im öffentlichen Register einsehbar. Diese lange geheim gehaltenen Akten werfen neues Licht auf JFKs Misstrauen gegenüber der CIA, die Mordanschläge auf Castro, die Überwachung von Oswald in Mexiko-Stadt und CIA-Propagandaoperationen, an denen Oswald beteiligt war. Die Veröffentlichung umfasst jedoch nicht zwei Drittel der versprochenen Akten, auch keine der über 500 IRS-Akten und keine der kürzlich entdeckten 2400 FBI-Akten. Trotzdem ist dies die positivste Nachricht zur Deklassifizierung der JFK-Akten seit den 1990er Jahren.»
Details betreffend Oswalds Aufenthalt in Mexiko-Stadt im Jahr 1963 waren den US-Geheimdiensten zur damaligen Zeit bereits bekannt, doch viele Einzelheiten blieben bislang unklar.
Die Enthüllungen, die aus den neuen Dokumenten hervorgehen, könnten das Bild, das die Öffentlichkeit von der Ermordung hat, noch weiter beeinflussen. Wenn sich herausstellt, dass Oswald nicht nur als Einzelner gehandelt hat, sondern möglicherweise Unterstützung von weiteren Akteuren erhielt, könnte dies neue Fragen aufwerfen, die über den Mord selbst hinausgehen.
Larry J. Sabato, Direktor des University of Virginia Center for Politics und Autor des Buches «The Kennedy Half-Century», sagte, es werde einige Zeit dauern, bis die Aufzeichnungen vollständig überprüft seien. Sabato zufolge hat sein Team eine «lange, lange Liste» von sensiblen Dokumenten, nach denen es sucht und die zuvor stark geschwärzt wurden. Er erklärte:
«Es muss schon etwas sehr, sehr Sensibles dabei sein, wenn sie einen Absatz oder eine Seite oder mehrere Seiten in einem solchen Dokument schwärzen. Einiges davon handelt von Kuba, einiges davon davon, was die CIA im Zusammenhang mit Lee Harvey Oswald getan oder nicht getan hat.»
Die nun veröffentlichten Akten zur Ermordung von John F. Kennedy liefern wohl keine endgültigen Antworten und sind wie oben gezeigt auch nicht vollständig. Trotzdem tragen sie dazu bei, das Bild, das wir von diesem dunklen Kapitel der Geschichte haben, weiter zu hinterfragen und zu vervollständigen.
Wenn neue Beweise zeigen, dass die CIA oder das FBI mehr über die Pläne von Oswald wussten, könnte das zu weiteren Spekulationen führen. Vielleicht sind wir noch nicht am Ende des Rätsels angekommen, das die Ermordung von John F. Kennedy umgibt.
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