Jens Berger ist Journalist der kritischen Online-Zeitung NachDenkSeiten und Buchautor. Seit Jahren kritisiert er die Machtkonzentration von Regierungen und Grosskonzernen. So unter anderem auch in seinem Buch «Wer schützt die Welt vor den Finanzkonzernen?». In seinem neusten Buch «Schwarzbuch Corona – Zwischenbilanz der vermeidbaren Schäden und tolerierten Opfer» rechnet er rigoros mit den Verantwortlichen der Corona-Politik ab und zeigt die Schattenseiten der «Pandemie» auf, die speziell die ärmeren Schichten besonders hart getroffen hat. Hier einige Ausschnitte aus dem Buch:
«Auch die Massnahmen haben eine deutliche soziale Schieflage, und die Unterstützungsleistungen durch den Staat sind ebenfalls alles andere als gerecht und benachteiligen insbesondere arme Menschen. Die soziale Schieflage fängt bereits bei den Einkommensverlusten durch die Massnahmen an. Nach einer Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung im Oktober 2020 gab es bei Einkommen bis 900 Euro Verluste von 49 Prozent, bei Einkommen von über 4500 Euro lagen diese nur bei 26 Prozent. Einkommen unter 1500 Euro monatlich netto waren zu 40 Prozent von Kurzarbeit betroffen, bei über 4500 Euro nur von 11 Prozent.
Während ein Besserverdiener Einkommensverluste in der Regel besser kompensieren kann, haben Geringverdiener oft echte Probleme, wenn der Lohnscheck – und sei er nur vorübergehend – noch kleiner ausfällt. Hier reichte das Geld auch schon vor Corona meist gerade so aus, um am Ende des Monats die Miete und alle nötigen Rechnungen zu bezahlen. Wenn nun die monatlichen Einkünfte geringer ausfallen, geht es entweder an die Substanz, oder man muss gezwungenermassen bei eigentlich notwendigen Ausgaben sparen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Lebensqualität, sondern meist auch auf die Gesundheit. Da die Kosten für Lebensmittel oft der einzige Ausgabenfaktor sind, wo überhaupt gespart werden kann. Dann fällt die warme Mahlzeit halt mal aus. Je prekärer Arbeitsverhältnisse sind, umso dünner wird der soziale Schutz während der Pandemie.
Während sozialversicherungspflichtig Beschäftige immerhin über das Kurzarbeitergeld – wenn auch oft mehr schlecht als recht – abgesichert sind, stehen Minijobber, Aushilfskräfte ohne arbeitsvertragliche Regelung und sehr viele Solo-Selbstständige vollkommen im Regen, wenn ihre Arbeitsgrundlage aufgrund der Massnahmen wegfällt. Für diese Jobs gibt es kein Kurzarbeitergeld. Kündigungen in diesem Bereich werden häufig rigoros umgesetzt – ex und hopp. Zu den Betroffenen zählen dabei auch Menschen, die man sicher spontan nicht mit dem Begriff ‹Armut› in Verbindung bringen würde und die eher der ganz normalen Mittelschicht zugerechnet werden.
So habe ich für die Nachdenkseiten im Oktober 2020 den Hamburger DJ und Konzertveranstalter Benny Ruess interviewt, dessen komplette Einkünfte durch die Massnahmen im März 2020 von einem Tag auf den anderen weggebrochen sind. Vom Beginn der Lockdowns bis zum Zeitpunkt des Interviews bekam Ruess im März 4000 Euro Soforthilfe und im August noch einmal 2000 Euro Neustartprämie von der Stadt Hamburg. Das war’s dann aber auch – kein Wohngeld, keine Krankenversicherung, kein Hartz IV. Da seine Frau, eine Kinderkrankenschwester, angeblich zu viel verdient, habe er keinen Anspruch auf solche Leistungen.»
Doch nicht nur die ökonomischen Folgen für die Mittelschicht und Ärmere sind desaströs. Auch die psychsichen Folgen sind nicht zu unterschätzen. Dazu Berger:
«Die gesamte Corona-Debatte findet zumeist auf der epidemiologischen Ebene statt. Das ist ein dankbares Terrain, handelt es sich hierbei doch um mehr oder weniger greifbare Zusammenhänge, die sich in Zahlen abbilden lassen. Auch die ökonomische Ebene hat diesen Vorteil. Nun gibt es aber auch eine Welt abseits der Zahlen, die Welt der Gefühle, die Psyche oder, wenn man es ein wenig transzendentaler ausdrücken will: die Seele. Dass sowohl die Pandemie als auch der Lockdown unsere Seele berühren, steht ausser Frage. Ausser Frage steht auch, dass unsere Seele Schaden nimmt.
Doch diese Ebene spielt sowohl bei der politischen als auch bei der medialen Debatte kaum eine Rolle. So wurden in die fünf grossen Talkshowformate von ARD und ZDF im vergangenen Jahr zwar ganze 88-mal Virologen eingeladen. Psychologen kamen nur ganze viermal zu Wort. Und wo wir schon beim Transzendentalen sind: Geistliche, die sich als Seelsorger verstehen, wurden nur ein einziges Mal zu Will, Plasberg, Illner, Maischberger und Lanz eingeladen. Offenbar sind uns Psyche und Seele nicht so wichtig. Dabei sind die vorliegenden Zahlen zur Auswirkung von Pandemie und Lockdown auf Psyche und Seele mehr als alarmierend.
Nach einer im November 2020 veröffentlichen ‹Deutschland-Barometer Depression› der deutschen Depressionshilfe hat jeder zweite an Depressionen Erkrankte im ersten Lockdown ‹massive Einschränkungen in der Behandlung seiner Erkrankung erlebt›. Jeder zweite Befragte berichtet auch von ausfallenden Behandlungsterminen beim Facharzt oder Psychotherapeuten und jeder zehnte von einem geplatzten Klinikaufenthalt. Zudem hätten die Betroffenen die Zeit ‹als deutlich belastender› erlebt als der Durchschnitt der Bevölkerung. So litten diese ‹fast doppelt so häufig unter der fehlenden Tagesstruktur›, in der häuslichen Isolation blieben sie zudem ‹deutlich häufiger tagsüber im Bett›, was ihr Leiden in aller Regel verschlimmert. Diese Einschränkungen, die für die Betroffenen ein grosses Problem darstellen und ihr Krankheitsbild negativ beeinflussen, spielen bei der Entscheidungsfindung der Politik nie eine Rolle.»
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Jens Berger ist freier Journalist und politischer Blogger. Er ist Redakteur der NachDenkSeiten und befasst sich mit sozial-, wirtschafts- und finanzpolitischen Themen. Berger ist Autor mehrerer Sachbücher, etwa «Der Kick des Geldes» (2015) und des Spiegel-Bestsellers «Wem gehört Deutschland?» (2014).
Jens Berger, «Schwarzbuch Corona - Zwischenbilanz der vermeidbaren Schäden und tolerierten Opfer», Westend, Frankfurt am Main, ISBN: 978-3-86489-343-8, 208 Seiten. 18 Euro. Weitere Infos und Bestellung hier.