Das Wesen des Guten ist: Leben erhalten, Leben fördern,
Leben auf seinen höchsten Wert bringen.
Das Wesen des Bösen ist: Leben vernichten, Leben schädigen,
Leben in seiner Entwicklung hemmen.
Das Grundprinzip der Ethik ist also Ehrfurcht vor dem Leben.
Albert Schweitzer
Liebe Leserinnen und Leser
Gestern las ich in der NZZ einen Artikel, der mich sprachlos machte: Ein junges Elternpaar aus dem Aargau sowie die Großmutter des Kindes sind angeklagt, ihre dreijährige schwerstbehinderte Tochter getötet zu haben. An der Tatsache selbst bestehen offenbar keinerlei Zweifel. Spekuliert wird nun lediglich über das Motiv. Und dieses ist entscheidend für das Urteil, das dementsprechend entweder auf Totschlag oder Mord lauten wird. Die Eltern selbst sagen vor Gericht, sie hätten ihr Kind von seinem Leiden erlösen wollen.
An den Spekulationen will ich mich hier nicht beteiligen, sondern vielmehr den Blick darauf lenken, dass der gesellschaftliche Umgang mit derlei Taten häufig von Heuchelei geprägt ist. Die Medien geben sich fassungslos, Experten werden befragt, man ist empört, verurteilt die Täter und so weiter. Oder zuweilen auch umgekehrt: Es findet sich immer jemand, der nicht nur nach Gründen, sondern auch nach Rechtfertigungen für die Taten sucht.
Der mediale Aufschrei ist durchaus gerechtfertigt. Dennoch sind das Elternpaar und die Großmutter Teil dieser Gesellschaft. Und in dieser Gesellschaft ist es eher die Regel als die Ausnahme, keine Ehrfurcht vor dem Leben zu haben, so möchte ich behaupten. Gleichzeitig wird dieser Umstand durch hohle Phrasen verschleiert.
Zu dieser fehlenden Ehrfurcht passt auch der Fall, über den mein Kollege Daniel Funk in seinem gestrigen Newsletter über «die Macht der Bilder» und mein Kollege Lothar Mack in seinem heutigen Kommentar berichtet berichtet haben: Eine junge Politikerin, die am Fest Mariä Geburt (lat. Festum in Nativitate Beatae Mariae Virginis) ein Bild von Maria und dem Jesuskind mit Kugeln zersiebt – und die ganze Aktion auch noch auf der Plattform Instagram zur Schau stellt, ist tatsächlich noch etwas mehr als bloß ein Zeugnis «schlimmer Unkenntnis». Es ist ein Zeugnis fehlender Ehrfurcht, nicht nur vor Religion und Kultur, sondern aufgrund des bedeutungsvollen Motivs auch vor dem Leben selbst.
Aber zurück zum eigentlichen Thema: Man muss sich auch einmal vor Augen führen, in welche sozialen und finanziellen Nöte Frauen mitunter schon bei einer «normalen» Schwangerschaft geraten können, erst recht, wenn diese ungeplant ist und/oder der Partner das Weite sucht: Die Frauen seien selbst schuld an ihrer Situation, heißt es dann. Nicht selten wird sogar schwangeren Frauen gekündigt respektive ein bestehender befristeter Arbeitsvertrag nicht verlängert. Viel zu «teuer» und riskant. So eine Verantwortung will sich ja kein Arbeitgeber aufbürden. Und ja: All das ist legal möglich, man muss nur wissen, wie man es geschickt macht.
Gerade an Universitäten und in der linksliberalen Kulturblase bekommt man nicht selten – insbesondere von Professorinnen und Karrierefrauen – zu hören, man solle ja keine Kinder bekommen. Zumindest nicht «jetzt». Subtext: Dann ist man für diejenigen, die es in der Hierarchie bereits geschafft haben, nicht mehr so gut ausbeutbar. Die Liste dieser «alltäglichen» Ungeheuerlichkeiten ließe sich noch unendlich verlängern. All das ist tatsächlich «normal» im Sinne von alltäglich. Und gleichzeitig heißt es dann noch, Frauen seien so «emanzipiert» wie niemals zuvor. Na klar. Aber nur die (finanziell) Privilegierten.
Hinzu kommt die Tatsache, dass es jungen Menschen (beiderlei Geschlechts) ohnehin immer schwerer gemacht wird, überhaupt eine Familie zu gründen. Immer mehr auch gut ausgebildete Menschen sind froh, wenn sie am Ende des Monats einigermaßen sich selbst über die Runden bringen können und auch mal vielleicht ein Jahr im Voraus planen können. Eine Familie gründen und «absichern», wie das vor zwei, drei Jahrzehnten noch die Regel war, ist heute für die Masse praktisch nicht mehr möglich. All das ist im Grunde zutiefst kinder- und lebensfeindlich.
Und es verursacht nicht nur massenhaft individuellen Stress, sondern es lässt die Menschen auch geistig, sozial und emotional abstumpfen. Und wann immer eine so schreckliche Tat wie die oben geschilderte geschieht, sollte sich jeder – so schwer es auch fällt – an die eigene Nase fassen und sich fragen, wie groß seine eigene Ehrfurcht vor dem Leben ist. Vor dem eigenen und vor dem Leben anderer. Dazu gehört insbesondere auch die Wertschätzung von Kindern in jeglicher Hinsicht und das Bewusstsein, dass andere Menschen niemals nur ein Mittel zum Zweck sind.
Gerade Eltern von behinderten Kindern – und natürlich den Kindern selbst – sollte in einer freien und offenen Gesellschaft größte Achtung zuteilwerden. Nicht nur rhetorisch, sondern tatsächlich. Oftmals erleben sie aber das Gegenteil und bekommen die geradezu «eugenische» Ablehnung der Gesellschaft ganz besonders scharf zu spüren. Dass Eugenik als Ideologie wieder salonfähig ist, brauche ich Ihnen nach den letzten vier Jahren ohnehin nicht zu erklären. Ich erinnere nur an Yuval Noah Hararis Formulierung von den «nutzlosen Essern».
Bei aller Fassungslosigkeit und Empörung: Wir sollten aufpassen, dass Fälle wie der oben erwähnte nicht irgendwann zu einer Art «Normalität» werden. Das kann durchaus passieren, nämlich dann, wenn man den Menschen nur mehr als Leistungserbringer, als «Human Resource» und als zu optimierendes, grundsätzlich defizitäres Wesen betrachtet, das einer bestimmten Norm entsprechen muss, um überhaupt leben zu «dürfen».
Stattdessen braucht es wieder eine grundsätzliche Ehrfurcht vor dem Leben, bedingungslos.
Herzliche Grüße
Susanne Schmieden
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- Zensur wird weltweit verschärft 26:25
- Wann retten Sie sich mit einer Notlüge? 28:55
- Iwan Iten: Ein besonderer Wirt hört auf 32:48
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