An einem schönen Juliabend treffen Michael Bubendorf und ich auf zwei Journalisten, die uns einige Tage zuvor in einem Medium (sie wollen nicht genannt werden) als «Verschwörungsideologen» verunglimpft haben. Nun sitzen die beiden mit uns im Vorhof des Landesmuseums Zürich, spendieren uns eine Runde Bier und wirken eher scheu.
Der eine mit unordentlicher Frisur, seine zahllosen Tattoos und die verheilte Narbe eines Lippenpiercings scheinen Geschichten alter Wunden zu erzählen. Sein Kollege dagegen geradezu bieder, unauffällig, schweigsam. Beide blicken misstrauisch, vermeiden Blickkontakt. Sie wirken nervös. Weshalb wohl?
Zum Gespräch kam es, nachdem wir Kontakt mit den Journalisten aufgenommen hatten, denn wir wollten eine Erklärung für den Begriff des «Verschwörungsideologen» und hatten sie um die Angabe von Quellen gebeten, die diesen Vorwurf gegen uns belegen.
Die beiden meinten, unglaublich viel über uns zu wissen – von dem wiederum wir wissen, dass es nicht stimmt. Das hat uns neugierig gemacht. Wir wollten von ihnen erfahren, ob sie Menschenfreunde sind, wovor sie Angst haben und was sie dazu bewogen hat, eine Artikelserie über «Verschwörungsideologen» wie uns zu schreiben.
Der eine, eher wortkarge Journalist gibt sich als Anhänger der Reitschule Bern zu erkennen. Als Michi seinen Laptop mit dem «Anarchie»-Sticker aufklappt, meint er, dass dies auch sein Laptop sein könnte. Der andere Journalist ist zwar gesprächiger, doch wenn es um Informationen über ihn geht, hält er sich gekonnt bedeckt. Unsere Fragen spielt er, wie beim Pingpong, jedesmal zurück. Das einzige, was wir über ihn erfahren, ist, dass er von Haus aus gelernter Zigarrenverkäufer ist und schon für die WOZ geschrieben hat. Zum Journalismus kam er learning by doing. Noch eine Gemeinsamkeit.
In ihrer Artikelserie wird vor allem Daniel Stricker an den Pranger gestellt – offenbar der einzige Protagonist der Bürgerrechtsbewegung, den die beiden Journalisten zuvor persönlich getroffen hatten. Milosz Matuschek wurde wohl für ein persönliches Gespräch angefragt, aber so wie es aussieht, hatte Stricker so viel Stoff für ihren Artikel geliefert, dass sie ausgesorgt hatten.
Während ihnen Stricker reichlich Angriffsfläche bietet, wirkt es eher bemüht, wie sie die Beziehungen unter seinen Talkgästen durchforsten. Beeindruckend hingegen die interaktive Grafik in ihrem Artikel, die die Vernetzung der alternativen Medien und ihrer Exponenten wie ein Spinnennetz darstellt. Sie suggeriert so auch optisch, dass in dieser Bewegung irgendwie alles zusammenhängt.
Ihre Artikelserie liest sich wie eine einzige Verschwörungserzählung über die dunklen Machenschaften der Bösewichte in den alternativen Medien. Alle scheinen sie unter einer Decke zu stecken, mit dem Plan, die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Es ist der Versuch, eine bösartige Absicht und Korruption bei den freien Journalisten aufzuzeigen, die angeblich die Menschen verwirren wollen und damit die Demokratie gefährden.
Tatsächlich bezeichnen die beiden das Aufblühen der alternativen Medien als «Reise ans Ende der Demokratie». Auf die Frage, was die freie Meinungsäusserung mit Demokratiefeindlichkeit zu tun hat, erhalte ich beim gemeinsamen Bier keine befriedigende Antwort. Die beiden erachten es einfach als gefährlich, wenn falsche Fakten verbreitet und so Menschen fehlgeleitet werden.
Und wo genau wird nun der Leser bei den alternativen Medien fehlgeleitet? Fake-News-Skandale können sie uns keine nennen. Dafür viele Mutmassungen in detektivartiger Manier – wie schon in ihrer Artikelserie. So glauben die beiden, das Jahresgehalt von Daniel Stricker zu kennen. Oder behaupten, dass Matuschek Pharmalobbyist sei, weil er für die NZZ geschrieben hat. Oder dass die Kinder die staatlichen Zwangsmassnahmen lustig fanden.
Natürlich kollidiert im Gespräch ihre Weltanschauung immer wieder mit der unsrigen. Dann werden unsere Quellen in Frage gestellt und Zweifel an unserer Wahrnehmung angemeldet.
Im Gespräch wird schnell klar: Wer meint, dass die Politik in eine falsche Richtung geht, Korruption unter den Eliten vermutet und sich auf Fakten beruft, die im Mainstream nicht erwähnt werden, ist der «Verschwörungsideologie» zugeneigt.
Auf meine Frage, ob sie es denn in Ordnung fanden, dass in den Medien eine regelrechte Hetze gegen Ungeimpfte stattfand, gibt es nur Achselzucken. Das nähmen sie nicht so ernst. Aussagen wie: «Nun muss jeder erdenkliche Druck auf Ungeimpfte ausgeübt werden» halten sie für legitime freie Meinungsäusserung von Einzelnen.
Und was ist ihre Motivation, Journalist zu sein? Gegen das Schlechte auf der Welt anzuschreiben, sagen sie, und davon gebe es viel. Hetze gegen Ungeimpfte zählen sie allerdings nicht dazu.
Dennoch verläuft unser Treffen erstaunlich harmonisch. Es scheint ein ernsthaftes gegenseitiges Interesse am Gegenüber vorhanden zu sein. Zwischendurch stossen wir auch auf Verbindendes. So erzählt uns der eine, wie er in der Zeit der Maskenpflicht im ÖV mit einer Freundin stritt, weil diese keine Maske tragen wollte. Sie würde sich mit uns wohl gut verstehen, meint er. Er hätte die Maske aus Respekt gegenüber den älteren Fahrgästen getragen. Ob wir denn wirklich nicht geimpft sind, fragt er ungläubig. Eine sehr persönliche Frage, finde ich.
«Und ihr, seid ihr Menschenfreunde?», wollen wir wissen. Wieder verdutztes Achselzucken, dann aber ein klares «Nein». Eine düstere Stimmung kommt auf: Sie glauben nicht an das Gute im Menschen, geben sie zu; sie hätten nicht viel Hoffnung für die Welt.
Auch er habe sich gegen das PMT-Gesetz stark gemacht, auch er sei staatskritisch, und richtig wohl fühle er sich nicht, wenn er Big Pharma verteidige, meint der eine. Das Mediengesetz hingegen hätte er begrüsst, das wäre für die Medienvielfalt förderlich gewesen. Medienvielfalt? Ist es nicht gerade das, was er mit seinem Artikel bekämpft und für demokratiegefährdend hält?
Und wovor haben die beiden eigentlich am meisten Angst? Auf diese Frage wird der Meister der vagen Antwort doch noch deutlich: «Vor dem Klimawandel. Das macht mir so richtig Angst.»
Als sie zum Schluss von uns wissen wollen, ob es denn für uns sehr schlimm sei, dass wir in ihrem Artikel als Verschwörungsideologen aufgeführt sind, antwortet Michi achselzuckend: «Die Bedeutung darüber relativiert sich insofern, als ihr eh nicht so gelesen werdet.» Betretenes Schweigen ...
Mir bleibt nach dem Gespräch das Gefühl, zwei Menschen getroffen zu haben, deren Ängste sich auf ganz andere Dinge beziehen als meine. Welche Ängste berechtigter sind, steht in den Sternen oder liegt in unseren Händen. Ich war mit leichter Anspannung zu diesem Treffen angereist – nun hat sich wieder einmal bestätigt, dass sich im persönlichen Gespräch oft unerwartete Gemeinsamkeiten zeigen und sich vieles relativiert.
************
Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift Die Freien erschienen.
Prisca Würgler ist Gründerin und Geschäftsleiterin des Vereins Graswurzle sowie Gründerin der Redaktion Die Freien.