Die Raunächte gelten als eine Zeit, in der die Kräfte der Natur ruhen, um sich auf den Neubeginn vorzubereiten. Tief unter der gefrorenen Erde schlummern Lebenskeime, während der Mensch dazu aufgerufen ist, innezuhalten. Die Stille der Nächte, die laut Volksglauben bis in die Ohren rauschen kann, lädt zum Nachdenken, Träumen und Beobachten ein. Arbeit ruht, und Rituale wie das Räuchern mit Wacholder oder Beifuß sollen Haus und Hof reinigen und das kommende Jahr segnen.
Die Plattform J, eine kleine, aber agile Berner Newsplattform, ist in einem älteren Artikel in Form eines Zwiegesprächs einer Großmutter mit ihrer Enkelin diesem Naturphänomen nachgegangen.
Es gehe darum, feine Zeichen zu deuten – in Träumen, Begegnungen oder Naturerscheinungen. Doch diese Nächte bergen auch eine mystische Spannung. Geschichten über die «Wilde Jagd» oder Geister wie den «Hardergeist» am Thunersee in der Nähe von Interlaken verbreiten Ehrfurcht und manchmal Furcht. Einst galten diese Gestalten als Kräfte, die das Land reinigten und das Alte verabschiedeten. Über die Jahrhunderte wurden sie jedoch oft zu bedrohlichen Figuren umgedeutet.
Die Großmutter erklärt, dass diese Mythen nicht nur abschrecken sollen, sondern auch einen Schutzgedanken in sich tragen: Sturm und Schnee sollten die Menschen davon abhalten, sich unnötigen Gefahren auszusetzen.
Einige der bekanntesten Bräuche knüpfen an die zwölf Nächte selbst an, die jeweils symbolisch für die Monate des kommenden Jahres stehen. Das Lesen der Zukunft aus mit Salz bestreuten Zwiebelhälften oder das Horchen auf sprechende Tiere im Stall spiegeln den Wunsch wider, einen Blick in die Zukunft zu werfen.
Doch auch hier mahnt die Großmutter: «Wer in die Zukunft blicken will, darf sich nicht vor ihr fürchten.» Der Ursprung des Namens «Raunächte» ist selbst ein Rätsel: Manche sehen einen Bezug zum «Raunen» – den geheimnisvollen Stimmen der Nächte –, andere zur Reinigung durch Räuchern.
Die Geschichten, die in diesen Nächten erzählt werden, erinnern an eine durchlässigere Grenze zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Welt. Von Zwergen und Elfen, die in die Berge ziehen, bis zur sagenhaften Königin Bertha, die über das Land reitet und das Schicksal des neuen Jahres spinnt, wird der Glaube an eine tiefere Verbindung mit der Natur lebendig.
Die Raunächte verkörpern eine universelle Botschaft: In der Dunkelheit des Winters liegt der Keim für neues Leben verborgen. Sie erinnern daran, dass Stille und Rückzug Teil des natürlichen Kreislaufs sind – eine notwendige Vorbereitung auf das Wiedererwachen der Welt.
Die Enkelin schließt diese Erkenntnis mit einem seligen Lächeln: «Jetzt weiß ich, dass es sich lohnt, die Hoffnung niemals aufzugeben.»
So leuchten die Raunächte wie ein funkelnder Kristall im Herzen des Winters – voller Geheimnisse, Hoffnung und der Magie der Erneuerung.