Oberhalb von Bitsch im Schweizer Kanton Wallis hat es vor etwa einem Monat über Wochen gebrannt. 132 Hektaren waren betroffen. Ein zweiter Waldbrand in Flanthey vor einigen Tagen verlief glimpflich.
Rückblende: Am 13. August 2003 brannte es in Leuk im Kanton Wallis. 300 Hektar Wald mit etwa 200’000 Bäumen wurden ein Raub der Flammen. Es handelte sich dabei um einen der grössten Waldbrände des Landes. Kurze Zeit später wuchs jedoch auf den verbrannten Flächen eine beeindruckende Artenvielfalt. Neue Pflanzen und Insekten besiedelten das verbrannte Gebiet. Zu diesem Schluss kommt die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in der Schweiz.
Ökosysteme sind widerstandsfähig: Wenn Wälder brennen, werden Flora und Fauna zerstört, aber wie fatal sind solche Brände? «Vorerst entsteht ein riesiger Schaden, das ist klar: Schutzwald oder Nutzwald gehen verloren», sagt der Waldökologe Thomas Wohlgemuth von der WSL kürzlich in einem Beitrag von SRF, aber «Ökosysteme sind unterschiedlich resilient, das heisst sie können sich von sogenannten Störungen wie Waldbränden früher oder später erholen», ergänzt Wohlgemuth.
Die Erholung eines abgebrannten Waldes kann so weit gehen, dass die Vielfalt diejenige des früheren Waldes übersteigt. Auf der verbrannten Bodenfläche herrschen ganz andere Bedingungen als zuvor im schattigen und dichten Nadelwald wie bei Leuk vor 2003. Für viele Arten wird so ein geeigneter, oft riesiger Lebensraum geschaffen.
Der Grund dafür ist, dass beim Verbrennen der Humusschicht Asche entsteht und der pH-Wert des Bodens ansteigt. Kurzfristig stehen mehr Nährstoffe für neu angesiedelte Pflanzen zur Verfügung. Insekten, Käfer, Heuschrecken, Spinnen und Bienen profitieren von den Blüten und den Gräsern. Auch seltene oder als ausgestorben geltende Arten können die kahlen Flächen für sich erobern. Insofern kann ein Waldbrand – trotz seiner verheerenden Folgen – auch eine Bereicherung für die Natur sein.
Das ist nicht nur Theorie. In Leuk wuchsen zum Beispiel zunächst viele krautige Pflanzen, dann begannen Gräser die verbrannte Fläche zu dominieren und es entwickelten sich Arten, die vorher kaum überleben konnten. Sogenannte pyrophile Pflanzen (pyrophil = feuerfreundlich; von altgriechisch πῦρ = Feuer und φίλος = Freund), deren Samen vom Wind getragen werden, breiteten sich in den verbrannten Gebieten rasch aus.
Die WSL-Forscher haben unter anderem auch den als ausgestorben geltenden Erdbeerspinat identifiziert, dessen Blätter und rote Früchte gegessen werden. Diese buschige Pflanze erschien nur zwei Jahre nach dem Brand. Die Samen hatten offenbar im Boden überlebt und dann den richtigen Zeitpunkt zum Keimen gefunden. «Brände legen sozusagen das Biodiversitäts-Potenzial eines Gebiets frei», so Experte Wohlgemuth. Auch Bäume wie Pappeln, Weiden und Birken breiteten sich schnell aus.
So war bereits zehn Jahre nach dem katastrophalen Waldbrand von Leuk die Artenvielfalt deutlich grösser als im überlebenden angrenzenden Nadelmischwald. Auch die Zahl der Insektenarten – selbst der gefährdeten – war im verbrannten Gebiet höher als im benachbarten Wald. Die Biodiversität in Brandgebieten kann also deutlich höher sein als im direkt angrenzenden unverbrannten Wald.
Diese positive Bilanz nach dem Brand in Leuk sollte aber keineswegs dazu dienen Waldbrände zu beschönigen, denn deren fehlender Schutz birgt über lange Jahre Risiken von Bodenerosion und Steinschlag mit potenziell fatalen Folgen für Mensch und Natur. Dass zum Beispiel in Leuk kein Starkregen fiel, hat mit Glück zu tun.
Eine positive Bilanz ergibt sich nur, wenn die Natur sich selbst überlassen wird, damit sie sich regenerieren kann. Gut gemeinte Aufforstungen in Monokultur-Manier, oder gar das Erstellen von Häusern, Hotels, Windräder oder Photovoltaikanlagen, wie das im Ausland manchmal geschieht, verhindern eine solche Selbstregeneration.
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