Eine Gruppe ehemaliger hochrangiger US-Beamter hat gemäss NBC News Gespräche mit einflussreichen Russen geführt. Damit wollten sie den Grundstein für Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine legen. Auch der russische Aussenminister Sergej Lawrow soll dabei gewesen sein.
NBC News veröffentlichte die Nachricht letzten Donnerstag. Wie AntiWar.com berichtet, bezeichnete die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Zakharova, den Bericht später am Tag jedoch als «Fälschung». Sie sagte, es handle sich um «vom Westen verbreitete Desinformation».
In dem Bericht wurde behauptet, das Treffen mit Lawrow habe stattgefunden, als dieser im April an einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York weilte. Zu den besprochenen Themen gehörten dem Bericht zufolge mögliche diplomatische Auswege und das Schicksal der von Russland kontrollierten ukrainischen Gebiete.
Während des gesamten Krieges gab es keine bekannten Gespräche zwischen der Regierung Biden und der russischen Regierung über diese Themen.
Es handelte sich bei den ehemaligen US-Beamten, die sich laut NBC News mit Lawrow trafen, um Richard Haas, ehemaliger US-Diplomat und scheidender Präsident des einflussreichen Council on Foreign Relations (CFR), sowie Charles Kupchan und Charles Graham, beide ebenfalls Mitglieder des CFR.
Gemäss NBC News fanden die Gespräche mit Wissen der Biden-Administration statt, aber nicht auf deren Anweisung hin. Die ehemaligen US-Beamten, die sich mit Lawrow trafen, hätten den Nationalen Sicherheitsrat des Weissen Hauses über die Gespräche informiert.
Auf russischer Seite seien an den Gesprächen neben Lawrow auch Akademiker sowie Mitglieder prominenter Denkfabriken und Forschungseinrichtungen anwesend gewesen. Sie sollen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahestehen. Es sei nicht klar, wie oft solche Gespräche stattgefunden hätten. In mindestens einem Fall sei ein ehemaliger US-Beamter im Rahmen dieser Bemühungen nach Russland gereist, so NBC News.
Die Biden-Administration distanzierte sich in einer Stellungnahme von den berichteten Gesprächen. «Die Regierung Biden hat diese Gespräche nicht gebilligt», sagte ein Sprecher des Aussenministeriums und ergänzte: «Und wie wir wiederholt gesagt haben: Nichts über die Ukraine ohne die Ukraine».
Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, erklärte, das Weisse Haus sei sich der inoffiziellen Gespräche zwischen ehemaligen US-Beamten und Russen bewusst. Er machte jedoch klar:
«(...), dass diese Gespräche nicht von uns gefördert oder angeregt wurden und wir sie in keiner Weise aktiv unterstützt haben.»
Etwa zu der Zeit, als sich Haas und Kupchan mit Lawrow getroffen haben sollen, verfassten sie gemeinsam einen Artikel in Foreign Affairs. Das Blatt wird vom CFR herausgegeben. Der Beitrag trug den Titel: «The West Needs a New Strategy in Ukraine» (dt. «Der Westen braucht in der Ukraine eine neue Strategie»). Sie plädieren dort dafür, dass die Rückeroberung des gesamten Donbass und der Krim durch die Ukraine kein Ziel der USA sein müsse:
«Die Aufrechterhaltung der Existenz der Ukraine als souveräne und sichere Demokratie ist eine Priorität, aber das Erreichen dieses Ziels erfordert nicht, dass das Land in naher Zukunft die vollständige Kontrolle über die Krim und den Donbass zurückgewinnt.»
Haas und Kupchan sagten voraus, dass der Krieg in der Ukraine nach der ukrainischen Gegenoffensive wahrscheinlich in einer Pattsituation münden werde. Auch forderten sie neutrale Organisationen zur Überwachung eines Waffenstillstands auf.
Gemäss AntiWar.com gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine Anzeichen dafür, dass die Regierung Biden in nächster Zeit auf einen Waffenstillstand drängen werde. Das Portal weist darauf hin, dass sich Aussenminister Antony Blinken, der seit dem Einmarsch Russlands nur zweimal mit Lawrow gesprochen hat, Anfang Juni ausdrücklich gegen eine Kampfpause aussprach. Ausserdem verunglimpfte er andere Länder, die zum Frieden aufriefen.
Die Ukrainer ihrerseits beharren darauf, dass ein Waffenstillstand und Friedensgespräche erst dann möglich wären, wenn die Russen aus allen von ihnen kontrollierten Gebieten, einschliesslich der Krim, vertrieben worden seien.
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