Diesem Artikel liegt eine Präsentation zugrunde, die der Autor am 15. August an einem Symposium zum 80. Jahrestag der Befreiung Koreas von der japanischen Besatzung in Seoul gehalten hat. Von Peter König (die deutsche Übersetzung stammt von der Redaktion).
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Heute feiern wir den 80. Jahrestag der Befreiung von 35 Jahren japanischer Kolonialherrschaft über Korea, die am 15. August 1945 mit der Kapitulation Japans nach dem Zweiten Weltkrieg endete.
Korea hat in den vergangenen über 125 Jahren fast ununterbrochen Unterdrückung, Kolonialisierung und Abhängigkeit erlebt – bis heute. Es ist höchste Zeit, dass jede Form von Kolonialisierung ein Ende findet und Korea endlich ein wohlhabendes, souveränes, unabhängiges Land in einer multipolaren Welt wird – ohne jegliche Bedingungen. Dies muss der Weg nach vorne für Korea sein – selbst wenn es heute wie ein Traum erscheinen mag: Ein vereinigtes, neutrales, demokratisches Korea mit Nord- und Südkorea zusammen, so wie es bis zum 15. August 1948 der Fall war.
Neutralität ist der Schlüssel. Neutralität ist die Voraussetzung – wenn nicht Bedingung – für dauerhaften Frieden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg teilten die Supermächte Vereinigte Staaten und die damalige Sowjetunion das Land in Süd und Nord – in die Republik Korea südlich des 38. Breitengrads, kontrolliert von den Vereinigten Staaten – und nördlich des 38. Breitengrads in die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK), am 9. September 1948, unter Kontrolle der damaligen Sowjetunion.
Die Geschichte Koreas ist etwa 5000 Jahre alt, vieles davon verlief parallel zur historischen Entwicklung Chinas.
Um das heutige Südkorea im Kontext zu verstehen, muss man seine Geschichte der Unterdrückung kennen, bevor diese willkürliche Teilung eines ehemals souveränen koreanischen Staates erfolgte.
Japan galt in der zweiten Hälfte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts als östliche Ordnungsmacht. Während des Zweiten Japanisch-Chinesischen Kriegs und des Zweiten Weltkriegs kontrollierte Japan von 1931 bis 1945 Teile Chinas, die Mandschurei (umfasst den Norden des heutigen China und Teile des russischen Fernen Ostens) sowie Teile des chinesischen Festlands. Diese Herrschaft endete ebenfalls mit Japans Kapitulation im Jahr 1945 am Ende des Zweiten Weltkriegs.
Im späteren 19. und frühen 20. Jahrhundert verstärkte Japan stetig seinen Einfluss über Korea, insbesondere nach dem Sieg im Russisch-Japanischen Krieg (1904–1905). Dies führte zu einem schrittweisen Verlust der koreanischen Souveränität.
Infolge des Taft-Katsura-Abkommens von 1905 zwang Japan Korea zur Unterzeichnung eines sogenannten Protektoratsvertrags, der Korea unter japanische Kontrolle stellte.
Zur Erinnerung: William Howard Taft, US-Kriegsminister, und Premierminister Taro Katsura von Japan führten Gespräche, die zu einer geheimen Verständigung führten. – Das Taft-Katsura-Abkommen, auch Taft-Katsura-Memorandum genannt, entsprang einer Diskussion zwischen den Vereinigten Staaten und Japan im Jahr 1905 über ihre jeweiligen Interessen in Ostasien, insbesondere in Bezug auf Korea und die Philippinen. Obwohl kein offizieller Vertrag, erkannte es Japans Souveränität über Korea und die Kontrolle der USA über die Philippinen an.
Im Wesentlichen wurde also Japans Vorherrschaft über Korea anerkannt – das 1910 formell annektiert wurde – im Austausch dafür, dass die USA die Philippinen behielten.
Japan annektierte Korea durch den Japan-Korea-Annexionsvertrag, der am 22. August 1910 unterzeichnet wurde. Dieser Vertrag kam durch Druck und Manipulation zustande. Japanische Beamte bedrohten den koreanischen Kaiser und manipulierten pro-japanische koreanische Offizielle zur Unterzeichnung.
Der Vertrag wurde im August 1910 verkündet. Am 29. August 1910 wurde er öffentlich bekannt gemacht und formalisierte die japanische Herrschaft über Korea. In den Jahren zuvor hatte Japan zunehmend politischen und militärischen Einfluss über Korea ausgeübt, was die koreanische Unabhängigkeit und Souveränität effektiv beendete. Der Vertrag verfügte die «vollständige und dauerhafte Abtretung aller souveränen Rechte über das gesamte Korea an Seine Majestät den Kaiser von Japan».
Als das japanische Imperium nach dem Zweiten Weltkrieg zusammenbrach, wurde Korea nicht einfach unabhängig, wie es hätte sein sollen. Stattdessen wurde Korea von den beiden verbliebenen Supermächten – den USA und der Sowjetunion – geteilt. Der Vorschlag zur Teilung Koreas kam von den USA, und die Sowjets stimmten zu – die Teilungslinie war der 38. Breitengrad. Und diese Teilung besteht bis heute.
Doch das war nicht der ursprüngliche Plan. Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten sich die Alliierten darauf verständigt, dass die Teilung nur vorübergehend sei und Korea unter internationale Treuhandschaft gestellt würde, bis das koreanische Volk als bereit zur Selbstverwaltung erachtet würde.
Was ist eine internationale Treuhandschaft? Und wer entscheidet, ob ein Land zur Selbstverwaltung bereit ist?
Das internationale Treuhandschaftssystem, 1945 von der UNO geschaffen, war ein System zur Verwaltung und Beaufsichtigung von Gebieten, die noch nicht selbstverwaltet waren – oft ehemalige Mandate des Völkerbundes oder Gebiete von besiegten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg. Ziel war es, diese Gebiete auf Selbstregierung oder Unabhängigkeit vorzubereiten. Der Treuhandrat, ein Organ der UNO, war für die Überwachung zuständig.
Das Fehlerhafte an dieser Entscheidung war von Anfang an offensichtlich: Wer entscheidet über die Fähigkeit eines Landes und seiner Bevölkerung zur Selbstregierung? Die Vereinten Nationen?
Am 24. Oktober 1945 trat die Charta der Vereinten Nationen in Kraft, was die Gründung der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) markiert. Sie wurde mit 51 Mitgliedsstaaten gegründet – fast alle mit pro-westlicher, also pro-amerikanischer Haltung.
Also entscheiden die USA, wann ein Land zur Selbstverwaltung bereit ist? – Leider ist das auch heute noch so, mit 193 UN-Mitgliedsstaaten. Die UNO wird vollständig von Washington dominiert.
Im Dezember 1945 entschied die Moskauer Konferenz der Außenminister, Koreas Treuhandschaft unter die Kontrolle der vier Mächte – USA, Sowjetunion, Vereinigtes Königreich und China – zu stellen. Es wurde beschlossen, dass eine Viermächte-Treuhandschaft von bis zu fünf Jahren erforderlich sei, bevor Korea die Unabhängigkeit erreichen würde.
Sowohl die politische Linke als auch die Rechte in Korea lehnten diesen Plan ab, da sie befürchteten, er würde Korea zu einem Vasallen der vier Mächte machen.
Jedoch bekannte sich Anfang Januar 1946 Koreas kommunistische Partei zum Plan der Treuhandschaft, da sie sich der Sowjetunion und China näher fühlte als den beiden westlichen Partnern USA und Großbritannien.
Der Rückzug der Linken aus der anti-treuhänderischen Bewegung führte zu einer verschärften Konfrontation zwischen links und rechts, die schließlich zum Koreakrieg im Jahr 1950 führte. Der Koreakrieg war ein bewaffneter Konflikt auf der koreanischen Halbinsel, in dem der kommunistische Norden – unterstützt von der Sowjetunion und China – gegen den Süden kämpfte, der von den USA sowie den Vereinten Nationen unterstützt wurde.
Die UNO war damals mit nur 51 Mitgliedern stark vom Westen – also den USA – dominiert, wie auch heute mit 193 Mitgliedern. Die USA konnten und wollten nicht zulassen, dass ihr östlichster Verbündeter, Korea, unter kommunistischen Einfluss von Russland und China fällt.
Washington führte somit einen der blutigsten und tödlichsten Kriege der neueren Geschichte – den Koreakrieg (1950–1953) –, bei dem etwa 4 Millionen Menschen starben, die Hälfte davon Zivilisten – etwa 13 % der damaligen koreanischen Gesamtbevölkerung von ca. 31 Millionen im Jahr 1950. Korea wurde vollständig zerstört.
Auf Vorschlag Washingtons wurde Korea am 38. Breitengrad in Nord und Süd geteilt. Bis heute existiert nur ein Waffenstillstand, aber kein Friedensvertrag zwischen Nord- und Südkorea.
Heute beherbergt Südkorea eine der größten US-Militärbasen (außer Okinawa) im Pazifikraum – vermutlich mit einer unbestimmten Anzahl an Atomsprengköpfen.
Warum ist dieser komplexe Hintergrund wichtig? Weil man nur verstehen kann, was das koreanische Volk in den letzten über 125 Jahren durchlebt hat, wenn man die Geschichte kennt – ein geteiltes Land, das immer noch nicht frei ist. Wer in eine bessere Zukunft blicken will, muss die Vergangenheit kennen.
Oder, wie das Sprichwort sagt: «Man muss wissen, woher man kommt, um zu verstehen, wohin man geht».
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Peter König ist geopolitischer Analyst, regelmäßiger Autor für Global Research und ehemaliger Ökonom bei der Weltbank sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wo er über 30 Jahre lang weltweit tätig war.
Er ist Autor des Buches «Implosion», in wirtschaftlicher Thriller über Krieg, Umweltzerstörung und die Gier der Konzerne, und Mitautor von Cynthia McKinneys Buch «When China Sneezes: From the Coronavirus Lockdown to the Global Politico-Economic Crisis» (Clarity Press – 1. November 2020).
Peter König ist auch wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centre for Research on Globalization (CRG) und Vorstandsmitglied der Bewegung für Neutralität. Außerdem ist er nichtständiger Senior Fellow am Chongyang Institute der Renmin-Universität in Peking.