Am 7. März 2021 haben 64 Prozent der Schweizer Stimmbürger das E-ID-Gesetz abgelehnt – ein deutliches Votum gegen die Privatisierung digitaler Identität, mangelhaften Datenschutz und den fraglichen Nutzen. Doch nun, keine vier Jahre später, versucht Bundesbern es erneut – mit einem leicht überarbeiteten Gesetz, aber (fast) denselben grundlegenden Problemen. Das ist undemokratisch und gefährlich.
Die neue E-ID wird nicht wirklich freiwillig sein. Das Gesetz erlaubt Zusatzgebühren für Menschen, die Behördengänge weiterhin analog erledigen möchten. Wer kein Smartphone besitzt – sei es aus Überzeugung, finanziellen Gründen oder aufgrund seines Alters – wird benachteiligt. Das verletzt das Recht auf ein analoges Leben und führt zur schleichenden digitalen Zwangsbeglückung.
Hinzu kommen erhebliche Datenschutzprobleme. Mit jeder Nutzung der E-ID fallen personenbezogene Daten an – darunter Namen, Geburtsdatum, AHV-Nummer oder sogar biometrische Gesichtsbilder. Diese Informationen sollen über private Anbieter verwaltet werden – ein Einfallstor für Hacker, Datenlecks und kommerzielle Auswertung. Schon heute warnen IT-Sicherheitsexperten vor der Sammelwut und den unzureichenden Schutzmaßnahmen.
Auch die Versprechen des Staates überzeugen nicht. Die E-ID wird als Schlüssel zu sicheren Online-Diensten verkauft. Doch solche Logins existieren längst: AGOV und andere verifizierte Plattformen bieten Zwei-Faktor-Authentifizierung und mehr Schutz als die geplante E-ID – und das ganz ohne Überwachungsrisiko. Die E-ID ist also gar nicht notwendig.
Es dürfte also um etwas anderes gehen: Bereits wird über die verpflichtende E-ID für Social Media und die Altersverifikation beim Informationszugang diskutiert. Damit droht ein System, in dem nur noch der informiert ist, der sich elektronisch ausweist – ein Schritt Richtung digitaler Kontrolle und Meinungslenkung.
Die Infrastruktur, die mit der E-ID geschaffen wird, kann langfristig zur Basis für ein Sozialkreditsystem werden – vergleichbar mit China. Auch wenn dies nicht geplant ist: Gesetze lassen sich anpassen. Wer heute schweigt, öffnet morgen Türen, die sich nie wieder schließen lassen.
Am 28. September geht es nicht um Technik oder Komfort – sondern um unsere Freiheit, unsere Privatsphäre und die Integrität unserer Demokratie. Die jüngste Tamedia-Umfrage weist beim E-ID-Gesetz auf einen zur Zeit relativ geringen Vorsprung der Befürworter hin. Das zeigt: Wenn es gelingt, in den kommenden Wochen zu mobilisieren, kann das Blatt gewendet und die Vorlage abgelehnt werden. Und dann muss vom Bundesrat, der Schweizer Landesregierung, verlangt werden, dass es keine dritte Auflage gibt.
Wir haben schon hier, hier und hier über diese Vorlage berichtet.