In Deutschland ist weiterhin gut ein Fünftel der Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Nach einer Mitteilung des Statistischen Bundesamts (Destatis) vom Mittwoch sind davon rund 17,6 Millionen Menschen oder 20,9 Prozent der Bevölkerung betroffen.
Destatis veröffentlichte die Daten anhand von Erstergebnissen der Europäischen Vergleichsstatistik zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC). Die aktuelle Erhebung stammt aus dem Jahr 2024 und bezieht sich wie üblich auf die Situation des Vorjahres, also auf 2023. Der Anteil der von Armut bedrohten Bevölkerung habe sich in den vorangegangenen Jahren kaum verändert, lesen wir in der Pressemitteilung – die Tatsache ist also nicht neu.
Als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht gilt eine Person in der Europäischen Union, wenn mindestens eine der folgenden Bedingungen zutrifft:
- Ihr Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze
- Ihr Haushalt ist von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen
- Sie lebt in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung
Armutsgefährdet oder einkommensarm waren demnach zuletzt 13,1 Millionen Menschen in Deutschland oder 15,5 Prozent der Bevölkerung. Das bedeutet per EU-Definition, dass diese Menschen über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Äquivalenzeinkommen) verfügen. Laut Destatis lag dieser Schwellenwert beispielsweise für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 1378 Euro netto im Monat.
Von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen waren 2023 fünf Millionen Menschen in Deutschland oder sechs Prozent der Bevölkerung. Das heißt, dass ihre Lebensbedingungen aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln deutlich eingeschränkt waren. Die Betroffenen waren zum Beispiel nicht in der Lage, ihre Miete rechtzeitig zu bezahlen, alte Möbel zu ersetzen oder sich einmal im Monat mit Freunden zu treffen, um gemeinsam etwas zu trinken oder zu essen.
In Haushalten mit sehr niedriger Erwerbsbeteiligung lebten laut EU-SILC 6,2 Millionen Menschen in Deutschland oder 9,8 Prozent. Das bedeutet, die Haushaltsmitglieder waren insgesamt sehr wenig oder gar nicht in den Arbeitsmarkt eingebunden.
Ein Vergleich der Ergebnisse ab 2020 mit den Vorjahren sei übrigens nicht möglich, schreibt Destatis in den methodischen Hinweisen zu seiner Veröffentlichung. Der Grund seien umfangreiche methodische Änderungen im Erhebungsjahr 2020. Verstärkt werde dies durch die Folgen der Corona-«Pandemie».
Zum Thema «Armut in Deutschland» ist kürzlich auch der sogenannte «Schattenbericht» der Nationalen Armutskonferenz (nak) erschienen. Obwohl sich dieser auf die Situation im Bezugsjahr 2022 bezieht, also ein Jahr vorher, stellt sich die Datenlage in der Tat sehr ähnlich dar. Die 1991 gegründete nak ist nach eigenen Angaben ein Bündnis von Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sich für eine aktive Politik der Armutsbekämpfung einsetzen.
Dass eines der dringlichsten Probleme unserer Gesellschaft im aktuellen Wahlkampf überhaupt nicht vorkomme, darüber wunderte sich der Freitag, der auch über den Armutsbericht informierte. Dabei biete der Report sogar Lösungsansätze, wie die Politik Armut effektiv bekämpfen könne, da auch Stimmen von Betroffenen zu Wort kommen. Dass Armutsbekämpfung in Deutschland keine Priorität habe, sei ein Skandal.
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