«Ich bin des Königs getreuer Untertan – aber Gottes Untertan zuerst.»
Thomas Morus
Liebe Leserinnen und Leser
1915, während des Ersten Weltkriegs, fand in Zimmerwald in der Nähe von Bern die gleichnamige Konferenz statt. Das Treffen wurde vom Schweizer Sozialdemokraten Robert Grimm mit dem Ziel organisiert, die Sozialistische Internationale neu zu organisieren.
Mit dabei: der damals in der Schweiz wohnhafte Lenin – und meine Urgroßtante Martha. Zum Abschied schenkte Lenin Martha ein schmales Büchlein, das er ihr widmete und das sich bis heute in meiner Bibliothek befindet: «Utopia» von Thomas Morus.
Das Buch beschreibt einen Stadtstaat, in dem eine Art Kommunismus herrscht: Die Interessen des Einzelnen sind denen der Gemeinschaft untergeordnet. Jedermann ist zu gemeinschaftlicher Arbeit und Bildung verpflichtet und genießt religiöse Toleranz. Grund und Boden sind gemeinsamer Besitz. Lenin hat sich wohl vor allem das zum Vorbild genommen, wenn man auf seine spätere Tätigkeit abstellt.
Die Zeit, in der das Buch entstand, ist die Zeit der Renaissance, eine Zeit der «Wiedergeburt», eine Epoche des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit, geprägt von einer Wiederentdeckung von Kunst, Kultur, des Wissens der Antike und einer Wertschätzung für den Menschen und seine Fähigkeiten.
Das ist es, was Leben und Werk von Thomas Morus (oder More) ausmacht. Am 6. Juli 1535 steigt er mit einem Lächeln aufs Schafott. Noch fünf Jahre zuvor war er der zweitmächtigste Mann im Königreich.
Thomas Morus ist kein gewöhnlicher Mensch. Er gilt als der bedeutendste Humanist Englands und war Jurist, Gelehrter und enger Freund von Erasmus. Er war auch Lordkanzler unter Heinrich VIII.
Im Jahr 1532, zwei Jahre nachdem der König beschlossen hatte, sich von Katharina von Aragon zu scheiden und Anne Boleyn zu heiraten, trat Morus zurück. Er predigte nicht gegen den König. Er rief das Volk nicht zur Rebellion auf. Er tat nichts – außer zu schweigen. Doch in einem Königreich, in dem der Monarch nicht nur Gehorsam, sondern auch öffentliche Zustimmung verlangt, ist Schweigen Schuld.
1534 wurde der König zum «einzigen obersten Oberhaupt der Kirche von England» erklärt. Alle Amtsträger müssen einen Treueeid auf diesen neuen Titel leisten. Morus lehnte ab. Er lügte nicht, er beschuldigte niemanden. Er erklärte lediglich, dass sein Gewissen es ihm nicht erlaube.
Am 1. Juli 1535 wurde ihm der Prozess gemacht. Als der Ankläger ihn zum Reden drängte, sagte Morus das, was im Eingangszitat steht. Das Urteil war vorhersehbar: Hochverrat, Tod.
Als Thomas Morus die Stufen des Schafotts auf dem Tower Hill bestieg, scherzte er mit dem Henker – er sagte, er wolle die Stufen selbst hinaufsteigen, «aber beim Hinuntergehen werde er Hilfe brauchen». Er legte den Kopf auf den Block, sprach seine letzten Worte und der Henker ließ die Axt fallen. Thomas Morus hat nicht mitgemacht.
Er ist bis heute das Symbol für Gewissen, moralische Unabhängigkeit und toleranten, religiösen Glauben. Warum erzähle ich diese Geschichte? Weil es gerade diese Werte sind, die heute in Europa akut gefährdet sind. Beispiele gefällig? Wir berichteten über eine Datingplattform in Großbritannien, die jungfräuliche Bräute an polygame Moslems vermittelt. Die Plattform bietet auch Ratschläge zur Züchtigung ungehorsamer Ehefrauen. Gegenreaktionen gibt es, aber sie sind vergleichsweise milde und die Plattform ist bis dato immer noch online.
Wer allerdings kritisch über die staatlichen Machenschaften in der Coronazeit berichtet, muss mit ständigen Angriffen aus den Tiefen des Netzes rechnen. Wohl auch deshalb waren wir diese Woche wieder einige Stunden offline. Gegen diese Angriffe tun wir mit unseren beschränkten Mitteln, was wir können, und bitten Sie jeweils um Geduld.
Es sei in diesem Zusammenhang nochmals auf den Artikel meines Kollegen Torsten Engelbrecht hingewiesen. Er zeigt eindrücklich, wie die in Deutschland von der SPD für das Verfassungsgericht vorgeschlagene Frauke Brosius-Gersdorf in der Coronazeit vorgeschlagen hatte, dass der Staat Ungeimpften die Freiheitsrechte nicht so rasch «zurückgewähren» müsse. Der eigentliche Skandal ist, dass diese Haltung, die ein Nichtmitmachen wie es Morus vorgelebt hat, nicht mehr akzeptiert, nicht stärker thematisiert wird.
Bleiben Sie uns, geneigte Leserin, geneigter Leser, gewogen, beanspruchen Sie Ihr Recht, zu schweigen, und machen Sie nicht mit!
Daniel Funk
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