«Einen realistischen Ansatz» für den Krieg in der Ukraine zu verfolgen, das fordert der pensionierte Oberst der Bundeswehr Wolfgang Richter von der Europäischen Union (EU). Er erklärte das bei einer Veranstaltung zur Lage in der Ukraine am Dienstag im Europäischen Parlament in Brüssel.
Laut einer Pressemitteilung der Abgeordneten Michael von der Schulenburg (Deutschland/BSW) und Ondrej Dostal (Tschechien/fraktionslos) vom selben Tag sagte Richter:
«Die Europäer werden sich entscheiden müssen, ob sie weiterhin eine erfolglose Strategie unterstützen wollen, wahrscheinlich in Konfrontation zu Trumps Ansatz, oder ob sie sich für Verhandlungen einsetzen, ihre Interessen einbringen und so ihr internationales Gewicht stärken wollen.»
Die beiden Abgeordneten hatten die Veranstaltung gemeinsam mit dem italienischen EU-Parlamentarier Danilo Della Valle (5 Stelle) organisiert.
Richter ist ein renommierter Militär- und Sicherheitsanalytiker, der sich während seiner Tätigkeit im NATO-Hauptquartier Europa und im deutschen Verteidigungsministerium mit Verteidigungsplanung, Nuklearstrategie sowie Rüstungskontrolle und -verifikation befasste. Später war er Leiter des militärischen Anteils der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der OSZE und arbeitete unter anderem für die regierungsfinanzierte deutsche Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Gegenwärtig ist er als Associate Fellow beim Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP) tätig.
Der Pressemitteilung zufolge erklärte der Militär- und Sicherheitsexperte, die europäische Sicherheitsordnung und das strategische nukleare Gleichgewicht zwischen den Vereinigten Staaten und Russland stünden auf dem Spiel. Dies seien existenzielle Fragen. Kiew sei allein nicht in der Lage, diese Fragen zu lösen, betonte Richter demnach.
Er sprach sich deshalb für einen Dialog zwischen Washington, Moskau und den europäischen Hauptstädten aus. Die EU sollte in der Lage sein, den Prozess zu moderieren und zu gestalten, um umfassendere Sicherheitsfragen zu klären, anstatt sich einem Dialog zu verweigern. Zu diesem Zweck müsse ein realistischer Ansatz verfolgt werden.
Petr Drulak, ehemaliger stellvertretender Außenminister der Tschechischen Republik und früherer tschechischer Botschafter in Frankreich, sagte bei der gleichen Veranstaltung:
«Drei Jahre nach Beginn des Krieges in der Ukraine lassen seine Auswirkungen klare Gewinner und Verlierer erkennen.»
Die Ukraine verliere in jeder Hinsicht am meisten, während China und Indien eindeutig die Nutznießer seien. Auch wenn die Vereinigten Staaten kurzfristig die Oberhand haben mögen, so der ehemalige Diplomat, würden auf lange Sicht wahrscheinlich die Interessen Russlands begünstigt werden. Er warnte vor «schwerwiegenden langfristigen Schäden für die europäischen Volkswirtschaften sowie einem umfassenden Verlust an Souveränität» für die EU.
Hennadiy Maksak von der ukrainischen Denkfabrik Foreign Policy Council «Ukrainian Prism» nahm ebenfalls an der Veranstaltung teil. Er betonte dabei:
«Wir möchten, dass der Krieg ein Ende hat und dass es klare Sicherheitsgarantien gibt. Wir möchten einen Waffenstillstand und Frieden, aber er sollte gerecht, nachhaltig und von Dauer sein.»
Der ehemalige hochrangige UN-Diplomat von der Schulenburg selbst bezeichnete es in Brüssel laut der Pressemitteilung als sehr wichtig für die Ukraine und auch für ganz Europa, den Dialog fortsetzen zu können, «insbesondere jetzt, da die Friedensgespräche beginnen». Dostal, tschechischer Rechtsanwalt und Politiker, erklärte demnach:
«Als gewählte Vertreter dürfen wir uns nicht vor schwierigen Fragen zur europäischen Politik im Ukraine-Krieg drücken.»
Es sei die Pflicht der EU-Politiker, gegenüber den Wählern und den einfachen Menschen in der Ukraine, klar und nüchtern zu sein. Dialog sei notwendig, «um einen friedlichen, rationalen Ausweg aus dieser Sackgasse zu finden und einen Weg zurück zum Wohlstand für alle unsere Gesellschaften zu finden».
Der BSW-Abgeordnete im EU-Parlament Fabio di Masi bezeichnete auf der Plattform X die Veranstaltung als «Zeichen der Hoffnung». Und fügte hinzu:
«Wir sind der festen Überzeugung, das die in Debatten diskreditierte Entspannungspolitik und der wechselseitigen Sicherheitsgarantien die Souveränität der Ukraine besser gewahrt hätte. Doch nun gilt es den Blick auf die schwere Aufgabe eines baldigen Endes des Tötens zu richten!»
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