Europäische Länder haben der Ukraine inzwischen doppelt so viel finanzielle Unterstützung wie die USA zugesagt. So kommen insgesamt 156 Milliarden Euro gegenüber 70 Milliarden der USA zusammen, wie das Institut für Weltwirtschaft (IfW) Kiel kürzlich berichtete.
Ein Hauptgrund dafür ist laut IfW die neue «Ukraine-Fazilität» der Europäischen Union (EU) über 50 Milliarden Euro. Aber auch andere europäische Länder hätten ihre Unterstützung mit neuen mehrjährigen Paketen aufgestockt.
«Zum ersten Mal seit Beginn des Krieges hinken die USA nun klar hinterher», heisst es. Das sei eines der Ergebnisse der jüngsten Aktualisierung des «Ukraine Support Trackers» des Kieler Instituts.
Im Sommer hatte die EU ein neues mehrjähriges Unterstützungspakets in Höhe von 50 Milliarden Euro angekündigt. Dieses soll zwischen 2023 und 2027 bereitgestellt werden. Das bedeutet laut IfW eine Verdopplung der Zusagen der EU an die Ukraine.
Das Institut verweist auf neue mehrjährige Zusagen einzelner europäischer Länder, wie etwa das vierjährige militärische Unterstützungspaket Deutschlands im Wert von 10,5 Milliarden Euro bis 2027 und Norwegens «Nansen-Unterstützungsprogramm» im Wert von 6,6 Milliarden Euro über fünf Jahre. Weitere Pakete mit mehrjähriger Laufzeit hätten Dänemark, Grossbritannien, die Schweiz, Schweden, Portugal und Litauen zugesagt.
Christoph Trebesch vom IfW findet es laut Pressemitteilung «bemerkenswert, wie schnell Europa zu einem dauerhaften, mehrjährigen Unterstützungsprogramm für die Ukraine übergegangen ist. Im Vergleich dazu hinken die USA nun deutlich hinterher, da sie in den letzten Monaten keine nennenswerten neuen Zusagen gemacht haben.»
Bei den zugesagten Hilfsleistungen handelt es sich vor allem um Lieferungen von Waffen und militärischer Ausrüstung. Trebesch fügte hinzu:
«Trotz der vielversprechenden neuen Zusagen bleibt abzuwarten, wie viel tatsächlich geliefert wird und wann.»
Bisher seien die europäischen Geber «oft langsam mit ihren Lieferungen» gewesen, beklagte der IfW-Experte. Der freie EU-Korrespondent Eric Bonse macht in seinem Blog Lost in Europe darauf aufmerksam, die USA würden trotz des Rückstandes weiter den Kurs vorgeben. So habe US-Aussenminister Antony Blinken bei seinem jüngsten Besuch in Kiew unter anderem die Lieferung von Uranmunition zugesagt.
Was mit den Hilfsgeldern an die Ukraine passiert, scheint nur unzureichend kontrolliert zu werden und bekannt zu sein. So hatte unter anderem Andreas Schwarz vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung «Olaf» («Office européen de lutte antifraude») im Mai in einem Interview darauf hingewiesen, europäische Hilfsgelder könnten im ukrainischen Korruptionssumpf «verwendet und verschwendet werden».
«Man kann die Sache nicht schönreden», wurde der EU-Ermittler zitiert. «Das ganze Geld hilft natürlich nur, wenn es wirklich für neue Strassen, Schulen und Krankenhäuser ausgegeben wird», so Schwarz.
Zudem kommen Berichten zufolge die zugesagten Hilfsgelder gar nicht erst in der Ukraine an, weil sie in den Kassen westlicher Konzerne landen. Nur ein Bruchteil der finanziellen Unterstützung sei wirklich für das ukrainische Budget vorgesehen, so ein Beitrag des Portals EuroBRICS von August.
Das «Bemerkenswerteste» sei, «dass der überwiegende Grossteil auch der in diesem Rahmen eingeplanten Finanzmittel in die eigenen Rüstungsindustrien fliesst, die dadurch ihre Produktion sowie den Export ausweiten können und so zum Teil Rekordgewinne erzielen». Nach US-Angaben seien nur 20 Prozent der als «Haushaltshilfe» für die Ukraine eingeplanten US-Gelder dem Krisenland auch übergeben worden. Mehr als die Hälfte sei in den USA geblieben, «weil mit diesem Geld unter anderem die eigenen Ausgaben beglichen wurden».
Zudem gibt es Hinweise, dass Kiew mit den europäischen Hilfsgeldern auch die Waffenlieferungen aus den USA bezahlt. Darauf hatte im Januar dieses Jahres der Journalist Gabor Steingart aufmerksam gemacht.