Bei der Diskussion um die Energieversorgung in diesem Winter blicken alle nach Europa (wir berichteten), kaum einer auf Länder wie Bangladesch, Indien oder Pakistan. Doch der massive Stromausfall in Bangladesch war das jüngste Beispiel für die Folgen der europäischen Suche nach Gas.
Bangladesch hat am 4. Oktober den schlimmsten Stromausfall seit 2014 erlebt. Darüber berichtet das Medienportal Quartz. Vier Fünftel des Landes waren ab 14 Uhr Ortszeit davon betroffen gewesen, erklärte der Beamte des Bangladesh Power Development Board, Shameem Hasan, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Der Verkehr sei zum Erliegen gekommen, Ladenbesitzer hätten versucht, mit Taschenlampen zu arbeiten, und die Menschen seien zu Tankstellen geströmt, um Diesel für den Betrieb von Generatoren zu erhalten.
«Die Stromausfälle vom Dienstag ereigneten sich, nachdem eine Übertragungsleitung überlastet war, was einen Kaskadeneffekt auf andere Leitungen auslöste», sagte Yeakub Elahi Chowdhury, Geschäftsführer der Power Grid Co. of Bangladesh, gegenüber dem Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg. «Wir sind sofort in einen Schutzmodus übergegangen, um zu verhindern, dass grössere Probleme entstehen.» Es dauerte sieben Stunden, bis die Versorgung vollständig wiederhergestellt war.
Angesichts der hohen Weltmarktpreise für Brennstoffe hat Bangladesch nach Angaben von Quartz in den letzten Monaten häufig den Strom abgeschaltet, um die Versorgung zu rationieren. Zu den extremen Massnahmen gehörten die Schliessung der Schulen an einem zusätzlichen Tag pro Woche und kürzere Arbeitstage in Behörden und Banken. Dies gehe nicht nur auf Kosten von Bangladesch, sondern beeinträchtige auch weitere Entwicklungsländer.
Indien kämpft mit der schlimmsten Stromkrise seit sechs Jahren und hat zugleich Schwierigkeiten, auf den internationalen Märkten Lieferanten zu finden. Auch Sri Lanka und Bangladesch haben Probleme, Gas zu kaufen, da der Mangel in der EU die Preise in die Höhe treibt. Vor mehr als einem Jahrzehnt habe Pakistan Verträge mit ausländischen Flüssiggaslieferanten in Italien und Katar abgeschlossen, um sich gegen Preisschwankungen abzusichern. Diese Verträge hatten lange Laufzeiten. Doch dem Medienportal zufolge beliefern diese Firmen nun weiterhin die lukrativen europäischen Märkte, während sie Pakistan gegenüber säumig sind.
«Die Regierung verklagte sogar den italienischen Energiekonzern Eni und den Schweizer Rohstoffhändler Gunvor auf 40 Milliarden Dollar Schadensersatz. Dennoch gelingt es dem Land nicht, Angebote für Flüssiggas einzuholen, weil die Produzenten zu viele Verpflichtungen gegenüber europäischen Ländern sowie China und Japan eingegangen sind. Diese gehören zu den reicheren Ländern, die höhere Preise zahlen können. Gleichzeitig müssen Millionen von Bürgern weiterhin mehr als zwölf Stunden am Tag ohne Strom leben.»
Wie Quartz weiter berichtet, werden in Pakistan die Auswirkungen der Stromausfälle auf die Wirtschaft in verschiedenen Sektoren zu spüren sein. Dort werde es immer schwieriger, Dünger für die Viehzucht zu produzieren. Dies wiederum treibe die Lebensmittelpreise in die Höhe. Schon vor Ausbruch des Krieges seien Gaslieferungen, die ursprünglich für Asien bestimmt gewesen seien, nach Europa umgeleitet worden. Durch den Ukraine-Krieg sei das Angebot nun knapp. Die reicheren europäischen Länder bekommen Quartz zufolge alle Gaslieferungen, die zu haben sind
Das Portal weist darauf hin, dass die europäischen Käufer vor dem anstehenden Winter versuchen werden, noch mehr flüssiges Erdgas zu kaufen. In Pakistan gebe es inzwischen nicht mehr genügend Treibstoff für die Notstromgeneratoren der Mobilfunktürme. Diese sind bei Stromausfällen im Einsatz, um das Mobilfunknetz intakt zu halten.
Für Entwicklungsländer, die schon immer mit der Energieversorgung und -verteilung zu kämpfen hatten, klingt diese Praxis nur allzu vertraut: Um Ressourcen zu sparen und gleichzeitig die Stromnetze zu schützen, schalten die Behörden oft für einige Zeit und mit Vorwarnung den Strom für bestimmte Haushalte ab. In Indien nennt man dieses Kappen des Stroms «Lastabwurf».
Kommentare