Ende 2023 hat die US-Medikamentenzulassungsbehörde FDA gewissermaßen klammheimlich eine brisante Verordnung eingeführt. Brisant deswegen, weil sie «möglicherweise eine der wichtigsten Veränderungen in der Art und Weise darstellt, wie gemeinnützige und gewinnorientierte US-Institutionen im In- und Ausland in Zukunft medizinische und gesundheitspolitische Forschung betreiben».
Das schreibt das Nachrichtenmagazin Newsweek in einem Meinungskommentar. Darin heißt es weiter:
«Sie stellt eine Aushöhlung der persönlichen medizinischen Entscheidungsfreiheit dar und droht, das Vertrauen der Öffentlichkeit in wissenschaftliche Untersuchungen in der Biomedizin zu untergraben.»
So sei ein Grundpfeiler der ethischen Forschungsplanung die allgemeine Forderung nach einer «informierten Zustimmung» zu jedem medizinischen Verfahren, jeder Behandlung oder jedem Eingriff. Forscher müssten demnach möglichen Teilnehmern ohne Druck oder Zwang Informationen zur Verfügung stellen, damit sie entscheiden können, ob sie die Risiken eines Eingriffs oder einer Maßnahme tragen wollen.
Ausnahmeregelungen beschränken sich hier auf Fälle von Menschen, die nicht in der Lage sind zu sprechen, oder auf dringende bzw. lebensbedrohliche Notfälle.
«Diese Maßnahmen wurden seit den Nürnberger Prozessen generell verschärft und durch das System des Institutional Review Board, kurz IRB, in der gesamten US-Regierung formell eingeführt», schreibt Newsweek. «Ein IRB ist ein Ausschuss aus Fachleuten und Verwaltungsmitarbeitern an jeder Einrichtung, der die Forschungsplanung überwacht und den Schutz der Versuchspersonen sicherstellt.»
Und so hätten nun auf der Grundlage vager Richtlinien Tausende von IRB-Ausschüssen die Möglichkeit, einseitig zu entscheiden, dass Forscher keine echte Einwilligung von Forschungsteilnehmern einholen müssen.
Diese neue Befugnis gelte für die IRBs, die angesiedelt seien bei klinischen Forschungsorganisationen, großen und kleinen Universitäten, Pharmaunternehmen und milliardenschweren Konzernen, die IRB-Dienstleistungen für Forschungsgruppen erbringen. Newsweek weiter:
«Da fast alle klinischen Studien außerhalb des Militärs seit 1991 eine informierte Zustimmung erfordern, stellt sich die Frage, für welche Art von Studien diese Verzichtsmöglichkeit gilt.
Logischerweise gilt sie entweder für Studien, bei denen die Zahl der Patienten so groß ist, dass die Forscher sie praktisch nicht alle um Erlaubnis fragen können, oder für Studien, bei denen den Forschern nicht einmal unbedingt alle Teilnehmer bekannt sind.»
Welche Konsequenzen die Regeländerung haben kann, illustriert Newsweek an einem Beispiel:
«Prominente Ärzte haben empfohlen, den Kreis der Patienten stark auszuweiten, die Statine, also Arzneimittel, die zur Senkung von Cholesterin eingesetzt werden, zur Vorbeugung von Herzkrankheiten erhalten. Und einige haben sogar vorgeschlagen, Statine der Wasserversorgung beizufügen, obwohl keine klinische Studie ein solches Vorgehen untersucht hat.
Die neue Regelung macht es wahrscheinlicher, dass ein lokales IRB einer Universität, das Statine als ‹minimales Risiko› einstuft – was die vorherrschende Meinung über sie ist –, eine Studie genehmigen könnte, bei der es unmöglich wäre, die informierte Zustimmung der Wassertrinker in der Region zu erhalten.»
Ein solches Vorgehen wäre auch deswegen sehr bedenklich, weil Statine mit allerlei Nebenwirkungen verbunden sind, darunter muskuläre Beschwerden, Verschlechterung der Glukosetoleranz und Leberfunktionsstörungen.
Newsweek erwähnt in diesem Zusammenhang noch ein Beispiel, das sogar schon Realität geworden ist:
«Die gelockerten Standards könnten die rasche Genehmigung umstrittener Forschungsprojekte erleichtern, die sich zwischen Umwelt- und medizinischen Maßnahmen bewegen. Ein Beispiel ist das von der Gates-Stiftung unterstützte Oxitec-Programm, das derzeit Millionen von genetisch veränderten Moskitos in den Florida Keys freisetzt.
Die FDA hat das Programm nach einem langwierigen Verfahren genehmigt. Trotz jahrelanger Debatten und trotz des Widerstands der örtlichen Bevölkerung sind die Forscher nicht verpflichtet, die Zustimmung der Einheimischen einzuholen.»
Wenn die FDA dies genehmigt, so Newsweek weiter, hätten die lokalen IRBs im ganzen Land sicherlich kein Problem damit, viele solcher Projekte ohne informierte Zustimmung zu genehmigen, wenn Millionen von Forschungsgeldern auf dem Spiel stehen.