Homeoffice als Chance für die Zukunft?
Helmut Scheben auf Infosperber:
«Die Neue Zürcher Zeitung berichtet, bei der Credit Suisse habe es kaum Probleme bei der IT oder im Tagesgeschäft gegeben. Rund 90 Prozent der Credit-Suisse-Mitarbeiter seien in den zurückliegenden Wochen von zu Hause aus tätig gewesen. Auch bei der UBS sei mit Homeoffice alles rund gelaufen. Fazit: «Viele sind offenbar selbst überrascht, wie reibungslos das pandemiebedingte Experiment in Echtzeit geklappt hat.» (NZZ, 4.6.2020)
Hat man richtig gelesen? «Experiment in Echtzeit»? Es gehört ein wenig Mut dazu, diesen Begriff zu verwenden. Denn genau das ist es, was Kritiker der Corona-Lockdown-Politik einem weltweit vernetzten Polit-Establishment vorwerfen. Man habe das Virus als Vorwand für ein Feldexperiment benutzt, um zu sehen, wie sich die Bevölkerung im Falle eines Falles verhalten wird. Hypothesen dieser Art wurden von Behörden und Medien – kaum überraschend – unisono als Verschwörungstheorie abgetan.
Die zahlreichen Fachleute, die die mit Covid-19 begründeten Zwangsmassnahmen skeptisch beurteilen, reden aber nicht von der Hypothese einer geheimen Weltregierung oder ähnlichem Unsinn, sondern von der Gefahr, dass die galoppierende Digitalisierung des gesellschaftlichen Lebens einen Überwachungs- und Kontrollstaat hervorbringen könnte, in dem Citoyennes und Citoyens schneller als sie glauben in einen «freiwilligen» Zustand der Hörigkeit geraten.
Im linken Spektrum der Politik gibt es seit längerem starke Vorbehalte gegen die rapide Digitalisierung der Arbeitswelt. Der an der Freien Universität Berlin lehrende Psychologe und Psychoanalytiker Klaus-Jürgen Bruder kommt zu dem Schluss, die Corona-Krise habe der «Durch-Digitalisierung» der Gesellschaft einen Schub verliehen, wie er bislang undenkbar war. In fast diktatorischer Weise sei ein medizinischer Notstand behauptet worden.
«Es ist wie bei jenen Eingeborenen, die ihre Goldschätze gegen Glasperlen getauscht haben, die ihnen die weissen Eroberer angeboten haben. Die Digitalisierung wird mit offenen Armen und strahlenden Gesichtern begrüsst – wie der Einzug eines lang ersehnten Befreiers.»
Die Zitate stammen von einem Vortrag, den Klaus-Jürgen Bruder im März 2020 auf einem Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie hielt. Die Beiträge der dort teilnehmenden Wissenschafter sind jetzt unter dem Titel «Digitalisierung – Sirenengesänge oder Schlachtruf einer kannibalistischen Weltordnung» in Buchform erschienen.
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Digitalisierung – Sirenengesänge oder Schlachtruf der kannibalistischen Weltordnunghttps://www.westendverlag.de/buch/d...
Herausgegeben von Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch, Jürgen Günther, Bernd Nielsen und Raina Zimmering. Westend, 2020. 350 s. € 28.–.