Die Israelischen Streitkräfte (IDF) scheinen den Waffenstillstand im Gazasttreifen zu nutzen, um ihre Aktionen im Westjordanland auszuweiten. 48 Tage nach der Niederschlagung des Widerstands im besetzten Westjordanland durch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), gefolgt von zwei Wochen israelischer Militäroperationen und einer gleichzeitigen Belagerung durch die PA, befinde sich das nördliche Westjordanland weiterhin einer verstärkten gemeinsamen Offensive ausgesetzt, berichtet The Cradle.
Dem Portal zufolge begann die Kampagne am 5. Dezember 2024 mit dem Angriff der PA auf das Flüchtlingslager Jenin. Am 21. Januar 2025 seien dann auch die israelischen Streitkräfte (IDF) eingeschritten. Bis zum 27. Januar sei die Operation auf Tulkarem, Tubas und Tamoun ausgeweitet worden. Israel habe die PA während ihres Vorgehens mit nachrichtendienstlichen Informationen versorgt und später die direkte Kontrolle übernommen, während die PA die Belagerung verstärkte.
Trotz der Behauptungen des PA-Sprechers Anwar Rajab, die Sicherheitskräfte hätten sich aufgrund des israelischen Angriffs zurückgezogen, deuten der umfangreiche Einsatz und die anhaltende Präsenz der PA laut The Cradle eher auf eine Koordination als auf einen abrupten Rückzug hin.
Augenzeugen und Quellen des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) beschreiben gemäß dem Portal eine gemeinsame Kampagne gegen die Jenin-Abteilung der Quds-Brigaden, dem militärischen Flügel des PIJ. Dabei habe die PA den sich zurückziehenden Kämpfern aufgelauert, Dutzende festgenommen und angeblich verwundete Kämpfer in Krankenhäusern festgehalten und gefoltert. Die Rolle der PA erleichterte demnach die israelische Operation, indem sie Jagd auf Mitglieder des Widerstands machte.
Lokale Quellen würden berichten, dass PA-Kräfte mit zivilen Fahrzeugen Kämpfer in Jenin, Tubas und den umliegenden Gebieten verfolgten. Bei einigen Zusammenstößen hätten Widerstandskämpfer entkommen können, während die PA-Sicherheitskräfte in Ya’bad wahllos auf die Berge geschossen hätten, in der Hoffnung, versteckte Kämpfer zu treffen.
Die Einwohner von Jenin beschuldigen The Cradle zufolge die PA, dem Widerstand vorgegaukelt zu haben, dass eine Einigung durch den Stammesvermittler Daoud al-Zeer zustande gekommen sei. Die Widerstandskämpfer hätten sich nach der Beendigung des Krieges im Gazastreifen zerstreut, um der Verfolgung durch die PA zu entgehen. Die Sicherheitskräfte der PA hätten dies für Razzien in Dörfern, medizinischen Zentren und Häusern genutzt.
Vor der israelischen Offensive habe die PA über 70 Palästinenser verhaftet, die Berichten zufolge gefoltert und öffentlich gedemütigt wurden. Während die PA nach der Übernahme der Kontrolle durch die israelischen Streitkräfte ihre Operationen eingeschränkt habe, hätten ihre Geheimdiensteinheiten weiterhin Verstecke des Widerstands aufgespürt.
Der israelische Analyst Alon Ben-David habe bestätigt, dass Israel mit dem Grad der Koordinierung mit der Palästinensischen Autonomiebehörde während der Operation in Jenin zufrieden ist.
Israels jüngste Kampagne mit dem Namen «Iron Wall» (Eiserne Mauer) ähnelt gemäß dem Portal der früheren Operation «House and Garden» (Haus und Garten) im Westjordanland und dem Krieg im Gazastreifen. Israel behaupte zwar, eine bedeutende Infrastruktur des Widerstands aufgedeckt zu haben, doch würden die Bilder hauptsächlich improvisierte Waffen zeigen.
Trotz der monatelangen Belagerung würden die palästinensischen Widerstandsgruppen den israelischen Streitkräften weiterhin Schaden zufügen. Das würden die dringenden Luft-Evakuierungen verwundeter Soldaten zeigen. Guerillaähnliche Hinterhalte in Jenin und Tulkarem hätten die israelischen Vorstöße gestört, so The Cradle.
Am 27. Januar habe Israel einen groß angelegten Angriff auf Tulkarem und die dortigen Flüchtlingslager gestartet. Dabei seien die Bewohner gewaltsam vertrieben, Gebäude besetzt, die Stromversorgung unterbrochen und Krankenhäuser belagert worden. Israelische Bulldozer hätten die Infrastruktur zerstört, während Straßensperren und Kontrollpunkte die Bewegungsfreiheit eingeschränkt hätten.
Mit der Kampagne «Eiserne Mauer» scheint Israels Strategie im Westjordanland gemäß The Cradle die gleiche zu sein wie im Gazastreifen: Eine Kombination aus militärischer Gewalt, Vertreibung und Zerstörung, um den Widerstand zu brechen und die territoriale Kontrolle auszuweiten. Die entscheidende Frage sei nun, wie viel vom Westjordanland Israel zu annektieren gedenke.