Einem Bericht der New York Times zufolge wurden palästinensische Gefangene aus dem Gazastreifen in den letzten drei Monaten entkleidet, erniedrigt und geschlagen. Organisationen, die palästinensische Gefangene vertreten, würden Israel daneben auch beschuldigen, wahllos Zivilisten zu inhaftieren.
Tausende Männer, Frauen und Kinder sind laut der NYT nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober von den israelischen Streitkräften festgenommen worden. Einige seien zuvor aus ihren Häusern vertrieben worden. Andere seien verhaftet worden, als sie versuchten, mit ihren Familien zu Fuss sicherere Gebiete zu erreichen.
Die Zeitung weist darauf hin, dass die Vereinten Nationen letzte Woche erklärt hatten, die Behandlung der Gefangenen durch Israel könnte möglicherweise Folter sein. Tausende seien unter «grausamen» Bedingungen festgehalten und manchmal nackt oder nur mit Windeln bekleidet freigelassen worden, so die UN.
Von Folter sprachen auch freigelassene palästinensische Häftlinge, über die Transition News mit Bezug auf das israelische +972 Magazine berichtete. Die Zeugenaussagen beinhalten Elektroschocks, Verbrennungen mit Feuerzeugen und Zigaretten, Schlaf- und Ernährungsentzug sowie Toilettenverbot. Einige Palästinenser seien aufgrund dieser Haftbedingungen gestorben.
Der NYT zufolge führen Menschenrechtsverteidiger an, dass die Inhaftierung von Palästinensern und Israels erniedrigende Behandlung von Palästinensern im Gazastreifen internationale Kriegsgesetze verletzen könnte. Mehrere palästinensische Menschenrechtsgruppen, darunter die Palestinian Prisoners’ Commission und Addameer, würden behaupten, dass Israel das Schicksal der Gefangenen aus Gaza verheimliche, deren Anzahl nicht bekannt gebe und Anwälte sowie das Rote Kreuz daran hindere, die Gefangenen zu besuchen.
Der Internationale Ausschuss vom Roten Kreuz erhalte täglich Berichte von Familien in Gaza über verschwundene Familienmitglieder. Die Organisation befasse sich mit etwa 4000 Fällen von Palästinensern aus Gaza, von denen fast die Hälfte angeblich von der israelischen Armee inhaftiert worden sei.
Die NYT erinnert daran, dass die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, im Oktober davor warnte: Nicht evakuierte Zivilisten in Gaza als «Komplizen des Terrorismus» zu bezeichnen, sei nicht nur eine Drohung kollektiver Bestrafung, sondern diese könne dann auch eine ethnische Säuberung darstellen.
Fotos und Videos, die von israelischen Soldaten und Journalisten aufgenommen wurden, zeigen Palästinenser mit gefesselten Händen, manchmal mit verbundenen Augen und in Unterwäsche kniend im Freien. Ein Video zeigt Männer in Unterwäsche, die von israelischen Soldaten über ein Feld geführt werden.
Unter den Zeugnissen von Gefangenen ist auch das von dem Menschenrechtsaktivisten Ayman Lubbad. Er berichtet, wie er entkleidet, geschlagen und tagelang in schmerzhaften Positionen festgehalten wurde. Andere Gefangene sprechen von Schlägen, Verletzungen und erniedrigender Behandlung während ihrer Inhaftierung.
Majdi al-Darini, ein 50-jähriger Vater von vier Kindern und pensionierter Beamter, sagte laut der NYT wiederum, er sei 40 Tage lang festgehalten worden, wobei seine Hände fast die gesamte Zeit gefesselt waren. Die Fesseln hätten in seine Handgelenke geschnitten und Wunden hinterlassen, die sich schliesslich infiziert hätten. Ein Video von al-Darini nach seiner Freilassung zeige Krusten um seine Handgelenke. Er habe kritisiert:
«Die ganze Zeit über sind deine Hände gefesselt, deine Augen sind verbunden und du liegst auf deinen Knien. Und du darfst dich weder nach rechts noch nach links bewegen. (...) Sie behandelten uns wie Tiere. Sie schlugen uns mit Stöcken und beschimpften uns.»
Demzufolge wurde er Mitte November festgenommen, als er und seine Familie auf dem Weg nach Süden waren, nachdem sie ihre Häuser im nördlichen Gazastreifen aufgrund eines Evakuierungsbefehls verlassen hatten.
Die israelische Armee verteidigt gemäss der NYT ihre Massnahmen und behauptet, nach internationalem Recht zu handeln. Sie habe in einer Stellungnahme mitgeteilt, dass sie Personen inhaftiert, die verdächtigt werden, an terroristischen Aktivitäten beteiligt zu sein, und diejenigen freilässt, die entlastet sind. Die Zwangsentkleidung von Männern und Jungen habe das Militär mit dem Argument verteidigt, dies diene dazu sicherzustellen, dass sie keine Sprengstoffwesten oder andere Waffen verbergen würden.