Die Lyrikerin und Musikerin Alexa Rodrian ist seit jeher eine engagierte Künstlerin, eine, die zu politisch-sozialen Themen öffentlich Stellung nimmt, die kritisiert und mahnt, die warnt und anklagt. Anders als viele Kollegen ihrer Branche hat sie auch in den letzten Jahren nicht geschwiegen, nicht als der Staat infolge der Corona-Politik immer übergriffiger wurde, nicht als Israel die Bodenoffensive im Gazastreifen startete.
Ihre Sicht auf die Krisen und Konflikte der Zeit legte sie multimedial dar, vorrangig in ihren Werken, aber auch in Artikeln für diverse Online-Portale und auf Kulturveranstaltungen. Diese Beiträge hat sie nun in dem Buch «Anders als es einmal war» gebündelt, einem Sammelsurium von Textsorten, zu denen neben Gedichten, Songtexten und Essays auch ein öffentlicher Brief, E-Mails und ein Schreiben an die einst kritische, heute aber völlig regierungskonforme Zeitung taz gehören.
So heterogen sich das knapp 150-seitige Werk formal präsentiert, so uneinheitlich ist es in seiner thematischen Ausrichtung. Es geht um Corona und den Nahostkonflikt, um Politisches und Privates, um Liebe und Freundschaft, um persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Kämpfe. Die Leser tauchen tief ein in die Seele einer Künstlerin, aus deren Perspektive sie nicht nur viel über diese selbst, sondern auch über den Zeitgeist erfahren.
Kritik an der Diskussionskultur
Beispielhaft dafür ist das Poem «Verwandelt», in dem die gesellschaftliche Spaltung und die Verweigerung einer Diskussion genauso thematisiert werden wie die eigene Enttäuschung über langjährige Freundinnen. Jede Strophe beginnt mit «Liebe Schwestern», womit Rodrian sich zurückblickend an ihre einstigen Weggefährtinnen wendet, direkt und ungeschönt:
«gerne hätte ich mit euch so viel geklärt
die Zeit war längst so reif dafür
liebe Schwestern früher mal
habt ihr’s so abgefeiert mein Gespür
ich suche immer noch nach einem Sinn
wo seid ihr bloß hin
Verpisst habt ihr euch ohne ein Wort
weil ich anderer Meinung war
Verpisst habt ihr euch ohne ein Wort
einen Dreck habt ihr euch geschert
meine Zweifel euer Vertrauen nicht wert»
Aus einigen der deutschen Gedichte sei ein Song in englischer Sprache entstanden, erklärt Rodrian in ihrem Prolog. Umgekehrt habe sie auch englische Lieder ins Deutsche übertragen. In welche Richtung das geschehen ist, lässt sich aus dem Buch nicht erschließen. Man kann aber alle poetischen Stücke in beiden Sprachen lesen, was bisweilen zum Rätseln animiert, welches zuerst aus Rodrians Feder floss.
Wer jedoch ihr musikalisches Schaffen verfolgt hat, wird wenig Schwierigkeiten haben. Manche Songs sind bekannt, nicht zuletzt von Auftritten und aus den sozialen Medien, wo sie geteilt werden. Zu einigen gibt es sogar Musikvideos, so wie im Fall «Eye for an Eye». Das rockige Stück ist eines der jüngsten und beschäftigt sich mit dem Schicksal der Mütter im Nahen Osten. Rodrian widmet sich darin der Frage, wie jene ertragen können, was dort passiert. Der Song ruft alle Frauen dazu auf, auf die Straße zu gehen und darauf aufmerksam zu machen, dass es in dem Konflikt auch um sie geht.
Essays mit viel Leidenschaft
Die poetischen Arbeiten bilden den Kern des Buches, zusammen mit Essays, die nicht weniger emotionsgeladen sind. Rodrian beschreibt ihren eigenen Umgang mit dem praktischen Berufsverbot für Künstler während der Corona-Krise, sie benennt die politischen Verfehlungen und thematisiert den indirekten Zwang zur Impfung als Übergriff, der sich insofern mit sexueller Gewalt vergleichen lasse, als dabei die Entscheidung über den eigenen Körper ebenfalls missachtet wird.
Rodrian erklärt auch, woher ihr «widerständiges Gebaren und Schreiben» rührt. Sie wuchs in einem kommunistisch gesinnten Umfeld auf, in einer Familie, die ihr die politische Lyrik quasi in die Wiege legte. Es gab aber auch andere intellektuelle Einflüsse, beispielsweise von Frauen wie der deutsch-australischen Publizistin Salomea Genin, der Rodrian in einigen Essays großen Respekt zollt.
Unbeantwortete Schriften
Im letzten Abschnitt präsentiert die Berliner Künstlerin Schriften, auf die sie (meist) «keine Antworten» erhalten hat. Ganz vorne rangiert der öffentliche Brief an Konstantin Wecker, den Rodrian als «politisches wie musikalisches Vorbild» und sogar als «persönlichen Mentor» bezeichnet. Ihr Ehemann Jens Fischer Rodrian war mit ihm 20 Jahre auf Tour gegangen. Doch während der Corona-Zeit distanzierte sich Wecker von beiden und drosch verbal auf Maßnahmenkritiker ein, obwohl diese, genauso wie die Rodrians, das einforderten, wofür er früher einmal stand.
In ihrem Brief erinnert seine einstige Weggefährtin daran und macht Wecker bisweilen auf seine widersprüchliche Haltung aufmerksam: «Was habe ich denn jetzt schon wieder nicht verstanden», schreibt Rodrian rhetorisch zugespitzt. «Offensichtlich sind Repressionen gegen Menschen, die deiner Meinung sind, verwerflich – jedoch Repressionen gegen Menschen, denen du nicht zustimmst, werden toleriert, und nicht nur das: Sie werden sogar von dir persönlich vorgenommen».
Wecker wird daran erinnert, dass er eigentlich immer diskursoffen und differenzierungsfähig gewesen war. Deswegen kann Rodrian nicht verstehen, wie er «gänzlich und ohne ein Wort» den Kontakt zu Menschen abbricht, mit denen er zuvor «jahrzehntelang gemeinsam gegen schwere Missstände in diesem Land und Verletzungen der Menschenrechte in der ganzen Welt musiziert und gekämpft» hat.
Als weiteres Schreiben ist eine E-Mail an die Philosophin Svenja Flaßpöhler abgedruckt. Auch diese blieb unbeantwortet, nachdem sich Rodrian, wie sie betont, mit Äußerungen über die Basis-Partei «geoutet» habe. Sie vermutet daher ein Desinteresse an einem Dialog und weist die Philosophin darauf hin, dass deren Kenntnisse über die Partei «schlichtweg falsch» und «mangelhaft recherchiert» seien.
Rodrian formuliert diese Schreiben in einem freundlichen Ton. Weitaus schärfer fällt er in dem Leserbrief an die taz aus, in dem die Künstlerin das Blatt damit konfrontiert, «nicht verifizierte», «schlecht recherchierte» und «höchst tendenziöse Artikel» an die Öffentlichkeit zu bringen, die «unschuldigen Menschen enormen Schaden» zufügen.
«Wann haben Sie aufgehört, Fragen zu stellen» und wann angefangen, «Meinungsmache vor neutralen Journalismus zu stellen», lauten Rodrians Fragen, die sich nicht nur an die taz und die schreibende Zunft richten, sondern auch an die Zivilgesellschaft, die die Zeichen der Zeit nicht zu erkennen scheint.
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