Will man die Menschen daran hindern, dass sie in Freiheit handeln, so muss man sie daran hindern, zu denken, zu wollen, herzustellen, weil offenbar all diese Tätigkeiten das Handeln und damit auch Freiheit in jedem, auch dem politischen Verstande implizieren.
Hannah Arendt
Liebe Leserinnen und Leser
In der Schule habe ich gelernt, dass die Demokratie, der Rechtsstaat und die Gewaltentrennung entscheidende Errungenschaften sind, aber immer wieder verteidigt werden müssen.
An der Universität habe ich mich dann viel mit Diktaturen und Totalitarismus beschäftigt. Im Unterschied zu «gewöhnlichen» Diktaturen, wo es genügt, sich dem Regime nicht in den Weg zu stellen, verlangt Totalitarismus ein aktives Bekenntnis.
Eine entscheidende Wegmarke am Übergang zur Diktatur ist sodann der Weg eines Landes vom «Normenstaat» zum «Massnahmenstaat». Ein Normenstaat ist ein Land, in dem Gesetze und Regeln bekannt sind und in einem transparenten Verfahren geändert werden, während bei einem Massnahmenstaat Dinge willkürlich und kurzfristig geändert werden.
Meine kürzlich verstorbene Professorin war 1956 am Aufstand gegen den sowjetischen Einmarsch beteiligt, musste flüchten und konnte in der Schweiz eine akademische Karriere einschlagen. Hat sich ihr Einsatz gelohnt? Immerhin ist der Aufstand gescheitert. Ich denke ja, denn ab diesem Moment hat Ungarn den totalitären Charakter abgelegt, obwohl das Land noch kommunistisch war. «Wer nicht gegen uns ist, ist für uns», sagte Parteichef János Kádár.
Was hat das mit der heutigen Situation zu tun? Ich denke, wir leben in der Schweiz nach wie vor in einer Demokratie, aber es gibt Entwicklungen, die diese Demokratie beschädigen und mir Sorgen bereiten. Abhilfe ist dringend nötig. Dass die Situation andernorts viel schlimmer ist, ist ein kleiner Trost und entbindet uns nicht vor Wachsamkeit.
Erstens: Die Gewaltentrennung wird allzu oft ausgehebelt oder gerät in Schieflage. Im März 2020 stattete das Parlament den Bundesrat, also die Bundesregierung, mit einer Blankovollmacht für einige Monate aus. Dieser konnte entscheiden, wie er wollte – ich nenne das Arbeitsverweigerung.
Das Covid-Gesetz, das dann resultierte, zeichnete sich dadurch aus, dass es wichtige Kompetenzen wie die Verhängung der Zertifikatspflicht an die Exekutive übertrug obwohl gemäss Verfassung für wichtige Entscheide das Parlament zuständig ist. Wir stimmten zwar darüber ab, aber erst nachträglich, als die Massnahmen schon in Kraft waren.
Der zweite Abstimmungskampf war gehässig. Mir wurden zum Beispiel von den Befürwortern des Gesetzes die Reifen zerstochen. Die Versicherung hat es zwar bezahlt - aber trotzdem.
Bei der «Zwangsheirat» von UBS und CS in diesem Sommer wurden ebenfalls alle demokratischen Prozesse ausgehebelt und Notrecht angewendet – dies zum zweiten Mal innert kürzester Zeit nach Covid und auf eine Art, die der Steuerzahler an der Urne wohl nie gutgeheissen hätte. Dies, weil man ein Problem, das jeder aufmerksame Beobachter kommen sah, nicht rechtzeitig und sauber löste, um mächtigen Wirtschaftskreisen nicht auf den Schlips zu treten.
Die zögerliche Art, mit der der Bundesrat Kompetenzen wieder zurückgibt, ist ebenfalls verdächtig. Eine weitere Verlängerung des Covid-Gesetzes hätte es nun wirklich nicht gebraucht. Das erinnert an die Zeit nach 1945, als der Bundesrat per Volksinitiative dazu gezwungen werden musste, seine Sondervollmachten abzugeben. Gerade das zeigt uns, dass wir nicht machtlos sind. Auch heute sind deshalb sinnvolle Initiativen der Bürgerrechtsbewegung auf dem Weg, die Schritt für Schritt diese Schäden beheben können.
Zweitens gibt es Tendenzen, in gewissen Bereichen nur noch eine Meinung gelten zu lassen und alle anderen zu canceln (Beispiele hier und hier).
Der Pride Day ist zum Pride Month geworden. An Schulen und in Firmen gibt es ständig Aufrufe, sich pink zu kleiden oder ein Regenbogenfähnchen aufs Pult zu stellen. Als Kommunikationsverantwortlicher einer Firma habe ich solche Aufrufe ins Leere laufen lassen, weil jeder Mensch selber und ohne Druck entscheiden soll, wie er sich positioniert.
Immerhin: 2+2 gibt in der Schule immer noch vier und nicht wie in diesem humoristischen Video 22. Und im Biologieunterricht gibt es immer noch zwei Geschlechter, wie Biologieprofessorin Marie-Luise Vollbrecht in einem Vortrag an der Humboldt-Universität in Berlin begründete. Auch wenn man im Soziologieunterricht anderes hört und der Vortrag wegen Sicherheitsbedenken gestört wurde.
Auch hier gilt es, solche Entwicklungen transparent aufzuzeigen und mit guten Argumenten und mit den Instrumenten der direkten Demokratie entgegenzuhalten. Denn wir haben ja in der Schule gelernt, dass Demokratie, Menschenrechte und Gewaltentrennung immer wieder verteidigt werden müssen. Oder?
Herzlich,
Daniel Funk
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