Hinter der Pharmaindustrie steckt eine gewaltige Geldmaschinerie. Längst geht es nicht mehr um die Gesundheit der Patienten, sondern vielmehr darum, wie diese Industrie aus Krankheiten den grösstmöglichen Profit schlagen kann. Darauf weist der Autor Paul Anthony Taylor in einem Artikel hin, der jüngst im Medienportal Global Research erschienen ist.
Taylor zitiert zu Anfang seines Artikels aus dem Roman «Krieg und Frieden» des russischen Schriftstellers Leo Tolstoi. Darin heisst es, dass «Zeit und Geduld die stärksten aller Krieger sind». Diese Worte seien dem Autor in den Sinn gekommen, als er kürzlich auf einen Artikel in der niederländischen Zeitung NRC gestossen sei. Darin forderte der Verfasser des Artikels, der niederländische Politikwissenschaftler Joost Smiers, dass die Arzneimittelindustrie abgeschafft werden solle.
Der Text habe Taylor an eine Rede erinnert, die der Arzt und Wissenschaftler Dr. Matthias Rath bereits vor 25 Jahren im Chemnitzer Rathaus gehalten hat. Damals hatte er ebenfalls gefordert, dass die Pharmaindustrie verschwinden soll. Seine Begründung: Die Gewinne der Pharmaindustrie hingen davon ab, dass gesundheitliche Probleme aufrechterhalten werden sollen. Rath warf dem «Geschäft mit der Krankheit» vor, dass es mit den grundlegenden Prinzipien der Menschenrechte unvereinbar sei.
Im Jahr 1997 habe kaum jemand offen Kritik an der Pharmaindustrie und ihrem skrupellosen Geschäftsmodell geübt. Taylor betont, dass der NRC-Artikel jedoch beweise, dass besagte Kritik heute auch im Mainstream zu finden ist. Der NRC-Artikel beschreibt, wie die heutige Gesellschaft der Gnade der Pharmabranche und ihrer Aktionäre ausgeliefert ist. «Was mich betrifft» , schreibt Smiers, «ist es höchste Zeit, das gesellschaftliche Gefühl der Ohnmacht gegenüber Big Pharma zu durchbrechen». Die Frage, ob wir die Pharmakonzerne noch brauchen, beantwortet Smiers mit «Nein». Wenn solche Gedanken in einer grossen europäischen Tageszeitung veröffentlicht würden, so Taylor, könne es keinen Zweifel daran geben, dass wir in Zeiten des Wandels leben.
Die Pharmaindustrie wird obsolet
Smiers meint, dass die Erforschung von Arzneimitteln unabhängig von der Pharmaindustrie an Universitäten und anderen unabhängigen Forschungsinstituten erfolgen kann. Ausserdem plädiert er dafür, umfangreiche Forschungsfonds einzurichten, die aus öffentlichen Mitteln gespeist werden und in denen unabhängige Ausschüsse darüber entscheiden, für welche Krankheiten und Forscher die Mittel verwendet werden sollen. Der Politikwissenschaftler betont, wie wichtig es sei, dass diese Ausschüsse unabhängig von den Regierungen arbeiteten. Smiers schlägt vor, dass auch alternative Gesundheitstherapien wie die Einnahme von Vitaminpräparaten von diesem Ansatz profitieren könnten.
Smiers erachtet es als wichtig, dass jeder zu allen Erkenntnissen aus der Arzneimittelforschung öffentlich und frei Zugang haben soll. Der Politikwissenschaftler ist wie auch Dr. Rath der Meinung, dass es in Zukunft keine Patente mehr geben sollte. Somit werde vermieden, dass der Patentinhaber ein Monopol auf die Nutzung oder Nichtnutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse erhält.
Smiers zufolge widersprechen die teils horrenden Medikamentenpreise jeglicher medizinischen Ethik. Er schlägt vor, dass Unternehmen, die für die Herstellung von Arzneimitteln aus unabhängig finanzierter Forschung bezahlt werden, diese zum Selbstkostenpreis anbieten sollten. Auf diesen niedrigen Preis könnte dann eine Abgabe aufgeschlagen werden, um die Finanzierung künftiger Forschungsprojekte zu unterstützen. Auf diese Weise verschwände das kommerzielle Gewicht der Aktionäre und des Marketings der Pharmaindustrie, schreibt Smiers.
Gleichzeitig räumt er ein, dass die in den grossen Pharmaproduktionsländern ansässigen Arzneimittelhersteller dies nicht stillschweigend hinnehmen werden. Er weist jedoch darauf hin, dass die heutigen Pharmakonzerne «erschreckend mächtige Monopolisten» und dementsprechend unbeliebt seien. Dies schaffe Möglichkeiten, die Pharmaindustrie samt ihrer Lobby zu verändern.
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