Laut einem Bericht des italienischen nationalen Wirtschaftsbüros CGIL, auf den L’Indipendente hinweist, verdienten im Jahr 2023 etwa 35,7 % der Beschäftigten des privaten Sektors des Landes, also 6,2 Millionen Personen, weniger als 1000 Euro im Monat. Betrachtet man diejenigen, die bis zu 25.000 Euro im Jahr verdienen, steigt diese Zahl auf 62,7 %, das heißt etwa 10,9 Millionen Arbeitnehmer.
Die Erwerbstätigenarmut, und niedrige Löhne im Allgemeinen, sind dem Bericht zufolge größtenteils auf strukturelle Probleme wie die weit verbreitete Nutzung von Zeitverträgen und unfreiwilliger Teilzeitarbeit zurückzuführen, von der im Jahr 2023 54,8 % der Beschäftigten betroffen waren. Das stellt die höchste Quote in der Eurozone und die zweithöchste in der EU dar. Ein weiterer Grund sind tiefe Stundenlöhne.
Das durchschnittliche Jahresbruttogehalt der Angestellten mit Zeitverträgen oder in Teilzeitarbeit liegt zwischen 10.300 und 11.800 Euro. Werden die beiden Bedingungen kombiniert, sinkt das Bruttojahresgehalt auf durchschnittlich 7100 Euro. Mehr als 2,3 Millionen Arbeitnehmer verdienten im ganzen Jahr nicht einmal 5000 Euro brutto und weitere 1,85 Millionen zwischen 5000 und 10.000 Euro.
Auch die Instabilität der Arbeitsplätze ist demnach beträchtlich: 83,5 % der Arbeitsverträge enden innerhalb eines Jahres und 51 % in weniger als 90 Tagen.
Die Art der Tätigkeit hat ebenfalls einen Einfluss. Der hohe Anteil niedrig qualifizierter Tätigkeiten mit geringen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten hält die Löhne auf einem Minimum. So verdienen 2,8 Millionen Arbeitnehmer einen Stundenlohn von weniger als 9,50 Euro brutto, eine Schwelle, die die CGIL als gesetzlichen Mindestlohn einführen möchte.
Obwohl das durchschnittliche Bruttojahresgehalt in der Privatwirtschaft im Jahr 2023 bei 23.662 Euro lag – ein Anstieg von 3,5 % gegenüber dem Vorjahr – hielt dieser Anstieg nicht mit der Inflationsrate von 5,9 % Schritt, was zu einem Rückgang der realen Kaufkraft führte. Zudem warteten Ende 2023 6,5 Millionen Arbeitnehmer auf die Verlängerung von Tarifverträgen mit einer durchschnittlichen Verzögerung von über 32 Monaten, was die Lohnstagnation weiter verschärfte.
Um das alles in den Kontext zu setzen: Die Lebenshaltungskosten in Italien sind im Durchschnitt lediglich etwa 10 bis 15 % niedriger als in Deutschland, wobei es in beiden Ländern erhebliche Unterschiede je nach Region und Bereich gibt.
Italien übertrifft indessen den europäischen Durchschnitt bei der Erwerbsarmut: Laut Eurostat seien dort 9,9 % der Vollzeiterwerbstätigen arm, während es in Deutschland 3,7 % und im EU-Durchschnitt 8,3 % seien, berichtet die italienische Presseagentur ANSA.
Nach Angaben des Nationalen Instituts für Statistik (Istat) sind 23,1 % der italienischen Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, eine Zahl, die im Süden des Landes fast 40 % beträgt.