Nur wenige Zeilen in den Zeitungen haben es erwähnt: In der Schweiz werden Krankenhäuser trotz Covid geschlossen. Es macht keine Schlagzeilen, es macht keine Wellen, es verursacht keine Empörung. Dennoch gehen Hunderte von Arbeitsplätzen verloren, ebenso wie die so genannten «Notbetten», die während der Pandemie so wichtig waren. Und es ist noch nicht vorbei.
Das am linken Zürichseeufer gelegene See-Spital entstand vor rund zehn Jahren durch den Zusammenschluss der beiden Spitäler Sanitas Kilchberg und Zimmerberg Horgen. Als regionales Krankenhaus mit Ausbildungsauftrag beschäftigt es mehr als 1000 Mitarbeiter, um die Bevölkerung rund um die Uhr zu versorgen.
Seit Jahren kursieren Gerüchte, dass das See-Spital seinen Standort schliessen könnte. Dies ist nun der Fall. Letzte Woche informierten die Verantwortlichen die Mitarbeiter über die Schliessung und die nächsten Schritte. Die Geschäftsführung des Krankenhauses hat damit die Gerüchte bestätigt.
Die St. Galler Regierung hat im Februar 2020 die Strategie «4plus5» verabschiedet. Die vier Spitalstandorte in Uznach, Grabs, Wil und St. Gallen bleiben erhalten, fünf weitere – Wattwil, Flawil, Rorschach, Altstätten und Walenstadt – werden in «Gesundheitszentren» umgewandelt. Sie haben derzeit ein jährliches strukturelles Defizit von 70 Millionen CHF.
Am 26. April dieses Jahres kündigte der Spitalverband Appenzell Ausserrhoden (SVAR) die Schliessung des Spitals in Heiden per Ende 2021 an. Einhundertdreissig Mitarbeiter werden ihren Arbeitsplatz verlieren. Wie beim See-Spital kommt diese Schliessung nicht überraschend, da der wirtschaftliche Druck nach Angaben der Regierung und des Krankenhausverbandes seit Jahren zunimmt. Das Krankenhaus in Heiden bietet chirurgische und orthopädische Leistungen, Innere Medizin, Anästhesie, eine Frauenklinik, einen interdisziplinären Überwachungsdienst und einen «24-Stunden-Notdienst».
Ein pikantes Detail in der Mitteilung des Krankenhausverbundes: Die Bettenauslastung war «dauerhaft zu niedrig», um die drei Standorte wirtschaftlich betreiben zu können. Darüber hinaus führte die Corona-Pandemie in Kombination mit nicht kostendeckenden Tarifen zu einer «beschleunigten Verschlimmerung der finanziellen Schwierigkeiten».
Die Situation in der französischsprachigen Schweiz
Am 6. März 2020, eine Woche vor Beginn der Pandemie, verkündete die neue Verwaltungsratspräsidentin des Kantonsspitals Freiburg, Annamaria Müller, dass das Freiburger Spital (HFR) in den nächsten zehn Jahren massiv sparen muss. «Die Entwicklung der Medizin, der Anstieg der Kosten für Medikamente und Behandlungen, der Personalmangel und die ständig steigenden Anforderungen» sind die Gründe dafür. Dies veranlasste Frau Müller zu der Ankündigung, dass in naher Zukunft ein grosses Zentralkrankenhaus im Kanton Freiburg gebaut werden soll, während vier kleinere Standorte geschlossen werden.
Dies hat bereits begonnen: Die Palliativmedizin in Meyriez soll zugunsten eines Kompetenzzentrums in der Villa Saint-François aufgegeben werden, während der kardiovaskuläre Rehabilitationsdienst von Billens nach Meyriez verlegt wird. Die Notdienste von Riaz und Tavel sind seit letztem Jahr in der Nacht geschlossen.
Die Tragödie liess nicht lange auf sich warten: Im vergangenen August starb eine Frau vor den verschlossenen Türen der Notaufnahme von Tavel, weil sie nicht rechtzeitig behandelt wurde. In Unkenntnis der Tatsache, dass die Abteilung nachts geschlossen war, versuchte ihre Begleiterin zu schreien und zu hupen, damit ihr jemand zu Hilfe kommt.
Das Pflegepersonal hörte sie schliesslich und versuchte eine Wiederbelebung, jedoch ohne Erfolg. Eine kantonale Volksinitiative «Für 24 Stunden öffentliche Spitalnotfälle» hat zwölftausend Unterschriften gesammelt, doppelt so viele wie nötig. Sie wurden letzten Monat in der Staatskanzlei in Freiburg hinterlegt. Es wird also eine Volksabstimmung stattfinden.
Abgesehen vom Kanton Freiburg ist die Diskussion in der Westschweiz anders als in der Deutschschweiz. Krankenhäuser sind Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und haben das Recht, etwas zu kosten. Für Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, wie z.B. Forschung oder eine gepflegte Krankenhaussiedlung, erhalten sie eine wesentlich höhere Vergütung.
Die Krankenhäuser stehen daher nicht so stark unter Kostendruck. Aber auch in der Westschweiz ist die Zentralisierung der Versorgung im Gange. Erinnern wir uns an 2019, die Eröffnung des Krankenhauses Riviera-Chablais (HRC) führte zur Schliessung der Krankenhäuser in Vevey (Samaritain und Providence), Montreux und Aigle.
Wer finanziert die Krankenhäuser?
Die neue Spitalfinanzierung basiert seit 2012 auf Fallpauschalen, die die Abrechnung von Spitalaufenthalten schweizweit harmonisieren sollen. Jede Krankheit wird zu einem bestimmten, landesweit einheitlichen Satz berechnet. Dieser Preis wird dann nach verschiedenen krankenhausspezifischen Kriterien (Lohnsumme, Investitionen, Mieten) angepasst. Die Gesamtkosten werden von der Krankenkasse (45%) und dem Kanton (55%) getragen.
In den letzten Jahren hat der Bundesrat bereits verschiedene Massnahmen ergriffen, um die steigenden Kosten im Gesundheitswesen zu senken, wie z.B. die Medikamentenpreise, den Tarmed-Medizintarif oder die Liste der Mittel und Einrichtungen (LiMA). Aber er hat nie offen darüber gesprochen, die Zahl der Krankenhäuser zu reduzieren.
Die Zukunft des Krankenhaussektors
Gehen wir zurück in den Januar 2020, als die Experten noch laut und deutlich sagten, dass die Schweiz zu viele Krankenhäuser hat. Mit anderen Worten: Wir haben zu viele Betten. Insgesamt stehen in der Schweiz mehr als 23’000 Betten für Patienten zur Verfügung. Experten sagen voraus, dass in den kommenden Jahren etwa ein Zehntel der Krankenhäuser und ein Viertel der Krankenhausbetten verschwinden werden. Demnach könnten in den nächsten Jahren 28 Krankenhäuser geschlossen werden. Die Anzahl der Betten wird um bis zu 6000 reduziert. Heutzutage hört man sie nicht mehr. Doch die Umsetzung diese Strategie geht stillschweigend weiter.
Krankenhausschliessungen kommen in der Bevölkerung nie gut an. Noch weniger während einer Pandemie. Die Gesundheitsversorgung ist keine abstrakte Wissenschaft, sondern ein hochpolitisches Thema. Und es muss betont werden, dass es die Menschen sind, die diese Strukturen durch die Zahlung ihrer Versicherungsprämien und durch ihre Steuern finanzieren.
Unsere Regierung und die Versicherungsgesellschaften können nur glaubwürdig sein, wenn sie in dieser Hinsicht transparent sind. Jede andere Strategie wird Misstrauen hervorrufen. Misstrauen, welches das ohnehin schon beschädigte Verhältnis zwischen der Öffentlichkeit und den Krankenversicherungen, aber auch mit der Regierung, beschädigen wird.
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Dieser Text wurde uns von Bon pour la tête zur Verfügung gestellt, dem führenden alternativen Medium der französischsprachigen Schweiz. Von Journalisten für wache Menschen.