Transition News: Seit wann gibt es geistiges Heilen?
Matthias A. Weiss: Ich würde sagen, seit Anbeginn der Menschheit. Ich empfinde geistiges Heilen als etwas total Natürliches. Das macht jede Mutter und jeder Vater, wenn ihr oder sein Kind auf sie oder ihn zuläuft, nachdem es sich das Knie aufgeschlagen hat. Das, was man dann macht, das würde ich schon als geistiges Heilen bezeichnen. Und weil es eben so natürlich ist, wird es vor allem mündlich weitergegeben, wie das eigentlich mit allen Dingen ist, die simpel und einfach sind.
Und was genau ist geistiges Heilen?
Es ist eine empathische, dem Gegenüber zugewandte Begegnungsform. Dabei geht es darum, präsent zu sein. Für den anderen und auch für sich selbst einen Raum zu schaffen, in dem vieles möglich ist, was ansonsten, wenn man anders in die Begegnung geht, weniger der Fall wäre.
Seit wann arbeiten Sie in diesem Bereich und können Sie ein konkretes Beispiel geben, was dabei passiert?
Ich stelle immer wieder fest, dass, wenn ich damit Menschen begegne, die verschiedensten Räume aufgehen; wo sie mir zum Beispiel Dinge erzählen, die sie noch niemandem oder beinahe kaum jemandem erzählt haben. Damit erzielen sie auch Durchbrüche oder werden sich ihres nächsten Schrittes gewahr. Bis dahin haben sie krampfhaft, vor allem mit dem Kopf, danach gesucht – und plötzlich ist die «Lösung» einfach da.
Es ist wie eine andere Art von Begegnung. Es ist eine wohlwollende, liebevolle, zugewandte Atmosphäre, in der der Andere nicht nur alles aussprechen, sondern einfach sein kann – mit allem, was da ist. Geistiges Heilen empfinde ich als einen völlig entspannten Zustand.
Vielleicht kann ich das am besten anhand meiner Begegnung mit meiner Lehrerin im geistigen Heilen schildern: Für mich war Renée Bonanomi, sie ist 2022 gestorben, einfach die Verkörperung von Liebe – sie war Liebe in Person. 29 Jahre hatte es gedauert, bis ich das gefunden habe, wonach ich davor ständig gesucht hatte. So etwas gibt es also wirklich – ich war damals so baff, so eingenommen, so erfüllt und so beglückt, dass ich einfach wusste, dass ich das auch lernen und weitergeben will.
Zusammengefasst: Geistiges Heilen ist ein kreativer Raum, in dem viel mehr möglich ist als in herkömmlichen Begegnungen. Jeder kann dabei so sein, wie er ist. Das führt zu Entspannung und dann zu mitunter wunderschönen Ergebnissen.
Wie muss man sich das konkret vorstellen?
Beispielsweise: Bei einem Einführungstag in diesem Jahr war eine Frau dabei, die gleich zu Beginn von sich gesagt hat, dass sie ein Kopfmensch sei. Und im Verlauf des Tages fragte es irgendwann aus mir heraus – das habe ich mir nicht selbst überlegt, sondern das war dieser leere Zustand, dieser leere Raum, aus dem das dann hochgekommen ist: «Wer hat dir gesagt, dass du ein Kopfmensch seist?» Danach ist sie in Tränen ausgebrochen. Und das hat bei ihr und auch bei der Gruppe etwas ausgelöst. Das meine ich mit «Dinge ermöglichen, auf die man mit Nachdenken – Nach-Denken, jemandem Hinterher-Denken – niemals gekommen wäre».
Sie haben eigentlich Theologie studiert. Wann haben Sie Ihre heilerischen Fähigkeiten entdeckt?
Ich war evangelischer Pfarrer, ja. Entdeckt, würde ich sagen, habe ich das schon als Kind. Aber ich hatte weder Begriffe dafür, noch Anleitungen, wie ich damit umgehen kann. Sehr viele Menschen haben übrigens diesen Zugang zum ursprünglichen Sein – wie ich es gerne nenne, aber dann wird dieser durch Schule und Erziehung oder auch Eltern und Kirche mit der Zeit verdeckt. Und alles, was ich in meiner Arbeit tue, ist dieses Verdeckte wegzuräumen, um den Zugang zum Ursprünglichen erneut herzustellen.
Re-ligion ist ja Lateinisch und heißt «Rückverbindung». Eigentlich mache ich beim Heilen nichts anderes, als immer wieder zu dieser Rückverbindung zu kommen. Das ist meine Ansicht und auch meine Erfahrung: Wir Menschen werden und sind immer wieder verbunden, aber oft ist diese Verbindung eben überdeckt.
Manchmal bezeichne ich mich auch als «Leerer», also als derjenige, der leer macht, der dabei hilft, in diese Leere und Stille zu gelangen. Dieser Leerzustand ist erstens aber gar nicht leer, und zweitens macht das auch keine Angst, sondern ich empfinde ihn voller Fülle und Reichtum. Dort ist man wieder rückverbunden, hat den Anschluss zum Göttlichen, zum Universum oder wie auch immer man das nennen möchte.
Ihre Frage war ja, wie ich das entdeckt habe: Ich würde sagen, eben schon als Kind. Aber darauf gekommen bin ich erst, als ich Renée Bonanoni kennenlernen durfte. Im Pfarramt oder schon während meines Studiums habe ich gemerkt, dass alles, was ich gelernt hatte, nicht dem entsprochen hat, worum es mir geht. Alles, was ich dort lernte, spielte sich dermaßen im Kopf ab. Mein ganzer Körper, mein ganzes Sein, ja mein ganzes Wesen wurden dabei leider nicht wirklich abgeholt. Und dann, als ich auf das geistige Heilen gestoßen bin, eben auf die Renée als menschliche Verkörperung von Liebe – sie hat das wirklich gelebt, sie war das –, da habe ich gemerkt, dass ich das auch schon immer wollte.
Gibt es Methoden und Techniken, etwa einen Lehrgang, um diesen Beruf einzuschlagen?
Dafür braucht man kein Studium. Meines Erachtens geht es einfach darum, dass man sich selbst lebt, mit allem, was einen ausmacht. Und das ist so reichhaltig und erfüllend, dass ich mich seither auf diesem Weg befinde. Allerdings gibt es gleichzeitig meist auch ein Aber.
So ist der häufigste Satz, den die Klientinnen und Klienten von mir zu hören bekommen: «Was würden Sie tun, wenn Sie auf sich hörten, auf Ihre Bedürfnisse achteten und danach handelten?» Das ist der ganze Trick dabei – immer wieder zu sich zurückzukommen, innezuhalten und dann nach dem Gespürten zu handeln.
Oft weiß man ja nicht, was der nächste Schritt ist, und das ist auch völlig in Ordnung so. Ich weiß es oft auch nicht – das glauben mir die zwar Leute nicht –, aber ich weiß es oft wirklich nicht. Der Unterschied zwischen mir und den anderen liegt vielleicht darin, dass ich einfach gelernt habe, dies als richtig zu erachten und zu betrachten – also damit zu sein, zu bleiben und zu gehen.
Wenn ich nun einmal nicht weiterweiß, dann ist das für mich okay. Wenn ich akzeptieren kann, dass es immer wieder Momente gibt, in denen ich planlos bin, dann kann ich entspannter mit der betreffenden Situation umgehen.
Nehmen wir noch mal die Frau aus obigem Beispiel: Plötzlich taucht diese Frage auf, und sie kommt einen Riesenschritt weiter. Davor ist sie jahrelang stecken geblieben, weil sie sich angedichtet hat, sie sei ein Kopfmensch und sie würde nicht gut fühlen können. Das war Quatsch und völliger Blödsinn. Das hat ihr offenbar irgendjemand erzählt, und sie hat es übernommen, daran geglaubt und auch danach gehandelt. Aber damit hat sie bloß gegen sich selbst gearbeitet, was natürlich anstrengend ist, Energie braucht und einfach nur ermüdend ist. Durch meine Frage nun habe ich das einfach angestoßen, und sie blühte danach richtiggehend auf. Was gibt es Schöneres?
Geht es beim geistigen Heilen darum, sich wieder selbst zu ermächtigen?
Es ist wirklich nur ein Rückführen zu dem, was wir schon sind beziehungsweise wie wir auf die Welt gekommen sind. Da kann ich ins Schwärmen kommen und große Worte benutzen: Ja, wir sind mächtig, ich weiß es, ich spüre es, und ich erlebe es immer wieder von Neuem.
In all meiner Arbeit geht es nur darum, dies wieder freizulegen und natürlich auch, damit zu gehen – so wie eine Schlange sich häutet. Hat sie dies einmal getan, muss sie zunächst auch wieder ins neue «Kleid» reinwachsen. Oder wie eine Raupe zum Schmetterling wird: Das lässt sich nicht mit dem Kopf bewerkstelligen, sondern das geschieht. Und das passiert wahrscheinlich sogar unter Schmerzen und unter großem Leid. Wenn man nämlich eine Raupe ist und sich verpuppt, weiß man nicht, was danach passieren wird. Aber als Schmetterling ist das Raupe-Sein plötzlich nicht mehr relevant. Man hat sich gewandelt, und das ganze Raupe-Ding ist nicht mehr zeitgemäß, weil es eben vergangen ist.
Insofern empfinde ich geistiges Heilen auch als total transformativ. Es stößt Dinge an, und das genieße ich so: zu begleiten und selbst auch immer wieder solche transformativen Prozesse durchmachen zu dürfen, selbst dabei zu wachsen – ich in meine eigene Größe und jeder, der sich begleiten lässt, in seine Größe. Seit wir auf die Welt gekommen sind, sind wir das – das ist unsere Natur.
Wie gehen Sie vor?
Mittlerweile ist es so, dass ich einfach merke, wo es energetisch harkt, wo irgendwas nicht im Fluss ist, wo Blockaden auftreten. Wenn ich diese Signale erhalte, dann gehe ich mit dem Menschen oder der Gruppe da weiter. Aber das ist keine Hexerei, das spürt auch jede Mutter bei ihrem oder jeder Vater bei seinem Kind. Da einfach den Raum dafür öffnen, dass alles so sein darf, wie es gerade ist.
Bei mir selbst wurde zum Beispiel in der Schule oder auch zu Hause oft mit Druck gearbeitet. Nach dem Motto: «Mach mal!» oder «Du könntest da in diese Richtung gehen.» Aber dabei verschließen sich bloß die meisten Leute – auch ich. Ratschläge sind ja eben auch Schläge. Und ich kenne niemanden, bei dem sich durch Tipps je etwas geändert hätte. Wenn wir jedoch wollen, dass sich etwas zum Positiven hin verändert, dann geht das eben nur in die gegenteilige Richtung: Indem man Druck und Stress herausnimmt und anerkennt, das alles so sein darf, wie es ist, und ich dem Gegenüber dadurch Raum gebe. Alles darf einfach sein – ohne Scham oder Unzulänglichkeit. Auf diese Weise kann alles Mögliche hochkommen.
Und das ist vielleicht der «Trick»: Einfach akzeptieren, was ist. Mit dem gehen, was sich gerade zeigt. Zwar gibt es keine Garantie, dass dies immer und überall funktioniert; manchmal geht es nämlich nicht, aus welchen Gründen auch immer. Aber mit Sturm und Drang geht es schon gar nicht. Also: Druck reduzieren, Stress rausnehmen und anerkennen, was ist. Es so akzeptieren. Weiß ich einmal nicht weiter und lasse dies zu, dann geht es plötzlich doch vorwärts – und auf dieses Geschehen vertrauen.
Das heißt nicht, dass ein solches Arbeiten stets einfach wäre. Ganz im Gegenteil. Wenn beispielsweise Trauer oder Aggression hochkommt und man nicht gewohnt ist, damit umzugehen, kann das enorm schwierig sein.
Sie haben eben «Rückführung» erwähnt. Ist das seriös?
Es gibt die Methode der Rückführungen in andere oder alte Leben zurück, aber das meine ich nicht. Was ich meine und wovon ich spreche, ist das Zurückführen in unseren ursprünglichen Zustand, die Re-ligio: eben die Anbindung – Rückführung – an unser natürliches und göttliches Sein. An das, wie wir vom Schöpfer und vom Ursprung her gemeint sind. Mit Rückführungen als Technik kenne ich mich nicht aus und verstehe das auch nicht.
Wissen die Menschen, wenn sie zu Ihnen kommen, was ihnen fehlt?
Manchmal kreise ich mit Klienten wirklich eine halbe Stunde ums Thema, bis ich merke, wie und wo es langgeht. Das kann man sich dann wie eine innere Ampel vorstellen: Ist es rot oder grün? Und bei Rot halte ich an, und bei Grün fahre ich weiter. Das sind wirklich ganz simple Mechanismen: Da verspüre ich Energie, Freude und Kraft, und dort zieht es nicht nur die Person, die mir das erzählt, runter, sondern auch mich. Die natürliche Reaktion bei solchen Empfindungen ist doch, da sofort wieder rauszugehen, wie ein Kind oder auch ein Erwachsener, der sich die Finger an der Herdplatte verbrennt. Die natürliche Reaktion dabei ist: Finger weg. Und im umgekehrten Fall, also da, wo es sich angenehm anfühlt, zu verweilen.
Es sind ganz simple Dinge, die wir beim Heilen, aber auch im Leben, oft missachten. Alles, was ich nun tue, ist, einfach auf diese kleinen Dinge achtzugeben. Zwar auch nicht immer zu 100 Prozent und nicht immer und überall – das geht gar nicht, ich bin ja auch bloß ein Mensch und keine Maschine. Alles, was ich tue, ist, die Menschen immer wieder auf diese kleinen Dinge aufmerksam zu machen: «Hey, hast du das bedacht?» «Ich habe von dir vor zehn Minuten das gehört, wie sieht es jetzt diesbezüglich aus?»
Wer wendet sich an Sie?
Das kann von Jung bis Alt, von Reich bis Arm sein. Einfach Menschen, die merken, dass ihnen etwas fehlt, dass sie nicht weiterkommen und irgendwo anstehen. Manche von ihnen sind laut Schulmedizin «austherapiert» und bereit, etwas Neues auszuprobieren, neue Wege zu gehen, weil sie sich auf die herkömmliche Art und Weise im Kreis drehen.
Welche Rolle spielt dabei die Psychosomatik?
Meistens hängt das zusammen. Meiner Erfahrung und auch meiner Lehre nach ist dem oft so. Und das knüpft dann eben auch an die Frage an, ob meine Klienten wissen, was ihnen fehlt: Im Grunde des Herzens wissen sie es ja. Meine Arbeit besteht nun darin, dieses Wissen mit ihrer Hilfe wieder freizulegen, an die Oberfläche und ins Bewusstsein zu holen. Das ist alles. Oftmals fällt solches Tun einfach leichter, wenn jemand von außen das aufzeigt. Eigentlich bin ich wie ein Spiegel, und lasse meine Klienten selber entdecken.
Zum Beispiel kam einmal jemand im letalen Krebsstadium zu mir, ich kannte ihn. Im Grunde genommen brauchte er meine Dienste nicht. Er ist dann auch kurz danach gestorben. Als er jedoch bei mir zur Türe eingetreten war, stellte ich ebenfalls fest, dass, wenn er das und jenes radikal ändert, es womöglich eine Chance gäbe, dass er noch weiterleben würde. Das hätte aber sehr viel an Änderung innerhalb von kurzer Zeit in seinem Leben bedeutet. Und das wollte er offenbar nicht leisten. Er hat sich also für den Ausgang entschieden. Er war damit d’accord. Wer damit eher Mühe hatte, waren seine Frau und seine Kinder. Jetzt könnte man sagen: Matthias, du hast einen schlechten Job gemacht. Ich sehe das anders: Denn er war ja damit völlig einverstanden, sonst hätte er nicht diesen Weg gewählt. Er war mit sich im Reinen.
Tiere und Kinder befinden sich übrigens ständig in diesem Zustand: Wenn sie mal nicht wissen, wie es weitergeht, dann schütteln sie sich, und im Anschluss sind sie wieder mit sich im Reinen. Wir erwachsenen Menschen haben nun einen Kopf geschenkt bekommen, das ist wunderbar und wunderschön. Aber manchmal steht der eben quer und möchte uns Dinge einreden, die nicht stimmen. Und unser Gefühl sagt uns etwas ganz anderes. Dann kommt es zu einem inneren Konflikt. Kinder hingegen sind und bleiben bei sich. Sie spüren sich noch. Bei uns im Westen geht das im Laufe der Entwicklung leider verloren oder wird eben verdeckt – welchen Begriff man auch immer dafür verwenden möchte. Den Zugang dazu, den kann allerdings jede und jeder wieder «freischaufeln». Bei manchen dauert es länger, bei anderen kürzer, um wieder in dieses Vertrauen zu kommen.
Am Ende des Tages hat es jedoch einfach mit Vertrauen zu tun, ob das, was ich wahrnehme, real ist oder nicht.
Wie wäre die Pseudopandemie verlaufen, wenn mehr Menschen auf ihre eigene Wahrnehmung vertrauten?
Ich möchte zwischen meiner professionellen Arbeit und meinem persönlichen Erleben unterscheiden: Persönlich war und wurde ich natürlich ebenfalls überrascht und überrumpelt. Und auch jetzt brauche ich hin und wieder noch Zeit, um damit zu gehen und zu wachsen. Mittlerweile kann ich jedoch sagen, dass auch ich das Ganze gebraucht hatte. Zwar findet das mein Ego absolut doof – es hätte diese Erfahrung lieber nicht benötigt. Aber ich habe in dieser Zeit so viele tolle Menschen kennenlernen dürfen, so viele Herzensmenschen, sodass ich heute sagen kann, dass sich dies alles «gelohnt» hat. Ohne jene Ereignisse wäre ich selbst nicht in die Pötte gekommen, wäre ich selbst in meiner Entwicklung stecken geblieben. Insofern brauchte ich das alles.
Es brauchte also eine falsche Pandemie, um zu sehen, was in der Gesellschaft alles falschläuft?
Ja, klar. Es war intensiv und auch intensiv negativ. Als Theologe möchte ich an dieser Stelle folgendes Beispiel bemühen: Ohne Judas kein Christus. Mit anderen Worten: Judas hat es gebraucht. Alle bashen zwar immer auf ihn ein – ich kann das verstehen, weil sein Handeln auch mich wütend macht, denn Judas hat ja Jesus verraten, und danach ist dieser gekreuzigt worden und verstorben. Das kann enorm wütend machen. Dass Jesus schließlich noch auferstehen würde, das wusste zu jener Zeit ja noch niemand. Um aber wieder auf Ihre Frage zurückzukommen: Für mich ist in den vergangenen Jahren ein ähnlicher Mechanismus abgelaufen: Ohne Judas gäbe es Christus nicht, und die Geschichte wäre anders verlaufen. Und ohne die Ereignisse in den vergangenen Jahren sähe unsere Entwicklung ebenfalls anders aus.
Können persönliche Traumata und kann eine traumatisierte Gesellschaft geheilt werden?
Selbstverständlich können persönliche Traumata geheilt werden. Es braucht dazu aber immer auch Motivation und Engagement. Nicht jeder Mann oder jede Frau ist bereit, das zu leisten: Und das ist auch in Ordnung so. Aus der Sicht des Heilers bedrückt mich das zwar manchmal, aber es sollte nicht mein Thema sein. Meine Lehrerin hat immer gesagt, und so empfinde ich das auch:
«Jede und jeder heilt sich schlussendlich selbst.»
In der Schulmedizin ist anerkannt, dass nicht jede oder jeder gesund wird. Wobei heil-zu-sein und gesund-zu-sein ja nicht dasselbe ist. Aber in der Alternativmedizin wird immer erwartet, dass 100 Prozent der Patienten geheilt werden. Dem ist einfach nicht so. Wie ich mit dem Beispiel des letal Krebskranken zu schildern versucht habe, hat schlussendlich jede und jeder einfach ihren oder seinen Weg. Und mir steht es nicht zu, darüber zu urteilen. Das als Ehefrau auszuhalten, wie in obigem Beispiel, stelle ich mir sehr schwer vor. Aber ich durfte in den vergangenen 22 Jahren wirklich Vertrauen fassen, dass das alles seine Richtigkeit hat. Wie schon erwähnt: Die vergangenen vier, fünf Jahre waren für mich auch kein Zuckerschlecken, aber sie hatten ihre Richtigkeit.
Und als traumatisierte Gesellschaft?
Ich hoffe, dass das möglich ist – den Glauben daran habe ich noch nicht –, aber ich wünsche mir, dass eine traumatisierte Gesellschaft geheilt werden kann. Ob ich das noch erleben werde, weiß ich jedoch nicht. Alles, was ich tagtäglich tue, geht von mir aus gesehen in diese Richtung, damit wir dorthin kommen.
Es gibt einen Unterschied zwischen gesund und heil?
Ja. Bestes Beispiel dafür ist erneut dieser Mann im letalen Krebsstadium: Natürlich war er medizinisch gesehen todkrank. Aber er war heil, er brauchte mich nicht, er war mit seiner Situation im Reinen. Er für sich war in der Lage, in Frieden zu gehen. Für die Ehefrau und die Kinder sah das womöglich anders aus. Man kann aber auch krank und unheil sein, das geht natürlich auch. Das ist dann sozusagen das Worst-Case-Szenario. Oder auch gesund und heil. Letzteres wäre natürlich der beste Fall.
Wie kann jemand «ins Reine kommen», der nach der sogenannten Covid-Impfung an schwersten Nebenwirkungen leidet, beispielsweise an Krebs erkrankt ist oder ein unheilbares Nervenleiden hat?
Ich habe keine Ahnung. Das müsste der oder die Betroffene individuell anschauen. Es kam bei mir aber noch nie vor.
Kann jeder andere Menschen oder auch sich selbst geistig heilen? Was braucht es dafür?
Das macht jede und jeder in jedem Augenblick. In der Schweiz gibt es so gesehen neun und in Deutschland 84 Millionen Heilerinnen und Heiler. Und deswegen hege ich eben auch eine gewisse Hoffnung für uns als Gesellschaft.
Was es dazu braucht? Sich selber ernster nehmen, mehr auf sich hören, auf sich und seine Bedürfnisse achten und schließlich dafür gehen. Das ist genug. Das reicht bis ans Ende des Lebens. Ich selbst oder auch jemand anders kann im eigentlichen Sinne niemanden heilen. Ich oder eine andere Person kann im Gegenüber bloß dessen Selbstheilungskräfte aktivieren; diese Rückverbindung herstellen, damit das Gegenüber selbst wieder spürt, was sein nächster Schritt ist. Dass jemand von außen mich kurieren könnte, ist eine falsche Vorstellung – jede und jeder heilt sich selbst.
Und was außerdem möglich ist: Jede und jeder darf sich auch nicht heilen. Das ist dann zwar schwieriger fürs Umfeld, aber wir sind freie Menschen, wir sind freie Wesen; ja, wir sind göttlich. Also dürfen wir das. Uns ist diese Freiheit gegeben.
Gibt es Nebenwirkungen?
Ich sage es jeweils so: Geistiges Heilen kann Auswirkungen haben. Es kann also verändern und zwar massiv. Jene Frau, die meinte, sie wäre ein Kopfmensch, ist nun nicht mehr dieselbe, seit sie spürt, dass das, was sie sich jahrzehntelang eingeredet hat, blöder, alter Kaffee war. Das verändert. Und damit dürfen wir auch klarkommen. Das braucht in der Regel etwas Zeit. Diese haben wir und dürfen wir uns auch nehmen.
Mein Satz für sie war ja schnell gesagt, und bei dieser Frau brauchte dessen Umsetzung schließlich einen Tag. Aber das Nachbearbeiten nimmt so viel Zeit in Anspruch, wie eben nötig. Lässt man sich darauf ein, kann das Auswirkungen haben. Dafür gibt es allerdings keine Garantie. So ein plötzliches Ereignis braucht in der Regel etwas Zeit für die Integration.
Wenn man sich auf geistiges Heilen einlässt, hilft es, an etwas Höheres zu glauben?
Es kann helfen, ist aber keine Voraussetzung dafür. In meiner Wahrnehmung und auch in meinem Erleben gibt es etwas Höheres. Verspürt nun jemand ein Ja, sich so behandeln zu lassen, dann sollte er oder sie das auch machen. Schon bei einem Vielleicht oder Nein, lieber nicht. Es geht meines Erachtens stets darum, sich entschieden darauf einzulassen. Geistiges Heilen hat also viel mit der Bereitschaft zu tun, sich eines Tages ändern zu lassen.
Für mich stellt das Heilen weder eine Technik noch eine Methode dar, sondern eher ein Sein, einen Zustand. Da kann passieren, was will, und ich bin einfach verbunden. Befinde ich mich darin, habe ich die Gewissheit, dass alles richtig ist.
In der Kirchensprache würde man sagen: «Ich habe diesen Glauben», aber das kann natürlich sofort wieder missverstanden werden. Einfach diese Gewissheit, dieses Vertrauen, dass es richtig ist und kommt.
Geht es also um Seelsorge?
Ich mag diese Bezeichnung sehr, «sich um die Seele kümmern». Ich kümmere mich um meine Seele und leite andere hie und da dabei an, es mir gleich zu tun. Das ist alles. Ich habe gelernt, zu vertrauen, dass das, was ich dann tue, reicht.
Als ich im Pfarramt tätig war, war ich auch für eine gehörlose Frau zuständig. Obwohl wir uns von außen gesehen gar nicht hätten verstehen dürfen, haben wir uns einfach verstanden. Das jagte mir zunächst einen riesen Schrecken ein, denn im Theologiestudium kommt dies nicht vor – also dass man sich verstehen kann, obwohl es von außen gesehen keine Möglichkeit zur Kommunikation gibt. Und das hat mich im Endeffekt dazu gebracht, dem auf die Spur zu gehen, bis ich beim geistigen Heilen gelandet bin.
Es gibt so vieles zwischen Himmel und Erde, das wir nicht wissen. Und dem dürfen wir einfach nachgehen, wenn wir das möchten. Das dürfen wir. Dann sind wir frei.
Das Interview führte Sophia-Maria Antonulas.
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