Berthold Bock ist ein vielseitiger Künstler. Als Maler hat er sich in mehreren Stilen ausprobiert, als Filmemacher interessiert er sich für traumhafte Zwischenwelten. Seit der Corona-Krise versucht er zunehmend, mit seinen Arbeiten zum Denken in Graustufen anzuregen. Die gesellschaftliche Spaltung muss überwunden werden, lautet das Motto. Bock präsentiert seine Bilder unter anderem bei Veranstaltungen der Internationalen Agentur für Freiheit (IAFF), organisiert aber auch eigene Ausstellungen. Erst kürzlich lud er zusammen mit seiner Frau, der Bühnenkostümbildnerin und Fotografin Frauke Menzinger, zu der Reihe «REAL» ein. Im Interview mit Transition News spricht er über die gesellschaftlichen Verwerfungen der letzten Jahre, erläutert seinen künstlerischen Ansatz und erklärt, was die alternative Kunstszene für ihn gerade so besonders macht.
Transition News: Herr Bock, Sie haben erst kürzlich mit Ihrer Frau Frauke Menzinger in Berlin die Ausstellung «REAL» organisiert. Könnten Sie den Titel ein wenig erläutern? Worauf bezieht sich der Realitätsbegriff?
Berthold Bock: Die Reihe «REAL» wurde bereits vor Corona von mir und zwei anderen Kollegen aus dem Atelierhaus Milchhof gegründet, die sich wie ich auch mit ihrer Malerei in dem Bereich der Gegenständlichkeit befinden. Es sollte auch eine Replik auf die bereits etablierte Reihe «Focus on Abstraction» anderer Kollegen unserer Ateliergemeinschaft sein. Der Titel «REAL» hatte damals natürlich auch schon einen mehrstimmigen Subtext und zielte auf inhaltliche und formale Fragen ab, die sich einerseits in jeglicher Form der Gegenständlichkeit ansiedeln und eine Bandbreite abbilden von Naturdarstellungen bis hin zu politischen Realitäten.
Ironischerweise fand dann die erste Ausstellungseröffnung direkt zu Beginn des ersten Lockdowns statt, also zu Beginn der sogenannten «neuen Realität», und blieb in unserem Glaskasten – dem Pavillon am Milchhof – monatelang aseptisch hängen. Nachdem sich meine beiden Kollegen aus Zeitgründen von der weiteren Organisation zurückgezogen hatten, hatte ich das Glück, die Reihe mit meiner Frau Frauke Menzinger zusammen weiterführen zu können. Sie ist bildnerisch im Bereich der Fotografie angesiedelt und konnte bei der kuratorischen Arbeit durch ihr Fachwissen viele neue und sehr schöne Akzente setzen.
Die Ausstellung hatte auch die Zielsetzung, die Betrachter zum Denken in Graustufen zu animieren. Warum ist das überhaupt notwendig?
Na ja, Graustufe, oder das Denken in Graustufen ist ja bereits für die Erstellung jeder Art von Kunstwerken notwendig. Ohne jegliche Abstufung oder dem bewussten Auslassen jeglicher Abstufung kann keine formale Spannung erzeugt werden. Meine Frau und ich hatten vor unserer gerade zu Ende gegangenen «REAL»-Reihe ein intensives Gespräch mit einem alten Freund und Kollegen über die Graustufen in der Fotografie. Er versucht, sich so weit wie möglich noch der analogen Technik zu bedienen, da nur diese in der Lage ist, den tatsächlichen Übergang von einer Graustufe zur nächsten ohne Sprünge abzubilden. Beim Digitalen landest Du im Endeffekt immer bei 0/1, also einem Sprung.
Diese Analogie hat uns zu dem Titel gebracht, da sich ja die Diskussion im gesellschaftlichen Bereich auch stark um die Problematik des digitalen Denkens und Handelns dreht. Zum Beispiel erwähnt das unter anderem der Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen mehrmals in seinen Publikationen. Dieses 0/1, also ohne Abstufung, Begriff gegen Begriff – Geimpft/Ungeimpft etwa oder Krieg/Frieden – hat sich ja dann spätestens seit 2020 in einer erbarmungslosen Art und Weise Bahn gebrochen. Wenn man so will, driften seitdem Form und Inhalt im gesellschaftlichen Miteinander unaufhaltsam auseinander. Wir müssen also wieder zurückfinden zu den Graustufen und können hier vielleicht von der Kunst lernen.
Wie finden wir gesellschaftlich wieder zurück zu den Graustufen?
Das ist eine gute Frage. Ich denke, dass sich das tatsächlich mehr im analogen Raum angehen lässt. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass die meisten Menschen einem im Grunde mit guten Absichten begegnen. Es ist wahrscheinlich jedem von uns schon passiert, dass man auf der Ebene des persönlichen Austausches Dinge über andere Menschen erfahren hat, die man denen sowohl im Positiven wie im Negativen nicht zugetraut hätte. Wenn zum Beispiel bei einem Gespräch der Elefant aus dem Raum geschoben wurde und man dem Gegenüber eröffnet, man sei auf vielen der Anti-Maßnahmen-Demos gewesen, sei ungeimpft, habe die drohende Impfpflicht durch die Teilnahme an Montagsdemos aktiv verhindert, dann muss das Gegenüber diese Graustufen erst verarbeiten: Ich unterhalte mich sehr angeregt über dies und das, finde das Gegenüber sympathisch und muss dann als Geimpfter und Maßnahmen-Befürworter einordnen, dass der Andere eigentlich mein Feind sein müsste.
Das fällt schwerer, da der persönliche Kontakt den digitalen 0/1-Moment, den Sprung, verhindert und ich mich in einem emotionalen Graubereich bewege. Auch wenn sich so eine Situation natürlich nicht immer positiv entwickelt, heißt es doch, dass wir, wenn möglich, viele Begegnungen in der tatsächlichen Realität nutzen sollten, um Gräben, Schnitte oder Wunden wieder zu überwinden. Wir haben bei unserer Ausstellungsreihe «REAL» ja erlebt, dass Menschen tatsächlich auf eine respektvolle Art und Weise über andere ins Nachdenken kommen. Manche Weggefährten, bei denen wir eigentlich nicht damit gerechnet hätten, haben sich bei uns für das Ausrichten der Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe sehr bedankt. Wir müssten also tatsächlich die Cancel Culture überwinden, um wieder offene Diskurse stattfinden zu lassen.
In Ihren Bildern sind überwiegend Landschaften zu sehen. In ihrem Stil erinnern sie an die Malerei der Romantik. Was fasziniert Sie an dieser Kunstströmung? Warum spielt sie in Ihrer eigenen künstlerischen Arbeit eine so große Rolle?
Ich habe in meiner langen künstlerischen Auseinandersetzung alle möglichen Stile durchmessen und bin vor ca. 15 Jahren in der Natur gelandet. Also von frühen tachistischen, abstrakten Werken über kontrollierte architektonische Gebilde hin zu dem momentanen Genre. Wenn man so will, habe ich innerhalb der Kunstgeschichte den Rückwärtsgang eingelegt. Und wie man vom Autofahren weiß, birgt das Rückwärtsfahren gewisse Risiken in sich.
Mit Landschaften bewegt man sich immer auf des Messers Schneide zu Kitsch. Aber man kann es nach einem Zitat von Rilke auch anders sehen: «Die Macht des ganz Künftigen sieht für den ungeübten und erhitzten Blick der Autorität der Vergangenheit zum Verwechseln ähnlich.» Im Grunde wurde mein Interesse für die Landschaft und die Romantik von meinem Vater geweckt. Er war ein großer Verehrer der Romantiker und hätte mit seinem malerischen und zeichnerischen Talent auch Künstler werden können, entschied sich dann aber in der Tradition seiner Familie für die Geisteswissenschaften.
In meinem Elternhaus hingen viele Zeichnungen und Bilder von ihm. Eines war ein wirklich sehr schönes Waldstück. Als er dann im Sterben lag, saß ich in meinem Atelier und habe, motiviert durch meine tiefe Verbundenheit zu ihm, meine erste große Waldlichtung gemalt. Bis dahin schien es mir als Künstler im zeitgenössischen Kontext nicht machbar, sich der Landschaftsmalerei zuzuwenden. Seitdem habe ich mich tatsächlich in der Natur verlaufen, wurde von ihr aufgesogen. Ich habe die Unendlichkeit dieses Themas unterschätzt. Das kann man vielleicht als einen sehr romantischen Moment bezeichnen. Wobei ich mich momentan formal eigentlich zwischen den Romantikern, dem Realismus eines Courbet und teilweise den Impressionisten bewege.
«Sturm» (it is rising), 110 x 190 cm, Öl auf Leinwand, 2020; Quelle: Berthold Bock
Die Romantik spielte in den verschiedenen Künsten, zumindest in Literatur und Malerei, mit der Verwischung von Grenzen, auch zwischen Realität und Phantasie. Wie passt das zu der anfangs erwähnten Ausstellung, die ausschließlich die Realität in den Mittelpunkt stellt?
Der Titel «REAL» spielt durch seine Klarheit natürlich auch mit der Unklarheit dieses Begriffes. Der Titel «REAL?», also mit Fragezeichen, wäre zu durchsichtig. Aber natürlich ist die Romantik, besonders in der bildenden Kunst, ohne bewusstes Weglassen und bewusstes Überhöhen gar nicht denkbar. In besonderem Maße in dem Bereich der schwarzen Romantik. Hier war ich zum Beispiel vor Corona an der großen Wanderausstellung «Neue schwarze Romantik» beteiligt und mit meinen nächtlichen Waldstücken innerhalb der Ausstellung noch einer der stärksten Realisten.
Bei der aktuellen Reihe hat sich der Titel «REAL» für meine Frau und mich sehr angeboten, um mit Hilfe der Subtilität von bildender Kunst eine Brücke zu den Diskussionen über verschieden wahrgenommene gesellschaftliche Realitäten zu bauen. Mit «REAL» haben wir also auch versucht, diese zeitgeschichtlich realen Ereignisse künstlerisch transzendiert an einem Ort sichtbar zu machen, der auch ein vielschichtigeres Publikum anziehen kann, um somit den so wichtigen Dialog zu forcieren.
Deshalb wurden in die jeweiligen Ausstellungseröffnungen auch immer wieder Veranstaltungen aus anderen Bereichen eingewoben, um einen Austausch über Realitäten stattfinden zu lassen. Dazu hat zum Beispiel auch die Lesung von Michael Andrick viel beigetragen.
Sie sind nicht nur bildender Künstler, sondern auch Filmemacher. Mit welchen Themen setzen Sie sich in diesem Metier auseinander?
In meinen Kurzfilmen, wo ich immer mit meiner Frau als Szenenbildnerin zusammenarbeiten darf, verabschiede ich mich tatsächlich aus der Realität und begebe mich in traumhafte, psychische Zwischenwelten. Hierfür und für die bildhafte Narration scheint mir der Film das beste Medium zu sein. Ich bin auch ein Fan von Luis Buñuel und nicht von Salvador Dalí – außer bei deren kongenialem filmischen Werk «Der andalusische Hund».
Ich lebe also im Film meine narrative Ader aus und verwende meine eigene Malerei quasi als Protagonistin neben professionellen Schauspielern und Schauspielerinnen, um die surreale Handlung voranzutreiben. Die Filme erschaffen also eine Erzählung zu meiner Malerei.
Sie haben gerade gesagt, dass Sie sich in Ihren Filmen in «traumhafte, psychische Zwischenwelten» begeben. Was fasziniert Sie an diesen Zwischenwelten?
Ich vergleiche das Filmemachen auch gerne mit der Möglichkeit des luziden Träumens. Ich kann also über meine Träume selber bestimmen, ohne auf die dem Träumen inhärente Logik zu verzichten. Das Dehnen und Beschleunigen von Zeit, das Springen von Real zu Surreal, von Physisch zu Psychisch, wie man es beim Träumen erlebt, kann das Kino sehr stark abbilden. Diese Kraft fasziniert mich an diesem Medium, weniger das Potenzial, die Wirklichkeit darzustellen. Und natürlich, dass es wie die Oper multimedial ist, die Verschränkung von Bild, Musik und Erzählung ermöglicht.
Still aus dem Kurzfilm «Verloren ist in mir», 2010; Quelle: Berthold Bock
Wie sind Sie überhaupt zum Film gekommen?
Ich habe mich in meiner gesamten künstlerischen Laufbahn parallel mit vielen verschiedenen Kunstgattungen beschäftigt. Ich spiele unter anderem seit Jahren auch nebenher in einer Postrock-, Postpunk-Band. Wie die Musik begann mich also auch der Film, mit ersten Super-8-Experimenten, früh zu begleiten. Ich hatte dann während meines Studiums an der Hochschule für bildende Künste Dresden das große Glück, in der Fachklasse Film und neue Medien des Künstlers und Filmemachers Lutz Dammbeck zu studieren. Sehr zu empfehlen ist sein Film «Das Netz», in welchem er bereits 2004 auf die Problematik des Cyberspaces und die klandestinen Strukturen bei dessen Entstehung hinweist, unter anderem durch die Beschäftigung mit dem sogenannten «UNA-Bomber» Ted Kaczynski.
Ich habe also wegen meines anhaltenden Interesses für den Film neben der Fachklasse für Malerei von Hans Peter Adamski auch in der Filmklasse studiert. Dammbeck, ein ebenso durch die verschiedensten Gattungen wandelnder Künstler, war ein vorbildlich engagierter Professor und hat seine Studentinnen und Studenten bei der Realisierung ihrer Projekte stark unterstützt. Meine Frau und ich haben dann auch zusammen bei ihm unseren Abschlussfilm «ZERO» gedreht.
Nun haben Sie mit der Bildenden Kunst und dem Film zwei unterschiedliche Ausdrucksformen gewählt und können vergleichen. Was macht sie jeweils aus? Wo liegen ihre jeweiligen Vorzüge?
Beide Kunstformen sind von meinem Selbstverständnis her überwiegend bildhaft. Wenn man an den «andalusischen Hund» als Stummfilm denkt, so funktioniert er fast nur durch seine drastischen Bilder. Ebenso bin ich ein großer Verehrer von Andrei Tarkowski und David Lynch. Auch hier wird das meiste durch die Bilder getragen. Es kommt beim Film aber der immens wichtige Aspekt der Zeit hinzu. Nicht umsonst hat Tarkowski in seinem wunderbaren Buch «Die versiegelte Zeit» den Film primär als das Zeitmedium beschrieben. So wie die Musik ja auch ein Zeitmedium ist.
Das heißt, mit Film versuche ich, die Zeit zu gestalten, konfrontiere mich mit der Zeit. In der Malerei bewege ich mich außerhalb der Zeit. Bei einem Film kann der Betrachter das Kunstwerk nur innerhalb der gegossenen Zeit erleben. Eine Malerei kann man zwei Sekunden oder einen Tag lang betrachten. Sie existiert außerhalb der Zeit des Betrachters. Und wie schon oben gesagt, hat der Film die Kraft der Narration von der Malerei als Bildmedium übernommen. Wenn man so will, hat das lange vor dem Film natürlich noch stärker der Roman geschafft, durch die Erzeugung von «Bildern im Kopf».
Sie nehmen auch regelmäßig an den Veranstaltungen der Berliner Internationalen Agentur für Freiheit (IAFF) teil, eines Kollektivs aus kritischen Künstlern, die seit der Corona-Krise in ihren Werken auf Missstände in Politik und Gesellschaft hinweisen. Wie beurteilen Sie die neue Szene? Wie viel Wirkmacht hat sie?
Ich nehme gerade mit einer Ausstellung im Sprechsaal Berlin zum zweiten Mal als Künstler bei der IAFF teil. Sehr interessant daran finde ich, dass hier durch eine rein inhaltliche Übereinstimmung eine große formale Vielschichtigkeit zu beobachten ist. Es handelt sich bei diesen Ausstellungen ja in gewisser Weise um schönes, unterschiedlichstes Treibgut, welches durch den Sturm der 2020er-Jahre gemeinsam an Land gespült wurde. Also um alle möglichen Menschen, die sich erst seit kurzem, in Teilzeit oder eben schon lange vollumfänglich mit der bildenden Kunst auseinandersetzen. Alle eint der Schock, die Verletzung, das Nicht-Glauben-Wollen, das Aufwachen, das Nicht-Mehr-So-Weitermachen-Wollen.
Mich hat zum Beispiel auch das Schweigen und kalte Unterstützen der Maßnahmen inklusive 2G-Regeln und drohender Impfpflicht durch viele Kunstinstitutionen und Künstlerkollegen stark befremdet. Man kann die IAFF also zum Beispiel nicht mit klassischen kollektivistischen Kunstrichtungen wie dem Expressionismus vergleichen, da sich hier der Zusammenhalt besonders auf formaler Ebene vollzog. Deswegen würde ich bei der IAFF vielleicht mehr von dem sehr engagierten und bewundernswerten Versuch sprechen, alternative Strukturen zu einer vorherrschenden Kunstszene zu bilden, zusammen mit Leuten, die einfach in Ordnung sind.
Was die Wirkmacht betrifft, so kann man über diese nicht viel sagen, außer dass sie gegenwärtig für die beteiligten Künstler und das Publikum eine starke Anziehung – manchmal auch auf therapeutische Art – ausübt, da man sich hier immer noch mit vielen lieben Menschen in einem geschützten Raum bewegt. Dieser geschützte Raum ist natürlich nicht nur so gewollt, sondern auch durch die vorherrschende Cancel Culture gebildet worden.
Deswegen glauben meine Frau und ich auch nach unserer Erfahrung mit «REAL», dass man immer wieder versuchen muss, diesen Raum zu öffnen, um mit allen ins Gespräch zu kommen, um nicht irgendwann in einer reinen Echokammer zu verbleiben.
Aber dieser Raum kann sich tatsächlich nur durch neue physische Räume öffnen und irgendwann auch nur durch eine finanzielle Struktur wachsen, abseits von staatlichen Förderungen, die ja für diese Szene auch nur noch selten in Frage kommen.
Ich denke auch, dass das Entstehen eines ernsthaften Sammlerkreises für die Werke dieser bildenden Künstler ein nächster wichtiger Schritt wäre. Hierbei vielleicht vergleichbar mit den Sammlern in den 1920er Jahren, die ja auch aus inhaltlichen Gründen zum Teil formal querbeet sammelten. In weiter Zukunft kann es natürlich sehr gut sein, dass diese Kunst dann in den Museen landet. Besonders auch wegen des zeithistorischen Kontextes. Auch für diesen sehr weit getragenen Gedanken wäre ein Sammlernetzwerk sehr hilfreich.
Wie sehen Ihre Zukunftsprojekte aus? Planen Sie eine weitere Ausstellungsreihe? In welche Richtung werden Ihre Bilder gehen? Gibt es eine neue Idee für einen Film?
Die Arbeit im Atelier wird sich erstmal wieder zurück ins Licht bewegen, nach meinem Abtauchen in die absolute Dunkelheit mit den letzten Reihen «Finally Peace» und «Fading». Die Leinwände für eine neue Serie sind grundiert. Eine wuchernde, in manigfaltigen Grüntönen stattfindende Natur, inspiriert von den moosüberwachsenen Wäldern der Vogesen.
«Finally Peace», 130 x 180 cm, Öl auf Leinwand, 2024; Quelle: Berthold Bock
Bei Wanderungen entlang der ehemaligen Front des ersten Weltkrieges wird einem bewusst, wie sich die Natur immer über alles erhebt, alles, auch den größten Schrecken, wieder zu sich zurückholt, diesen bedeckt. In diesen Nebelwäldern spürt man diese übergeordnete Macht.
Eine weitere Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe wird gerade zusammen mit meiner Frau und anderen Kolleginnen und Kollegen für 2025 an einem anderen Ort angedacht, ist aber noch zu sehr in den Kinderschuhen, um jetzt schon darüber zu sprechen. Dann wird es eine Gruppenausstellung unter dem Titel «Wunden» geben, zu der ich eingeladen wurde. Und meine Frau und ich werden hoffentlich die Reihe «REAL» 2026 wieder im Pavillon am Milchhof organisieren können. Zu der einen oder anderen Veranstaltung der IAFF werde ich vielleicht auch wieder eingeladen. Abgesehen davon sind für die zwei kommenden Jahre ebenso Einzelausstellungen in Planung.
Was den Film betrifft: Auch wenn ich im Schnitt nur alle vier bis fünf Jahre einen Film drehe, liegt mir das Filmemachen seit «Colonna», dem letzten Projekt vor sechs Jahren, schon zu lange auf Eis, unter anderem weil mich die Vorgänge seit 2020 auch privat zu sehr beschäftigt haben. Die Umsetzung eines Films benötigt sehr viel Energie. Und ebenso wäre hier auch eine Finanzierung jenseits der staatlichen Förderstellen wünschenswert. Aber eine schöne Idee liegt fertig in der Schublade. Ich hoffe, dass ich diese in naher Zukunft zusammen mit meiner Frau und meinem bewährten Team verwirklichen kann. Die Geschichte dreht sich um einen illegalen Händler, der in einer abgesperrten verbotenen Zone – an «Stalker» von Tarkowski erinnernd – analoge Gerätschaften, analoge Bücher, analoge Malereien etc. unter dem Radar in eine verbliebene digitale Außenwelt verkauft. Also auch eine Figur, die sich im Graubereich bewegt, wenn man so will.
Das Gespräch führte Eugen Zentner.