Seit Monaten warnt die Swiss National Covid-19 Science Task Force vor Lockerungen und malt eine Drohkulisse nach der anderen an die Wand. Doch die Realität sieht anders aus. Seit Februar sterben in der Altersgruppe von 65 Jahren und älter deutlich weniger Menschen, als statistisch zu erwarten war. Es herrscht eine Untersterblichkeit (Corona-Transition berichtete).
Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) starben in den letzten sieben Wochen bei den über 65-Jährigen 1288 Menschen, rund 15 Prozent weniger als erwartet. Die Erklärung dafür lautet gemäss dem BFS: Die Grippewelle ist diesen Winter ausgeblieben. Und ein Teil derjenigen Menschen, die im Winter 2020/2021 gestorben sind, waren bereits alt und krank, dass ihr Leben – wenn überhaupt – nur um wenige Wochen abgekürzt wurde.
Doch zurück zur Taskforce: Diese plädierte im Januar 2021 für einen Lockdown. Das Beratergremium des Bundesrats sah darin einen grossen Nutzen, weil somit Lebensjahre gerettet werden könnten. Dabei ging die Taskforce von einer durchschnittlich erwarteten weiteren Lebensdauer der Menschen, die zurzeit in der Schweiz an oder mit Covid-19 sterben, zwischen 5,4 und 6,8 Jahren aus.
Demgegenüber stünden Einkommenseinbussen zwischen 25 und 110 Millionen Franken täglich, solange nicht zu einer normalen Situation zurückgekehrt werden könnte. Das Fazit des Beratergremiums des Bundesrats lautete:
«Auch unter konservativen Annahmen übersteigt – dank der gewonnenen Lebensjahre – der in Geldwerte umgerechnete gesundheitliche Nutzen weitergehender Massnahmen gemäss unserer Schätzung die wirtschaftlichen Kosten solcher Massnahmen.»
Keine realistischen Annahmen
Diese Berechnungen haben jedoch nur wenig mit der Realität zu tun. Dieser Ansicht ist Konstantin Beck. Der Gesundheitsökonom und Titularprofessor der Universität Luzern kritisierte in der Sonntagszeitung die Berechnungen zur Lebenserwartung scharf. Diese, so Beck, beruhten auf falschen Annahmen. Die Berechnungen berücksichtigten nicht, dass mehr als die Hälfte der mit oder an Corona verstorbenen zuletzt in Pflegeheimen gelebt hätten.
In den Heimen beträgt die Lebenserwartung am Tag des Eintritts gemäss dem BFS im Durchschnitt 852 Tage. Da die Bewohner bereits unterschiedlich lange im Heim sind, reduziert sich die durchschnittliche Restlebenserwartung laut den Berechnungen von Beck auf nur noch 426 Tage. Dazu Beck:
«Die Zahl der gemäss Taskforce geretteten Lebensjahre reduziert sich bei Verwendung realitätsnaher Werte um drei Viertel.»
Entsprechend betrachtet der Gesundheitsökonom die Restlebenserwartung für die über 65-Jährigen auch als «massiv überschätzt». Und folglich reduziere sich auch der Nutzen des Lockdowns stark (Corona-Transition berichtete bereits mehrfach darüber, dass Lockdowns hinsichtlich des sogenannten Infektionsgeschehens sinnlos sind).
Pikant: Das Medianalter der Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 beträgt in der Schweiz gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) 85 Jahre – unabhängig davon, ob die Personen mit oder an Corona verstorben sind. Das Medianalter ist somit höher als die durchschnittliche Lebenserwartung der Schweizerinnen und Schweizer. Diese lag 2019 laut dem BFS bei etwas unter 84 Jahren (81,9 Jahre bei den Männern und 85,6 bei den Frauen). Gerade auch vor diesem Hintergrund bleibt es fragwürdig, wie die Taskforce auf die zusätzliche Lebensdauer von 5,4 bis 6,8 Jahren kommt.
Zu einem ähnlichen Fazit wie Beck gelangte unlängst auch ein Rechtsgutachten, das Gastrosuisse in Auftrag gegeben und vergangene Woche veröffentlicht hat (Corona-Transition berichtete). Das Gutachten bezweifelt die Rechtmässigkeit der vom Bundesrat festgelegten Kriterien und Richtwerte für den Lockdown. Kritisiert wird insbesondere das Fehlen eines Indikators für die Über- oder Untersterblichkeit nach Altersstufen. «Solange keine Übersterblichkeit vorhanden ist, rechtfertigen sich einschneidende Massnahmen wie Betriebsschliessungen kaum», heisst es im Gutachten.