Der Berliner Maler Frank J. Schäpel beschäftigt sich in seinen Bildern mit brisanten Themen der Zeit. Nicht selten wählt er eine Perspektive, die in offiziellen Narrativen ausgeblendet wird. Das macht sein Künstlerdasein nicht gerade einfach. Museen oder Galerien entwickeln Berührungsängste, stellen seine Werke nicht aus oder sagen Ausstellungen ab. Wie viele kritische Künstler ist auch Schäpel mehrmals zum Opfer der Cancel Culture geworden – das letzte Mal vor wenigen Wochen. Für den Zeitraum 5. 9. – 7. 12. 2025 war eine Ausstellung seiner Bilder in dem Schweizer Privatmuseum MACT/CACT (Museo e Centro d’Arte Contemporanea Ticino) geplant. Der Betreiber hatte sie letztes Jahr selbst vorgeschlagen und sich diesbezüglich an Schäpel gewandt. Nun wurde sie kurzfristig abgesagt – aus fadenscheinigen Gründen. Der Künstler hält sie nicht für überzeugend und vermutet andere Ursachen. Im Interview spricht er darüber und nennt die Gefahren der Cancel Culture.
Transition News: Herr Schäpel, die Cancel Culture greift weiter um sich. Auch Sie sind nun zum Opfer geworden. Eine lange geplante Ausstellung wurde kurzzeitig abgesagt. Wie haben Sie davon erfahren?
Frank J. Schäpel: Durch einen Blick auf die Webseite des Museums nach unbeantworteten E-Mails. Auf der Webseite waren plötzlich alle Ausstellungsankündigungen und Werke entfernt. Stattdessen waren andere Ausstellungen bis ins Jahr 2027 angekündigt.
Welche Gründe nannte das Museum?
Zuerst gar keine, nach wiederholter Nachfrage sprach man wolkig von Umstrukturierung und fehlender Finanzierung.
Sie gehen jedoch vom bewussten Canceln aus. Warum?
Weil diese Begründung nicht stichhaltig ist. Kunstinstitutionen wie Museen und Kunstvereine planen sehr langfristig. So war auch meine Ausstellung bereits seit Juni 2024 fest verabredet und auf der Webseite angekündigt worden. Eine so lange geplante Ausstellung dann sechs Wochen vor Eröffnung ohne triftigen Grund zu streichen, ist nicht normal.
Welche Gründe vermuten Sie dann für die kurzfristige Absage?
Da kann ich nur spekulieren, nachvollziehbare Gründe wurden mir ja nicht genannt. Liegt es an meinen Bildthemen oder an den Personen und Ausstellungsorten, mit denen ich seit Juni 2024 zusammengearbeitet habe? Wurde der Direktor von Freunden, Mitarbeitern oder Förderern vor negativen Folgen gewarnt?
Wie würden Sie selbst Ihre gesellschaftspolitischen Positionen beschreiben?
Als Antwort ein Zitat von Michel Houellebecq:
«Jede Gesellschaft hat ihre schwachen Stellen, ihre Wunden. Legen Sie den Finger auf die Wunde und drücken Sie schön fest zu. Erkunden Sie die Themen, von denen niemand etwas wissen will.»
Das ist ein wenig abstrakt ausgedrückt. Könnten Sie da etwas konkreter werden? Mit welchen Wunden setzen Sie sich in Ihren Bildern auseinander?
Nun, ich interessiere mich vor allem für die lebensgefährlichen Angriffe und Gefahren gegen unsere Gesellschaft – unabhängig davon, wie schmerzhaft oder bedrohlich die verursachten Verletzungen von den Betroffenen wahrgenommen werden. Als Beispiele nenne ich die global aufgezogene COVID-19-Agenda oder die rücksichtslos gegen die europäischen Völker betriebene Umsiedlungs- und Migrationspolitik der Führungseliten. In meinen Bildern greife ich jeweils Teile der neu entstandenen Realitäten auf und versuche, sie vorurteilsfrei zu dokumentieren.
Welche Bilder hätten Sie bei der Ausstellung präsentiert?
Meine Bilder zu Gesellschaft, Politik und Geschichte. Das entspricht auch der Ankündigung auf der Museumswebseite. Ein Schwerpunkt wäre hierbei sicherlich meine neue Serie zum Zweiten Weltkrieg und heutigen Waffensystemen gewesen.
Warum setzen Sie sich mit dem Zweiten Weltkrieg auseinander, wenn es doch derzeit mehrere Kriegsherde gibt, die sich zu einem Dritten Weltkrieg ausweiten könnten? Wäre das nicht viel interessanter?
Gute Frage. Ich brauche Distanz. Auch George Orwell hätte genug Stoff in den Kriegen seiner Zeit gehabt. Darum ist seine Entscheidung, mit «1984» ein rein fiktives Werk zu schreiben, aber nicht automatisch falsch. In der Kunst, mehr noch als im Journalismus, lohnt oft auch ein Schritt zurück, um die Vergangenheit zu untersuchen oder auch einfach nur einen besseren Überblick über unsere jetzige Situation zu erhalten. Und ich denke, dass wir als Deutsche gar nicht verstehen können, wer wir sind, wenn wir uns nicht mit den Erfahrungen unserer Vorfahren in den Weltkriegen und dem Einschnitt von 1945 auseinandersetzen. Ohne dieses Verständnis aber werden wir weiter blind in die Zukunft und in die in ihr angelegten Katastrophen straucheln.
Welchen Schaden haben Sie durch die kurzfristige Absage erlitten?
Das ist schwer zu beziffern, da vorab natürlich nicht klar ist, welche Kontakte, Berichterstattungen, Ausstellungsangebote und Verkäufe sich ergeben hätten.
Das war nicht nur auf den materiellen Schaden bezogen, sondern auch auf den psychischen? Machen solche Cancel-Fälle auch emotional etwas mit Ihnen?
Womöglich bin ich für eine nüchterne Bestandsaufnahme der Schäden mittlerweile bereits zu punch drunk (aus dem Kampfsport entlehnter Begriff, wörtlich: «schlag-trunken»; Anmerkung der Redaktion). Doch Scherz beiseite: Sicherlich wirkt solch ein Schlag auch auf die Psyche. Aber er klärt auch einiges. Und er kommt nicht vollkommen unerwartet. Die schon vorher bestehende Dissonanz zwischen der Mainstream-Kultur und meiner Position hat hier lediglich zu einer anschaulichen Form gefunden. Das hat auch etwas erfrischend Ernüchterndes. Und die von anderer Seite mir entgegengebrachte Sympathie und Solidarität bestärkt mich, meinen Weg einfach weiterzugehen.
Wie gehen Sie dagegen vor?
Juristisch? Gar nicht. Wichtig ist mir aber, diesen für mich unakzeptablen Vorgang öffentlich zu dokumentieren.
Wurden Sie schon mal zuvor gecancelt? Oder machen Sie diese Erfahrung zum ersten Mal?
Nein, das ist beileibe nicht das erste Mal. In den meisten vergangenen Fällen kann ich ein Canceln aber nur vermuten, da Kuratoren und Leiter von Kunstinstitutionen vermieden, die Absagen und deren wirkliche Gründe offen zu kommunizieren. Es gab allerdings einen Fall, in dem mir ein Co-Kurator direkt ins Gesicht sagte, warum er für meinen Rauswurf aus einer Gruppenausstellung sorgen werde. Seine Gründe waren zunächst die seiner Meinung nach inkorrekte Weltanschauung, die sich in meinen Bildern abzeichne. Und schließlich die Vermutung, ich könnte die falsche Partei wählen.
Welche Gefahren sehen Sie in der Cancel Culture?
Cancel Culture, Kontaktschuldlogik und Zensur sind Gift für jede lebendige Kultur. Diese Phänomene vermögen, die Kultur über kurz oder lang zu kastrieren oder ganz auszutilgen. Unter ihnen ist Demokratie zudem nur in ihrer pervertierten Form möglich.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Cancel Culture wieder zurückzudrehen?
Wenn genug Menschen die Sprechverbote und Kontaktschuldregeln bewusst missachten, sollte diese Unkultur früher oder später einfach in sich zusammenbrechen. Hierbei hilft es, Wahrheit und Wirklichkeit auf seiner Seite zu haben. Gegenmaßnahmen des Cancel-Culture-Systems in Form von sportlichen oder auch ganz und gar unsportlichen Fouls sind bei diesem Spiel aber leider mit einzukalkulieren.
Das Gespräch führte Eugen Zentner.