In Deutschland herrscht Empörung, weil Amerika
allein mit Russland über eine Waffenruhe in der Ukraine
verhandelt. Doch das ist kein Wunder: Europa hat
die Chance verpasst, diplomatische Lösungen zu finden.
Sascha Hach, Welt, 26. Februar 2025
Liebe Leserinnen und Leser!
Zum Ausgang der Bundestagswahlen in Deutschland haben wir von Transition News ausgiebig Stellung bezogen, etwa mit dem Kommentar «Bundestagswahl 2025: Personalwechsel statt Kurswechsel» meines Redaktionskollegen Tilo Gräser und mit meinem Newsletter «BlackRock statt Kennedy-Frische – gute Nacht Deutschland!».
Das Traurige ist aber nicht nur, dass das, was jetzt politisch in Deutschland zu erwarten ist, keine wirkliche Wendung zum Besseren verheißt, sondern das eine riesige Chance vertan wurde, Menschen mit dem Stimmzettel nach oben zu wählen, mit denen eine solche Wende zum Besseren überhaupt erst möglich wäre.
Symbol hierfür ist für mich Sahra Wagenknecht, Gründerin und Chefin des Bündnis Sahra Wagenknecht, kurz BSW. Dieses ist denkbar knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert und wird somit in der kommenden Legislaturperiode nicht im Bundestag vertreten sein – es sei denn, dem BSW gelingt es, die Bundestagswahl juristisch erfolgreich anzufechten und doch noch über die Fünfprozenthürde zu hüpfen.
Das BSW zieht auch in Erwägung, Klage einzureichen, und nennt dafür mehrere Gründe. So beklagt Wagenknecht:
«Dass uns [das Meinungsforschungsinstitut] Forsa ... weniger als 48 Stunden vor der Wahl auf drei Prozent heruntergesetzt hat, verbunden mit breiter Berichterstattung, war keine Wahlprognose, sondern eine gezielte Aktion zur Manipulation von Wahlverhalten. Diese Umfrage war 66 Prozent weg von dem Wahlergebnis, das wir am Sonntag erzielt haben. Eine solche Fehlertoleranz kann einem Umfrageinstitut, das seriös arbeitet, nicht passieren.»
Teil dieser «breiten Berichterstattung» war die Bild, die am 28. Januar den Beitrag brachte «BSW nur noch bei 3 Prozent: Wagenknecht wittert Manipulation» und in dem es heißt: «Doch für die Behauptungen [der Wahlmanipulation] gibt es keine Belege.»
Zudem wird von Wagenknecht beklagt, dass in einigen Wahllokalen die Wählerinnen und Wähler das BSW mit der Partei Bündnis Deutschland (BD) verwechselt haben und dem BSW somit Stimmen verloren gegangen sein könnten.
Tatsächlich war es geradezu absurd, dass auf Stimmzetteln wie dem, der mir in Hamburg in dem mir zugewiesenen Wahllokal in die Hand gedrückt wurde, in der Liste der insgesamt 13 zur Auswahl stehenden Parteien das BD direkt über dem BSW genannt war. Beide Namen fangen wohlgemerkt mit «Bündnis» an (siehe Foto).
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Foto: Torsten Engelbrecht
Eine Logik dahinter ist nicht zu erkennen. Die 13 Parteien in der Liste waren nach keinem erkennbaren Muster sortiert: nicht alphabetisch und auch nicht nach der durch Umfragen sich ergebenden Stimmenstärke. Wieso also BD und BSW direkt übereinander platzieren? Und wieso wurde das BSW ganz nach unten, sprich an die letzte Stelle der Liste gesetzt, wo es doch von der Stimmenstärke her in die Region von FDP und Linke gehört hätte, also auf Höhe der Positionen 4 und 5?
Dass das BSW vom Wahlergebnis da steht, wo es – Stand jetzt – steht, hat freilich auch mit anderen Faktoren zu tun. Vor allem beim Thema Migration, das letztlich zum fast alles beherrschenden Thema im Bundestagswahlkampf wurde, konnte das BSW mit seinem eher «harten» Kurs nicht wirklich punkten. Zum einen dürften viele «erfahrungsgemäß eher das Original als die Kopie», nämlich die AfD, gewählt haben, wie es die Nachdenkseiten formulieren haben.
Zum anderen haben wohl die Abstimmungen über zwei von der AfD unterstützte Entschließungsanträge zum Thema Migration und einen Gesetzesentwurf der CDU dem BSW sehr geschadet. Zwar kritisierte Wagenknecht selbst im Bundestag das Ganze als eine Propagandashow. Dennoch hat man bei den beiden Entschließungen einmal mit Nein gestimmt und sich ein Mal enthalten, während man dem CDU-Gesetzentwurf – zusammen mit der AfD – zustimmte.
Auf dieses Bundestagstrauerspiel folgten dann die «antifaschistischen» Großdemonstrationen, «auf denen vor allem die Gefahr einer mit «Faschisten» kooperierenden CDU beschworen und das BSW auch entsprechend angeschossen» wurde, so die Nachdenkseiten.
Die Linke schaffte dann mit großem Wählerrückenwind den Einzug in den Bundestag, während Wagenknecht mit ihrem BSW in die Röhre guckt. Das ist höchst bedauerlich, denn von der Linken ist im Grunde nichts zu erwarten. Das zeigt sich nicht nur daran, dass Die Linke bei ihren Regierungsbeteiligungen schlicht enttäuscht hat, sondern auch an ihrem systemkonformen Kurs in Sachen Corona. Der Freitag schrieb dazu im Juni 2024 in dem Beitrag «Keine Aufarbeitung linker Corona-Politik: Sie sprachen von ‹Anti-Impf-Terroristen›»:
«In der Corona-Zeit haben große Teile der gesellschaftlichen Linken und der Linkspartei die harte Linie der Regierung unterstützt. Jetzt scheuen sie eine Aufarbeitung der Fehler. Das befördert ihren Fall in die Bedeutungslosigkeit.»
Wagenknecht hingegen forderte schon Monate zuvor einen «Untersuchungsausschuss zur Corona-Pandemie».
Auch ist es schlicht neben der Spur, dass sich Die Linke jetzt über die Kleine Anfrage der Unionsfraktion mit 551 Fragen zur Finanzierung von NGOs, von denen mehrere zu den jüngsten Demonstrationen gegen rechts aufgerufen hatten, echauffiert. Linken-Chef Jan van Aken zu T-Online:
«Die Union bedient sich bei den Methoden der extremen Rechten. Diese Anfrage ist eine Drohung an die gesamte demokratische Zivilgesellschaft. Hier macht eine zukünftige Regierungspartei klar, dass sie keinen Widerspruch zu dulden bereit ist.»
Was für ein verquirlter Schmarrn. Tatsächlich ist eine solche Anfrage überfällig. So richtet sich die Kleine Anfrage mit dem Titel «Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen» an Organisationen wie Omas gegen rechts, BUND, Greenpeace, das Netzwerk Recherche und Correctiv. Und zu den gestellten Fragen gehört: «Wie groß ist der Anteil der finanziellen Mittel des Vereins Omas gegen rechts Deutschland, der aus staatlichen Förderprogrammen stammt?»
Was könnte berechtigter sein, als Interessenkonflikte aufzudecken und zu beseitigen? Die Welt schrieb zum politisch äußerst pikanten Agieren der NGOs am 11. Februar:
«Die NGOs sind in Deutschland längst ein Staat im Staate – und greifen, von der Bundesregierung mit Steuergeldern finanziert, in die demokratische Willensbildung ein. Wer eine andere Politik in Deutschland will, muss die manipulative Macht dieser verfassungswidrigen Institutionen brechen.»
Wagenknecht verdient auch höchsten Respekt dafür, dass sie – gegen heftigen öffentlich-medialen Gegenwind – schon früh darauf hinwies, der Ukraine-Krieg werde nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können und Ziel müsse eine diplomatische Lösung sein. Thomas Schmid von der Welt etwa kanzelte diese Aussagen der 55-Jährigen Ende Oktober als «verlogenes Friedensmantra» ab und bezeichnete das Gemetzel in der Ukraine als «gerechten» und damit unabdingbaren Krieg.
Doch so langsam scheint man auch bei Medien wie der Welt aufzuwachen. So liest man heute in dem Welt-Artikel «Europas diplomatisches Versagen» Folgendes:
«In Deutschland herrscht Empörung, weil Amerika allein mit Russland über eine Waffenruhe in der Ukraine verhandelt. Doch das ist kein Wunder: Europa hat die Chance verpasst, diplomatische Lösungen zu finden.»
Alles Gute – trotz allem!
Torsten Engelbrecht