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Wenn ich mit dem ICE von Berlin nach Thüringen fahre – wie kürzlich in dem ICE auf dem Titelbild –, wird mir öfter bei einer der Zwischenstationen, meist Leipzig, mitgeteilt, dass das Personal gewechselt habe. Der Zug fährt dann weiter, gleiche Richtung, gleiches Ziel.
Das passt zu dem, was sich durch die Bundestagswahl am Sonntag für Deutschland ergibt beziehungsweise was dem Land droht: Die Fahrt geht weiter, das Ziel bleibt dasselbe, wenn auch nicht klar erkennbar, und scheint eher der Abgrund zu sein – nur das Personal hat gewechselt. Und es ist nicht einmal neues Personal, sondern jenes, welches das Land schon vor der nun abgelösten «Ampel»-Mannschaft auf das falsche Gleis setzte und im Bordcomputer die falsche Richtung eingab.
Und damit auch ja alles in der (falschen) Spur bleibt, sind in der neuen Zugmannschaft jeweils auch Vertreter des vorherigen Personals zu finden, hier in Gestalt der SPD-Vertreter. So war es 2021 und so wird es voraussichtlich dieses Mal sein.
Und natürlich gilt: Vergleiche können hinken und nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Aber der Zustand der Deutschen Bahn (DB) und meine relativ zahlreichen Zugfahrerlebnisse beschreiben passend den Zustand dieses Landes vor und nach der Wahl.
Das geht los mit der schlechten Infrastruktur, die zwar stellenweise ausgebessert wird, aber dann doch nicht richtig funktioniert. Das geht weiter über die ständigen technischen Probleme der Züge samt Zugausfall, Langsamfahrstrecken für Hochgeschwindigkeitszüge und «überraschende» Baustellen, dazu die Probleme mit dem schlecht bezahlten Personal sowie die aus all dem folgenden Verspätungen bis zu falschen Planungen und Prioritäten.
Zugleich wird alles teurer, aber die Führungsetage der DB wird dafür nicht zur Verantwortung gezogen und kann sich stattdessen noch über Gehaltssteigerungen freuen. Und wem gehört die formal privatisierte Bahn? Dem Bund, vertreten durch die deutsche Bundesregierung.
Aber auch die Fahrgäste gehören in dieses Bild, die trotz all der Probleme weiter mit dem Zug fahren. Die meisten sind aus verschiedenen Gründen darauf angewiesen und haben keine andere Wahl, während es manche aus Bequemlichkeit und dem Glauben, damit etwas für die Umwelt zu tun, machen.
Da gibt es jene, die soweit ganz zufrieden sind, und jene, die zunehmend unzufriedener wurden und werden. Aber Letztere sind in der Minderheit und werden notfalls vom Personal per Lautsprecher zurechtgewiesen, nicht zu murren – alles schon erlebt.
Erlebt habe ich auch, wie Fahrgäste reagieren, wenn es schwierig ist und einige von ihnen sich nicht an die offiziell vorgegebenen Regeln halten. Das war ganz deutlich in der Corona-Zeit, wo selbst im Zug denunziert wurde, und wo sich etwa das halbe Zugabteil lautstark gegen mich wandte, als ich dem Denunzianten sagte, dass jene wie er nach 1933 sehr gefragt waren.
So tragen auch die Fahrgäste dazu bei, dass der Zug den falschen Kurs fährt – was ihnen im Falle Deutschlands vielleicht erst auffällt, wenn der Zug in den Abgrund stürzt oder er auf einem unüberwindbaren Hindernis aufprallt.
Nun darf also Friedrich Merz den Zugchef und Oberlokführer spielen, was er unter anderem bei Angela Merkel gelernt hat. Die CDU kann nun mit nicht einmal 30 Prozent der gültigen Stimmen der Fahrgäste bestimmen, wer mit ihr den Zug steuert und fährt sowie das Bordbistro bedient. Sie holt sich dafür wahrscheinlich die SPD wieder an Bord, nachdem diese ihr Personal abspecken musste – auch so ist garantiert, dass sich nichts am Kurs ändert, von der Innen- bis zur Außenpolitik.
Wobei für das Service- und Unterhaltungsangebot die anderen zuständig sind, die in den Bundestag gewählt wurden. Die AfD darf weiterhin (noch) nicht über den Kurs mitbestimmen – nicht direkt –, aber für Stimmung im Zug sorgen. Da die Zugführung auch für Ruhe an Bord sorgen muss, wird sie manche Forderungen des selbstbewusst polternden Personals erfüllen.
Die Grünen im bisherigen Personal müssen das Cockpit des Zuges verlassen, dürfen aber weiter den Ökostromverbrauch und das Klima im Zug kontrollieren. Die Linkspartei kann nun mehr Zugbegleiter entsenden, die sich um jene kümmern, die in der künftig wiedereingerichteten 3. Klasse im Zug Platz nehmen müssen.
Einige vom bisherigen Personal, wie die FDP-Vertreter, dürfen nur noch als normale Passagiere mitfahren. Anderen, wie der Mischung aus erfahrenen Zugbegleitern und neuen Kandidaten vom BSW, wurde der Zugang zu den Diensträumen im Zug verweigert.
Am Zustand des Zuges und der Strecke wird sich nichts ändern, auch nicht an seinem Kurs. Er wird weiter an den Warn- und Stoppschildern an der Strecke vorbeifahren, mal schnell, mal langsam.
Der neue Oberlokführer und seine Mannschaft werden auch alle Hinweise von außen ignorieren, dass ihr Kurs gefährlich ist und der Zug auf einem Gleis in den Abgrund oder Crash unterwegs ist. Und wenn es durch den Tunnel geht, wird das Licht des entgegenkommenden Zuges für das Sonnenlicht am Ausgang gehalten.
Die Fahrgäste unterdessen freuen sich in ihrer Mehrheit, dass sie von vielen vertrauten und bekannten Gesichtern im Zug betreut und ans vermeintliche Ziel gebracht werden. Wer keine korrekt gelöste Fahrkarte im vollen Zug vorweisen kann, wird unterwegs rausgeschmissen.
Wer eventuell rummeckert, wird lautstark zur Räson gebracht und aufgefordert, Ruhe zu halten; notfalls wird auch ihm der Rausschmiss angedroht. Ein Stopp des Zuges, um seinen Zustand zu überprüfen, ebenso, ob denn Kurs und Ziel noch stimmen, ist nicht erwünscht.
Wer so etwas fordert, der kann ja zu Fuß gehen und sehen, wie er dahinkommt, wo er gern hin möchte. Und wenn er gern mit dem Zug fahren möchte, kann er warten, bis vielleicht ein anderer kommt.
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