Der Abschied des Schweizer Armeechefs Thomas Süssli und des Direktors des Nachrichtendienst des Bundes (NDB) Christian Dussey ist ein weiteres Kapitel in einer Reihe von Rücktritten und Skandalen, die das Schweizer Verteidigungsdepartement erschüttert haben. Zunächst war es die überraschende Rücktrittserklärung von Bundesrätin Viola Amherd (Mitte-Partei, Wallis), die das Vertrauen in die Führung des VBS erschütterte. Gestern meldete die Neue Züricher Zeitung (NZZ) den Abritt von Süssli und Dussey zwei Schlüsselpersonen des Departements. Die Meldung der «alten Tante von der Falkenstrasse» erfolgte aufgrund einer Indiskretion. Offiziell bestätigt wurde sie bis dato nicht.
Süssli, der als unkonventioneller Armeechef galt, wurde 2020 nach dem Rücktritt von Philippe Rebord überraschend ernannt. Als Quereinsteiger ohne Berufsoffizierslaufbahn in der Armee wurde Süssli anfangs mit hohen Erwartungen konfrontiert. Besonders sein Hintergrund in der Cyberverteidigung und seine Erfahrungen in der Privatwirtschaft schienen einen frischen Wind in die Schweizer Armee zu bringen. Dennoch stand Süssli vor der Herausforderung, eine veraltete Armee zu modernisieren und mit den sich wandelnden sicherheitspolitischen Anforderungen Schritt zu halten.
Sein Rücktritt zeigt, wie schwierig diese Aufgabe in der Realität war. Trotz seiner Bemühungen um Modernisierung stießen seine Ansätze oft auf Widerstand und Missverständnisse. Die Probleme, insbesondere bei Beschaffungsprojekten, wurden zunehmend sichtbar. Dass er noch bis Ende 2025 im Amt bleiben wird, lässt weitere Fragen aufkommen.
Der zweite markante Rücktritt betrifft Christian Dussey, der 2022 als Direktor des NDB die Führung der Schweizer Schlapphüte übernahm. Sein Ziel war es, den Nachrichtendienst zu modernisieren und die hierarchischen Strukturen aufzubrechen, um den Dienst agiler und effektiver zu gestalten. Doch die von Dussey – wie Amherd aus dem Wallis stammend – angestoßene Transformation stieß auf erheblichen Widerstand innerhalb der Behörde. Eine interne Mitarbeiterbefragung aus dem Jahr 2023 erbrachte vernichtende Ergebnisse und ließ eine zunehmende Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern erkennen. Auch die kantonalen Polizeibehörden äußerten Kritik und warfen dem NDB vor, sich mehr mit internen Problemen als mit der nationalen Sicherheit zu beschäftigen.
Trotz dieser Herausforderungen hielt Dussey jedoch an seinem Kurs fest und bemühte sich, die nötigen Veränderungen voranzutreiben. Dass er nun ebenfalls kündigt, unterstreicht die Schwere der internen Probleme und die Frage, ob der Umbau des Nachrichtendienstes in seiner Amtszeit wirklich erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Mit den Rücktritten von Süssli und Dussey ist das VBS nun in einer prekären Lage. Der neue Verteidigungsminister – voraussichtlich entweder der Biobauer und Präsident des Schweizer Bauernverbandes, Markus Ritter oder der Zuger Regierungsrat (Minister) Martin Pfister – wird nicht nur mit den bestehenden strukturellen Problemen konfrontiert sein, sondern auch mit der Notwendigkeit, in kürzester Zeit zwei Schlüsselpositionen neu zu besetzen. Besonders die Verantwortung für die Schweizer Armee und den Nachrichtendienst des Bundes wird in den kommenden Jahren eine der größten Herausforderungen des neuen Ministers sein. Die Schweizer Landesregierung, der Bundesrat, umfasst sieben Mitglieder. Der Sitz der zurücktretenden Viola Amherd steht unbestrittenermaßen der Mittepartei zu.
Inmitten dieser Turbulenzen stellt sich die Frage, ob Amherd die Probleme unterschätzte, die in ihrem Departement brodelten. Ihre Amtszeit ist von zahlreichen Krisen geprägt, darunter Korruptionsskandale, Personalprobleme und Misserfolge bei wichtigen Rüstungsprojekten. Die Tatsache, dass sie den Rücktritt von zwei so wichtigen Kadern nicht frühzeitig kommunizierte und sogar vor den anderen Ministern und dem Gesamtbundesrat einen Monat geheim hielt (einige Minister erfuhren daraus aus den Medien), stellt auch ihre Führung in Frage.
Einige Kommentatoren werfen der Mitte-Politikerin Amherd vor, dass sie in ihrem Amt nicht die nötige Konsequenz und Klarheit an den Tag gelegt habe. So wurde etwa ihre Reaktion auf die Liquiditätsprobleme der Armee im Februar 2024 heftig kritisiert. Während Süssli vor der Presse auf die finanziellen Engpässe hinwies, widersprach Amherd öffentlich und versuchte, die Situation zu verharmlosen. Solche öffentlichen Auseinandersetzungen dürften letztlich zu dem geführt haben, was nun als Knall im VBS bezeichnet wird.
Für den neuen Verteidigungsminister bedeutet dies, ein von Unzufriedenheit und internen Konflikten geprägtes Verteidigungsministerium zu übernehmen. Es bleibt abzuwarten, wie der nächste VBS-Chef die schwierige Aufgabe meistern wird, das Vertrauen in das Departement wiederherzustellen und die laufenden Reformen erfolgreich abzuschließen.
Praktisch zeitgleich ging eine weitere Bombe hoch. Im Zentrum steht ein Skandal um den Verkauf von Panzer-Ersatzteilen durch einen Walliser Manager (ein Schelm, wer etwas Böses denkt) der RUAG, eines Schweizer Rüstungsunternehmens, der mit illegalen Praktiken in Verbindung steht, wie zum Beispiel der Blick gestern meldete. Diese Machenschaften wurden über Jahre hinweg von der RUAG-Geschäftsleitung und dem Generalsekretariat des VBS übersehen oder vertuscht, obwohl ein Whistleblower schon 2019 auf die illegalen Aktivitäten hingewiesen hatte. Es wird vermutet, dass dieses kriminelle Netzwerk möglicherweise europaweit operiert hat, was die Tragweite des Vorfalls noch verstärkt.
Der Skandal könnte auch mit dem Verkauf von 25 «Leopard 2» Panzern, die ursprünglich aus Schweizer Produktion stammten, aber nicht der Schweizer Armee gehören und nach Deutschland verkauft wurden, in Verbindung stehen. In diesem Zusammenhang wird spekuliert, dass dies Teil eines größeren Netzwerks von Waffenverkäufen und -geschäften war, das über den direkten Verkauf von Panzer-Ersatzteilen hinausgeht. Es wird außerdem vermutet, dass Mitarbeiter des VBS in weitere undurchsichtige Geschäfte verwickelt sein könnte.
In diesem Kontext forderte der ehemalige Dozent für strategische Studien an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH), Albert Stahel, dass nicht nur der Panzer-Gaunerei nachgegangen wird, sondern auch die Hintergründe bei der Beschaffung von anderen militärischen Systemen untersucht werden sollten. Besonders kritisch werden die Anschaffungen des Jagdbombers F-35A und des Patriot PAC3 Abwehrsystems betrachtet. Während die F-35A als moderne Waffensysteme gelten, sind sie vor allem für den Einsatz als Träger für nukleare Waffen konzipiert und seien keine geeigneten Abfangjäger für die Luftverteidigung der Schweiz. Die Patriot PAC3 Systeme, die zwar im Ukraine-Konflikt effektiv eingesetzt werden, seien jedoch seit den 1980er Jahren in Entwicklung und nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik.
Stahel sieht bei Süssli und Dussey Gemeinsamkeiten. Süssli sei auf Basis seiner Erfahrung im Sanitätswesen und ohne ausreichende militärische Expertise in eine der höchsten Positionen der Armee berufen worden. Auch der Chef des Nachrichtendienstes des Bundes, Christian Dussey, sei ebenfalls Laie auf diesem Gebiet.
Insgesamt bot sich gestern ein Bild von gravierenden Missständen, Mängeln in der Führung und der Verwaltung innerhalb des VBS ab, das weit über den aktuellen Skandal hinausgeht und dringend einer umfassenden Untersuchung bedarf.
Das Verteidigungsdepartement (VBS) hat, wie es heute mitteilt, Strafanzeige wegen Indiskretionen eingereicht, nachdem interne Informationen zu den Rücktritten von Armeechef Thomas Süssli und Geheimdienstleiter Jean-Daniel Dussey vorzeitig an die Öffentlichkeit gelangten. Ursprünglich war vorgesehen, dass Verteidigungsministerin Viola Amherd erst am Mittwoch die Rücktritte bekannt geben würde. Die Anzeige richtet sich gegen die undichte Stelle, die die vertraulichen Informationen weitergab.
Fazit
Seit ihrer Rücktrittsankündigung fragt man sich in Bern, warum Bundesrätin Viola Amherd so plötzlich zurücktritt. Die bauernschlaue Walliser Notarin schien großen Gefallen an der großen Politik gefunden zu haben.
Aus mehreren zuverlässigen Quellen hatte ich erfahren, dass im Verteidigungsdepartement demnächst eine Bombe hochgehen würde, deren Fallout Amherd gerne aus dem sicheren Wallis beobachten würde.
Aufgrund einer Indiskretion ging die Bombe noch während ihrer Amtszeit los. Das Problem mit Amherd war, dass sie lange Zeit praktisch unantastbar war. Die erste Schweizer Verteidigungsministerin! Ihre Schwerpunkte lagen nicht bei Rüstungsbeschaffungen und Verteidigungsstrategien, sondern bei der Erhöhung des Frauenanteils in der Armee auf 10% und der Annäherung an die NATO. Es scheint im Rückblick, dass in der Öffentlichkeit jegliche Kritik bezüglich Berater-Affären, Führungsversäumnisse oder was auch immer, den ungeliebten Vorgängern in die Schuhe geschoben oder es wurde der Mantel des Schweigens darübergelegt wurde. In den Medien - so scheint es mir - wurden praktisch alle diesbezüglichen kritischen Leserkommentare gelöscht.
Ich diente viele Jahre in einer Panzertruppe der Schweizer Armee und erlebte den Übergang vom alten Centurion-Panzer zum neuen Leopard aus Schweizer Lizenzproduktion live mit. Das Fahrgefühl ist zu vergleichen mit dem Übergang von einer Vorkriegs-Dampflokomotive zu einem TGV. Bis heute ist der Leopard ein gefragter Panzer – und viele Exemplare befinden sich direkt oder indirekt in Schweizer Hand. Motive für krumme Deals gäbe es also zuhauf.
Bezeichnend ist, dass die Schweiz, angeführt von der neuen Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (FDP) – in der Schweiz rotiert das Präsidium jedes Jahr zwischen den sieben Bundesräten) – jüngst einen Schwenker weg von der NATO hin zur traditionellen Neutralität unternahm – Keller-Sutter und die abtretende Amherd waren sich spinnefeind.
Ich beneide den neuen Verteidigungsminister nicht. Ob da wohl innerhalb der Mitte-Partei schon Informationen zu diesen beiden Rücktritten vorhanden waren und deshalb kaum jemand Lust auf das Bundesratsamt hatte?
Falls der Biobauer Markus Ritter gewählt wird, kann er gleich die Mistgabel nach Bern bringen.
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