Dass sich die fortgeschrittene Industriegesellschaft in einem prekären Zustand befindet, ist keine neue Erkenntnis. 1999, also bereits vor 25 Jahren, konstatierte der US-Schriftsteller Gore Vidal, der 1982 für sein Werk «The Second American Revolution» den American Book Critics Circle Award bekam, die Vereinigten Staaten seien «ein Polizeistaat».
1964 und damit noch mal 35 Jahre vorher, bemängelte Herbert Marcuse, deutsch-amerikanischer Soziologe und Philosoph und eine Art «Vater» der 68er-Bewegung, in seinem Buch «Der eindimensionale Mensch» den «Wahnsinn des Ganzen». Sein zentrales Anliegen war es, Systemen, die «von Herrschaft und Gleichschaltung» geprägt sind – ob sie nun faschistisch genannt werden oder auch kapitalistisch oder sozialistisch wie die damaligen Ostblockstaaten – ein Ende zu setzen und so «unterdrückten und überwältigten Minderheiten» zu gesellschaftlicher Gleichberechtigung zu verhelfen.
Seither hat sich die Situation tragischerweise eher noch verschärft. Der Pulitzer-Preisträger Chris Hedges geht sogar so weit und meint in einem kürzlich von Transition News veröffentlichten Interview, unsere Demokratie sei «nur noch eine Fiktion – Konzerne und die Milliardärsklasse haben gewonnen».
Umso notwendiger erscheint es uns aufzuzeigen, wer für diese äußerst prekären Zustände an vorderster Front verantwortlich zeichnet – und welche Menschen es sind, die sich dagegen stemmen bzw. dafür einsetzen, dass eine Wende zum Besseren doch noch möglich wird. Vor diesem Hintergrund ward bei uns die Idee geboren, zwei Transition-News-Awards aus der Taufe zu heben: Den «Noble Prize» und den «Fake Newser» Award.
Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben in den vergangenen zwei Wochen über die von «Transition News» ausgelobten Awards abgestimmt. Für Ihre Teilnahme möchten wir uns an dieser Stelle noch mal herzlich bedanken! Und das Ergebnis lautet:
Paul Schreyer, «Multipolar»-Herausgeber, und Gabriele Krone-Schmalz, langjährige Korrespondentin im ARD-Studio Moskau und Moderatorin des ARD-Kulturweltspiegel, erhalten den ersten respektive zweiten «Noble Prize» – Alena Buyx, Ex-Ethikrat-Chefin, und Viola Amherd, Schweizer Bundespräsidentin, wurden zum größten bzw. zweitgrößten «Fake Newser» gekürt.
Links: Paul Schreyer; Bild: Kristina Becker, Rostock, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons. Rechts: Gabriele Krone-Schmalz; Bild: © Superbass / CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Links: Alena Buyx; Bild: republica GmbH, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons. Rechts: Viola Amherd; Bild: Swiss Federal Chancellery / Sina Guntern, via Wikimedia Commons
Was Paul Schreyer und Gabriele Krone-Schmalz für den «Noble Prize» prädestiniert:
Paul Schreyer, Herausgeber von Multipolar. Die von ihm freigeklagten Protokolle des Krisenstabs des Robert Koch-Instituts (RKI), auch RKI-Files genannt, wurden im März dieses Jahres für alle zugänglich gemacht. Die mehr als 200 Dokumente waren zunächst noch in erheblichem Umfang durch das RKI geschwärzt worden, lagen aber, nachdem sie, wie berichtet wurde, Aya Velázquez von einem Whistleblower in ungeschwärzter Form zugespielt worden waren, auch in komplett ungeschwärzter Form vor (für die Jahre 2020 bis 2023).
Sie belegen, dass die Maßnahmenkritiker, lange Zeit als «Querdenker», «Schwurbler» und «Verschwörungstheoretiker» verunglimpft, bereits vorgetragen hatten, «wohl doch recht hatten», wie es Andreas Rosenberger in der Welt ausdrückte (siehe oben), und die Corona-Politik mit einer «absichtlichen Ignoranz gegenüber der Realität» betrieben wurde, wie es das Portal Kodoroc formulierte. Demnach war jetzt allen klar, dass selbst Dogmen wie das von der «Pandemie der Ungeimpften» ohne faktische Grundlage waren.
Die RKI-Files waren auch wichtiger Part eines regelrecht spektakulären Beschlusses von Gert Armin Neuhäuser, Honorar-Professor an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover und Präsident des Verwaltungsgerichts Osnabrück, sowie Judith Rababah und Esther Körbi, Richterinnen am Verwaltungsgericht Osnabrück. Deren Beschluss zeugte von so viel Courage, dass Transition News sie auch auf die Liste der 10 Kandidaten für den «Noble Prize» setzte.
So erklärten die drei Richter die Impfpflicht im Gesundheitswesen für verfassungswidrig und forderten das Bundesverfassungsgericht dazu auf, sich erneut mit diesem Thema zu befassen (Az 3 A 224/22).
Hintergrund: Gegen eine Pflegehelferin wurde 2022 basierend auf § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot ausgesprochen, weil sie keinen «Impf»- oder Genesenennachweis vorlegte. Hiergegen klagte sie vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück. Das Verwaltungsgericht sollte darüber entscheiden, ob dieses Verbot rechtmäßig war. Zu diesem Zeitpunkt waren die RKI-Protokolle bzw. RKI-Files bereits öffentlich zugänglich gemacht worden. Das Gericht setzte die mündliche Verhandlung an, lud sogar Lars Schaade, Präsident des RKI, als Zeugen und erklärte bereits in einer Pressemitteilung vor der Verhandlung, dass er zu Passagen der RKI-Protokolle befragt werden würde.
Friedrich Pürner, Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, Epidemiologe und BSW-Politiker mit Sitz im Europäischen Parlament, schrieb dazu in einem am 7. September veröffentlichten Beitrag für die Berliner Zeitung:
«Somit wurden die geleakten RKI-Protokolle richtigerweise als Erkenntnisquelle herangezogen und nicht etwa mit wenigen Sätzen als rein interner Austausch abgetan, den man ignorieren könne ... Da ist [nun] eine Kammer, die mit drei Berufsrichtern ... die einrichtungsbezogene Impfpflicht für verfassungswidrig hält. Das alleine hätte noch vor einem Jahr für einen Skandal gesorgt und die Richter in die Querdenker-Ecke gestellt. Wenn sich diese Richter überhaupt getraut hätten, so einen Beschluss zu fassen. [Der Beschluss ist] eine Steilvorlage für die Corona-Aufarbeitung ... Die Versuche, die RKI-Protokolle kleinzureden, sind [damit] offiziell gescheitert.»
Gabriele Krone-Schmalz, inzwischen 74, war von 1987 bis 1991 Korrespondentin im ARD-Studio Moskau und bis 1997 Moderatorin des ARD-Kulturweltspiegel. Sie tut das, was eigentlich etwas Selbstverständliches für Journalisten sein sollte, gerade auch bei ihrem wichtigsten Thema, dem Verhältnis zu Russland: beobachten, analysieren, berichten, beschreiben, beide Seiten beachten. Zuletzt geschah dies etwa am 7. Oktober im Berliner «Sprechsaal», wo sie über das Thema «Verstehen heißt nicht Verständnis haben – Frieden mit Russland & der Welt» sprach.
Die Rechtsanwältin Karolin Ahrens hatte die Veranstaltung organisiert und Krone-Schmalz eingeladen. Diese ging auf verschiedene Aspekte des Themas ein, von der Chronologie der Ereignisse über die Geschichte der Ukraine und eine Bestandsaufnahme der Lage bis hin zu den Interessen der am Konflikt und Krieg beteiligten Seiten. Sie machte das in ihrer gewohnt sachlichen und prägnanten Art, auch mit Blick auf die Medien und deren Sprache.
So beschrieb sie am Beispiel der sie selbst betreffenden Beschreibung «Russlandversteher», wie Begrifflichkeiten umgewidmet werden.
«Das war zu Zeiten der neuen deutschen Ostpolitik Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts in Regierungskreisen eher etwas Positives. Heute wird ‹Russlandversteher› abschätzig gebraucht und dient dazu, das, was derjenige sagt, von vornherein undiskutabel zu machen.»
Als anderes Beispiel dafür nannte sie den Begriff «Querdenker», der einst unter anderem in Stellenausschreibungen als Qualitätsmerkmal gegolten habe. Das habe sich heute auch verändert, stellte sie mit Blick auf die Tatsache fest, dass auch dieses Wort in das Arsenal der Diffamierungen aufgenommen wurde.
Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und dessen Vorgeschichte wies sie auch darauf hin, dass ihre kritische Sicht auf den US-geführten Westen nichts mit «Antiamerikanismus» zu tun habe und ihr Blick auf Russland nicht unkritisch sei. Es gehe ihr darum, sich «nicht von vorgeschobenen humanitären oder moralischem Deckmäntelchen die Sicht verstellen zu lassen». Sie bemühe sich, «so gut es geht zu verstehen, im Sinne von begreifen». Etwas zu verstehen und zu begreifen, müsse nicht automatisch «Verständnis haben» bedeuten.
Dass so jemand wie sie als erfahrene Journalistin und Publizistin das hervorheben muss, legt ein beschämendes Zeugnis ab über die heutige Debattenkultur.
Dies gilt ebenso für den Umstand, dass sie sich für ihre Äußerungen seit Jahren viele Anfeindungen, Ausgrenzung, Ablehnung, heftige Kritik und sogar den Vorwurf gefallen lassen muss, sie verbreite «Lügen» und sei eine «Verteidigerin des verbrecherischen Putin-Regimes». Auch der Anwurf, sie sei eine «Putin-Apologetin», erging schon. Auch wollte ihr Verlag C. H. Beck 2022 ihre Bestseller nicht mehr nachdrucken.
Was Alena Buyx und Viola Amherd für den «Fake Newser» Award prädestiniert:
Alena Buyx war in ihrer Funktion als Vorsitzende des Deutschen Ethikrates (von April 2020 bis Frühjahr 2024) maßgeblich an der Beratung der Bundesregierung in ethischen Fragen beteiligt. Im Februar 2021 erklärte sie im Gespräch mit dem Spiegel, dass sie eine «moralische Pflicht» sehe, sich impfen zu lassen, und «jede Dosis muss in einen Arm».
Ende 2021 verstieg sie sich zu dem aus heutiger Sicht noch bizarrer anmutenden Satz, «da muss jetzt geimpft werden, was die Spritze hergibt». Kurz darauf behauptete sie im Interview mit dem Deutschlandfunk, Freiheitsbeschränkungen seien bei Geimpften rechtlich sehr schwierig durchzusetzen, denn es gebe mit den Aussagen des Robert Koch-Instituts, dass Geimpfte wohl nicht mehr ansteckend seien, eine neue Situation.
All das ist nicht nur faktisch falsch, sondern hatte auch «mit Ethik nicht viel zu tun», wie es sogar eine etabliertes Medium wie die NZZ ausdrückte. Dennoch ließ sie sich noch am 27. März 2024 zu der Aussage hinreißen, sie wünsche sich «weniger Impfgeschimpfe und Maßnahmenschelte» – und das, obwohl spätestens am 20. März, als das Magazin Multipolar die zunächst noch teilgeschwärzten RKI-Protokolle vollständig veröffentlichte, für jeden klar sein musste, dass die Corona-Politik in Gänze ohne faktischen Boden und auch die Wirksamkeit der «Impfungen» nie bewiesen worden war.
Dennoch bekam die 47-Jährige vom deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober 2024 das Bundesverdienstkreuz vor allem auch wegen ihres «wichtigen Engagements ... während der Corona-Pandemie» verliehen.
Viola Amherd, Schweizer Bundespräsidentin. Sie behauptete im Mai:
«Als Schweiz müssen wir unsere Verteidigungsfähigkeit stärken. Wir dürfen kein ‹Loch im Donut› sein und müssen einen Beitrag zur Sicherheit Europas leisten. Deshalb werden wir unsere Rüstungsbeschaffung weiterführen.»
Dabei sei es laut Amherd möglich, dass Putin, sollte er sich etwa die Ukraine einverleibt haben, «weitergeht in Richtung Europa». Tatsächlich jedoch gibt es den «russischen Imperialismus», der Europa und damit auch die Schweiz bedroht, nicht. Vielmehr wurde dieser erfunden, um Russland die Schuld geben zu können, wie etwa John Joseph Mearsheimer, US-amerikanischer Politikwissenschaftler von der University of Chicago, dargelegt hat.
Mearsheimer nennt insgesamt sieben Gründe, warum es faktisch nicht haltbar ist, Putin als einen Imperialisten, der aus reinen Eroberungserwägungen heraus die Ukraine attackiert hat und eine echte militärische Bedrohung darstellt für Europa, zu bezeichnen. Der 76-Jährige zitiert in diesem Zusammenhang auch Jens Stoltenberg, bis zum 1. Oktober NATO-Generalsekretär, der im vergangenen Jahr zweimal gesagt hat, dass «Präsident Putin diesen Krieg begonnen hat, weil er die Tür der NATO schließen und der Ukraine das Recht verweigern wollte, ihren eigenen Weg zu wählen».
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch, dass es beim Ukraine-Krieg offenkundig primär um Rohstoffe wie das für Batterien und die E-Mobilität so wichtige Lithium geht (siehe dazu den Transition-News-Artikel US-Senator: «Dürfen ukrainische Rohstoffe nicht Putin überlassen»). Auch findet «im Schatten des Ukraine-Krieges ein Ausverkauf» von landwirtschaftlichen Flächen statt, wie es die Frankfurter Rundschau formulierte, und zwar durch Agrarkonzerne wie Monsanto. Entsprechend «fürchten kleine Landwirtschaftsbetriebe um ihre Existenz».
Der Verein Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzt*innen in sozialer Verantwortung, kurz IPPNW, schreibt in diesem Zusammenhang:
«Für fast alle Kriege der letzten Jahre lässt sich nachweisen, dass der Zugang zu Erdöl, Erdgas und anderen Rohstoffen sowie den Transportwegen zu den wesentlichen Kriegsgründen zählte. Das Menschenrechtsargument wird als offizieller Rechtfertigungsgrund vorgeschoben.»
Dies sollten sich vor allem auch Kriegstreiberjournalisten wie Thomas Schmid von der Welt vor Augen führen, der in einem aktuellen Kommentar Sahra Wagenknecht eine «schändliche Friedenspropaganda» vorwarf, weil ihr es gelungen war, dass in ein Koalitionssondierungspapier eine Formulierung aufgenommen wurde, in der es unter anderem heißt:
«Wir nehmen die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst, dass sich der [Ukraine-]Krieg ausweitet ... Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können. Wir ... setzen uns für eine diplomatische Lösung des Ukrainekonflikts ein ... mit dem Ziel von Waffenstillstand und dauerhaftem Frieden voranzutreiben.»
In unserem aktuellen Newsletter «Loblied auf Sahra Wagenknecht – Abgesang auf Kriegstreibermedien» gehen wir auf Schmids Schmährede gegen die BSW-Gründerin näher ein.
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