Wie erst heute bekannt wurde, haben die niederländischen Behörden am Montag das Büro des australischen Arztes und Sterbehilfeaktivisten Philip Nitschke durchsucht. Diese Maßnahme erfolgte auf ein Rechtshilfeersuchen der Schweizer Behörden, nachdem die umstrittene Suizidkapsel «Sarco» erstmals in der Schweiz zum Einsatz gekommen war. Nitschke, der seit Jahren in den Niederlanden lebt, ist der Erfinder dieser Hightech-Tötungsmaschine, welche einen medikamentenfreien und selbstbestimmten Tod ermöglichen soll.
Der Durchsuchung vorausgegangen war der aufsehenerregende Vorfall im Kanton Schaffhausen, bei dem sich eine 64-jährige Frau aus den USA in einer abgelegenen Waldhütte bei Merishausen mit der «Sarco»-Kapsel das Leben genommen hatte. Die Frau litt seit Jahren an einer schweren Immunschwäche und suchte in der umstrittenen Suizidkapsel den erlösenden Tod (wir berichteten hier und hier darüber).
Nach dem Selbstmord der Frau in der Kapsel wurden mehrere Personen aus dem Umfeld der Sterbehilfeorganisation The Last Resort festgenommen. Diese Organisation hatte die Durchführung des Suizids koordiniert. Zu den Festgenommenen zählten der Co-Präsident der Organisation, zwei Anwälte sowie eine niederländische Journalistin, die als Fotografin vor Ort gewesen war. Die Schaffhauser Staatsanwaltschaft leitete gegen sie ein Strafverfahren wegen Verleitung und Beihilfe zum Suizid ein.
Während die meisten der Festgenommenen nach Befragungen wieder auf freiem Fuß sind, befindet sich eine Person weiterhin in Untersuchungshaft. Das Zwangsmassnahmengericht hat diese Maßnahme am Freitag auf Antrag des fallführenden Ersten Schaffhauser Staatsanwaltes Peter Sticher vorerst für die nächsten drei Monate bewilligt. In der Zwischenzeit werden die Ermittlungen fortgesetzt.
Die Fotografin, die inzwischen wieder freigelassen wurde, äußerte sich in einem Interview mit der niederländischen Zeitung Volkskrant und beschrieb den Tod der Frau als «friedlich und schmerzlos». Das Obduktionsergebnis der 64-Jährigen liegt den Behörden vor, wurde aber bisher nicht veröffentlicht.
Während Philip Nitschke sich zum Zeitpunkt des Todes der Frau in Deutschland aufhielt, durchsuchte die niederländische Polizei nun sein Büro. Dabei wurden Computer und ein Prototyp der «Sarco»-Kapsel beschlagnahmt, wie Volkskrant berichtet. Die genauen Gründe für die Durchsuchung sind derzeit unklar, ebenso wie die Frage, ob die Schweiz möglicherweise die Auslieferung Nitschkes beantragt hat. Nitschke, der seit Jahren für das Recht auf einen selbstbestimmten Tod kämpft, verfolgt die Vorgänge rund um seine Erfindung derzeit aus der Ferne, um mögliche rechtliche Risiken zu minimieren.
«Sarco» ist ein Hightech-Tötungsgerät, das ohne Medikamente (sprich: Gift) auskommt und es ermöglicht, den Tod durch Stickstoffzufuhr herbeizuführen. Stickstoff ist frei erhältlich. Die Kapsel wurde speziell dafür entwickelt, einen assistierten Suizid ohne den zum Beispiel in der Schweiz obligatorischen Beizug von Ärzten durchzuführen.
Der Fall hat in der Schweiz und darüber hinaus eine breite gesellschaftliche Debatte über die ethischen und rechtlichen Grundlagen der Sterbehilfe ausgelöst. Befürworter wie Nitschke argumentieren, dass jeder Mensch das Recht haben sollte, über den eigenen Tod selbst zu entscheiden, insbesondere in Fällen unheilbarer Krankheiten oder unerträglichen Leidens. Kritiker hingegen warnen vor den Risiken, die eine solche Technologie mit sich bringt, und befürchten einen Missbrauch oder gesellschaftlichen Druck auf vulnerable Personen, die sich zu einem Suizid entschließen könnten.
Staatsanwalt Peter Sticher erklärte gegenüber den Medien, dass es noch viele offene Fragen gebe und die Beweissicherung weiter andauere. Wann es zu einem möglichen Prozess kommen könnte, ist bisher völlig offen.
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