Nach hundert Tagen zieht die Techniker Krankenkasse (TK) eine positive Bilanz der elektronischen Patientenakte (ePA) in Deutschland. Laut einer Pressemitteilung des Versicherers, die dank der Deutschen Presse-Agentur (dpa) ihr Echo in den Mainstream-Medien fand, war der Start erfolgreich. Die «freiwillige» digitale Akte haben dieses Jahr automatisch alle gesetzlich Versicherten in Deutschland erhalten, die nicht ausdrücklich widersprochen haben.
Die Umstellung auf das Opt-Out-Verfahren im Januar 2025 wertet die TK positiv, denn man sehe einen deutlichen Effekt: Die Logins in die ePA seien im Vergleich zum vergangenen Jahr um 400 Prozent gestiegen, was die Erwartungen der Kasse übersteige. Auch mehr als die Hälfte der Praxen habe die elektronische Akte bereits genutzt.
Dieses Funktionieren «ohne aktives Zutun der Patientinnen und Patienten» ist für die TK der entscheidende Vorteil der ePA. Es sei praktisch, dass auch ohne explizite Nutzung durch die Versicherten viele sensible Informationen wie Befunde, Laborergebnisse und Verordnungen automatisch in der Akte zusammenlaufen. Dadurch lägen sie künftig einfach vor, wenn sie zur Behandlung benötigt würden.
Das ist richtig, denn auch für die Kontrolle des Zugriffs auf die gespeicherten Inhalte der ePA gilt das Opt-Out-Prinzip. Wer zum Beispiel einzelne Dokumente oder bestimmte Einrichtungen blockieren möchte, muss dies explizit tun.
Trotz des Lobes sehe TK-Vorstandschef Baas allerdings auch Spielraum für «Verbesserungen» bei der ePA. Man habe viele Rückmeldungen erhalten, dass der Registrierungsprozess zu kompliziert sei. Zur «Vereinfachung» würde er gern das Videoident-Verfahren zur Anmeldung anbieten, das viele Kunden vom Online-Banking kennen würden.
Gemeint sind die angeblichen Anti-Geldwäsche- und Anti-Terrorismus-Maßnahmen der Kategorie «Know Your Customer» (KYC), bei denen sich die Benutzer per Video-«Chat» mit einer Maschine authentifizieren müssen. In der Regel funktioniert dies über einen externen, spezialisierten Anbieter, der entsprechend auch Zugriff auf die Daten hat.
Da das Videoident-Verfahren jedoch immanente Schwächen aufweist, wurde seine Nutzung bei der ePA bereits 2022 von der Gematik untersagt, worauf Heise hinweist. Und erst letzten Monat warnte unter anderem das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erneut vor den Gefahren dieser Art der Identifizierung.
So räumt die TK denn abschließend auch ein, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert werden müssten, damit die Krankenkassen für den ePA-Prozess ein «einfacheres» Anmeldeverfahren anbieten dürften.
Kommentar Transition News:
Der aktuelle erneute Vorstoß der Techniker Krankenkasse in Richtung Videoident muss ebenso zu denken geben, wie die praktisch kritiklose Wiedergabe in den Medien. Die Taktik des «steten Tropfens» ist ja nicht unüblich, und sie erinnert an das Vorgehen von Regierungen auf verschiedenen Ebenen bezüglich biometrischer Überwachung, anlassloser Datensammlung und KI-Auswertung, über die Transition News kürzlich berichtete.
Insgesamt fehlt es vermutlich nach wie vor am Bewusstsein darüber, was die zunehmende, angeblich alternativlose Digitalisierung und die damit verbundene Datensammelei bezwecken und wohin sie unweigerlich führen. Jemand, der sich mit diesen Themen seit langem sehr intensiv beschäftigt, ist der Journalist und Autor Tom-Oliver Regenauer.
An dieser Stelle sei exemplarisch sein kürzlich veröffentlichter Artikel über die Technokratie als Herrschaftsmodell empfohlen, welches «für eine Regierung von Experten statt von gewählten Amtsträgern plädiert» und «eine Gesellschaft anstrebt, in der Entscheidungen auf der Grundlage von Daten und systematischen Analysen getroffen werden».
Regenauer beschreibt darin Technocracy Inc. als «die bedeutendste Organisation unserer Zeit», einflussreicher als jede NGO, da «ihre Konzepte integraler Bestandteil jedes Projekts, jeder Agenda, jeder technologischen, ökonomischen, sozialen und legislativen Entwicklung» seien. Der Autor betont, wie real die Gefahren sind:
«Mit dem elektronischen Ausweis, digitalem Geld, der elektronischen Patientenakte, Zwei-Faktor-Authentifizierung, KYC und lückenloser Überwachung via Smartphone, Biometrie, Telemetrie und Kameras ist auch die Infrastruktur für Technokratie 2.0 längst einsatzbereit. Die Schlinge um das leblose Bündel persönlicher Freiheiten, die dem Normalbürger noch geblieben sind, zieht sich immer enger zu.»